Ostermärsche der Friedensbewegung: Trotz Corona auf der Straße
2020 sind die Friedensdemos wegen der Pandemie ausgefallen. Dieses Jahr sind rund 100 Aktionen geplant. Die ersten starteten am Freitag.
Nachdem es 2020 Corona-bedingt nur Online-Proteste gegeben hatte, ruft die Friedensbewegung an diesem Wochenende bundesweit zu rund 100 Präsenz-Aktionen auf. Kundgebungen und Demonstrationen soll es etwa in Berlin, Hamburg, Bremen und Hannover, aber auch in Frankfurt, München und Stuttgart geben. Allein in Nordrhein-Westfalen werden mehrere tausend Teilnehmer:innen erwartet.
Größte Aktion in NRW dürfte der dreitägige Ostermarsch Rhein Ruhr werden, der am Samstag in Duisburg beginnt und in der Landeshauptstadt Düsseldorf fortgesetzt wird. Die zweite Tagesetappe führt als Fahrradcorso nach Bochum. Am Ostermontag endet der Ostermarsch dann in Dortmund. Im Stadtteil Dorstfeld, der seit Jahren gegen die Präsenz von Neonazis kämpft, wird gegen rechte Gewalt demonstriert.
„Bei der Sicherheit der Bürger:innen setzt die Bundesregierung seit Jahren falsche Prioritäten“, kritisiert Joachim Schramm von der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK), einer der Organisator:innen des Ostermarschs Rhein Ruhr. Selbst in Pandemiezeiten sei der Militärhaushalt auf jetzt 47 Milliarden Euro erhöht worden – mit 9,41 Prozent ist der Etat des Verteidigungsministeriums der drittgrößte Posten im knapp 499 Milliarden Euro umfassenden Bundeshaushalt 2021.
8,4 Prozent mehr Militärausgaben
Erst Mitte März präsentierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg einen Bericht, nachdem die Bundesrepublik ihre Militärausgaben allein im Jahr 2020 um 8,4 Prozent gesteigert hat. Nach Nato-Standards lagen sie sogar bei 51,6 Milliarden Euro. Darin enthalten sind auch Kosten für militärische Forschung oder Unterstützungszahlungen für den Betrieb von Basen wie etwa den Flugplatz Ramstein, den die USA bei Kaiserslautern nutzt und der als unverzichtbar für Drohneneinsätze im Mittleren Osten gilt. Im Etat des Verteidigungsministeriums tauchen diese Kosten aber nicht auf.
Die schon heute hohen deutschen Militärausgaben führten „zu der paradoxen Situation, dass Bundeswehrsoldaten in Gesundheitsämtern und Impfstationen aushelfen müssten, weil dort zu wenig Geld für Personal“ vorhanden sei, sagt Friedensaktivist Schramm. Allein für den Ostermarsch Rhein Ruhr hofft er deshalb auf mehr als 1.000 Demonstrant:innen.
„Wir merken, dass die Leute auf die Straßen wollen – und gerade unter Corona-Bedingungen ist das ein Super-Erfolg“, sagt Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative. Vergleichbar mit den Vorjahren seien die aktuellen Zahlen der Demonstrant:innen sowieso nicht: So haben die Behörden im bayerischen Rosenheim die Zahl der Teilnehmer:innen auf 50 begrenzt. In Büchel in der Eifel, wo die USA Atombomben lagern und deutsche Piloten deren Abwurf trainieren, dürfen maximal 75 Menschen protestieren. Für alle, die pandemiebedingt nicht öffentlich demonstrieren wollen, gibt es deshalb verschiedenste Online-Diskussionen. Auf ostermarsch.de können Friedensaktivist:innen außerdem Fotos ihrer ganz persönlichen Osteraktion hochladen.
Fahrraddemo zur Urananlage
Auf der Straße protestiert haben an Karfreitag bereits etwa 150 Menschen im Münsterland. „Atomwaffen ächten“ war das Motto ihrer drei Fahrraddemos, mit denen sie zur Urananreicherungsanlage (UAA) Gronau zogen. Dort protestierten sie gegen deren zum Bau von Atomwaffen nutzbare Zentrifugen-Technologie – trotz Atomausstieg besitzt die Anlage eine unbefristete Betriebsgenehmigung.
„Ein Skandal“ sei das, erklärte Brigitte Hornstein von den Internationalen Ärzten für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW). „Die Urananreicherung ist wesentlicher Teil der Atomkette. Am Anfang stehen massive Gesundheitsschäden beim Uranabbau – und am Ende Atomwaffen.“
UAA-Betreiber Urenco war deshalb schon in den Siebziger Jahren Spionageziel: Dem pakistanischen Maschinenbauingenieur Abdul Khadir Khan gelang es, atomares Know-How aus niederländischen Urenco-Anlage zu schmuggeln. Heute gilt er als Vater des pakistanischen Atomwaffenprogramms – und dürfte die Technologie auch an Nordkorea und den Iran weitergegeben haben.
„Schlüssel zur Atombombe“
„Die Bundesregierung und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident, der CDU-Bundeschef Armin Laschet, wollen an der Urananreicherung in Deutschland festhalten“, sagte am Freitag Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg. „Technisch ist sie der Schlüssel zur Atombombe, politisch sichert sie einen Platz am Tisch der Großmächte.“
Zwar habe SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze zum zehnten Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima am 11. März für ein Ende der deutschen Urananreicherung geworben, sagt Eickhoff. „Doch wie ihrer SPD-Vorgängerin Barbara Hendricks fällt ihr das leider erst gegen Ende ihrer Amtszeit ein.“ Da Urenco aktuell wieder Lieferungen von Atombrennstoff in die Region Fukushima plane, sei eine Stilllegung der UAA Gronau und der benachbarten Brennelementefabrik Lingen „noch vor der Bundestagswahl“ überfällig.
Demonstriert wurde am Freitag deshalb auch in Jülich. Im dortigen Forschungszentrum entwickelt die Urenco-Tochter Enrichment Technology Company (ETC) die Zentrifugentechnik weiter. „Wer aus der Atomenergie aussteigen und sich nicht an militärisch nutzbaren Atomprojekten beteiligen will“, forderte Marita Boslar vom Aktionsbündnis Westcastor, „muss auch die ETC in Jülich schließen“.
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