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Osnabrücker Höflichkeits-Forschung„Nicht schlecht“ kann alles heißen

Nicole Gotzner von der Universität Osnabrück erforscht, wie höfliches Sprechen funktioniert. Meist geht es darum, das Gesicht zu wahren.

Feine Unterschiede: Wer höflich kommunzieren will, muss Interpretationsspielräume anbieten Foto: Franziska Kraufmann/dpa

Osnabrück taz | Wie kann ich einem Computer beibringen, was ein Mensch meint? Mit dieser Frage befasst sich die Sprachwissenschaftlerin Nicole Gotzner von der Universität Osnabrück in einem neuen Forschungsprojekt. Gotzner will ein Computermodell entwickeln, das aus der Art, wie kommuniziert wird, auf die Sprecher und deren Verhältnis zueinander schließen kann.

In vorherigen Studien hatte die Forscherin nachgewiesen, dass die Art, wie Menschen miteinander sprechen, etwas darüber aussagt, wer sie sind und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen. Männer verstehen bestimmte Aussagen anders als Frauen; mit dem Chef spreche ich auf andere Weise als mit Kollegen.

Gotzners Idee besteht darin, menschliche Kommunikation durch eine künstliche Intelligenz (KI) wie Chat GPT simulieren zu lassen und das Ergebnis mit tatsächlicher menschlicher Kommunikation abzugleichen. Auf diese Weise ließen sich Theorien über das menschliche Sprechen verbessern und neue Forschungsfragen finden.

Das Feld, auf dem Gotzner ihre virtuellen Sprecher aufeinander loslässt, ist das der höflichen Kommunikation. Was diese Art des Austauschs für die Forschung so interessant macht, ist deren Vagheit: Wer höflich kommuniziert, lässt seinem Gegenüber einen Interpretationsspielraum, der es ihm ermöglicht, sein Gesicht zu wahren.

Universelle Höflichkeitsstrategien

Die Professorin nennt als Beispiel den Dialog: „Deine Arbeit war nicht sehr gut.“ – „Hast du gerade gesagt, dass meine Arbeit schlecht war?“ – „Nein, ich meinte, dass sie gut war, nur nicht sehr gut.“ Die Vagheit der Formulierung ermöglicht es dem Sprecher, die Schärfe des Gesagten angesichts der Reaktion des Gegenübers zu mildern, also ein Schlupfloch aus einer unangenehmen Situation zu finden.

„Man geht davon aus, dass diese Höflichkeitsstrategien universell sind“, sagt Gotzner. Sie will das nutzen um herauszufinden, nach welchen Regeln und unter welchen Bedingungen Sätze wie verstanden werden.

Bei ihren bisherigen Experimenten setzte die Forscherin menschlichen Probanden einen Dialog vor, den sie einschätzen sollten. Dabei ging es immer um den gleichen Gesprächsinhalt – lediglich Sender und Empfänger variierten. Die Probanden wurden beobachtet oder gebeten, auf einer Skala einzuschätzen, wie eine Aussage zu interpretieren sei.

Dabei hat sich ergeben, dass das Machtverhältnis, die soziale Distanz und das Geschlecht von Sender und Empfänger eine Rolle dafür spielen, wie Höflichkeitsstrategien funktionieren. „Ein Satz wie ‚Deine Rede war nicht schlecht‘ kann von Menschen, die sich als männlich identifizieren, als Kompliment im Sinne von ‚Deine Rede war sehr gut‘ gemeint sein, wird aber von Menschen, die sich als Frauen identifizieren, eher als mittelmäßig interpretiert“, berichtet Gotzner.

In ihrem Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 30.000 Euro unterstützt wird, versucht sie nun ein computerbasiertes Modell zu entwickeln, das diese Feinheiten menschlicher Kommunikation erkennen und interpretieren kann. Dabei geht es auch darum, das nicht Gesagte aus dem Kontext zu erschließen und zu ergänzen. „Was wir brauchen, um ein höfliches Verhalten zu entwickeln, ist, dass wir darüber nachdenken, was andere Personen sagen könnten“, sagt Gotzner.

Sie nennt ein Beispiel: „Wenn jemand sagt:,Leo hat einige Kekse gegessen', dann schließe ich daraus, er hat nicht alle Kekse gegessen. Warum? Weil der Sprecher auch hätte sagen können:,Leo hat alle Kekse gegessen‘.“ Ähnlich funktioniert es, wenn wir das Ende eines Satzes aus dessen Kontext antizipieren, bevor er zu Ende geführt wurde.

Virtuelle Sprecher sollen Dialog führen

Statt solche Dialoge wie bisher mit menschlichen Probanden zu erforschen, wollen Gotzner und ihr Team zusammen mit Forschern der kalifornischen Universität Irvine jetzt virtuelle Sprecher erschaffen, die miteinander in einen Dialog treten können. Auf diese Weise könnten sich schnell viele Kommunikationskonstellationen und Kommunikationsweisen durchspielen lassen.

Den Wissenschaftlern wäre es damit möglich, auf viel effizientere und umfangreichere Weise als bisher ihre Hypothesen über die menschliche Sprachfähigkeit zu testen. Zugleich können die dabei verwendeten KI-Programme lernen, nicht mehr jede menschliche Äußerung wörtlich zu nehmen.

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1 Kommentar

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  • "Zugleich können die dabei verwendeten KI-Programme lernen, nicht mehr jede menschliche Äußerung wörtlich zu nehmen."



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    www.profil.at/wiss...chwierig/402331728



    "Mit Ironie käme so ein Programm aber nicht zurecht?



    Trappl



    Angeblich hat es Probleme damit. Aber das ist auch eine sehr schwierige Herausforderung. Wir haben selber einen Spezialisten am Institut, der sich mit Humor beschäftigt. Seine Frage ist, wie eine Maschine verstehen kann, ob eine Äußerung Humor enthält."



    Das Problem ist Zwei- oder gar Mehrdeutigkeit, das kennen wir aus Kontexten mit Fremdsprachen und auch von hierzulande beliebten "doppelten Verneinungen". Ironie ist ein Spezialgebiet, weil sie mehrdimensional und im aktuellen Zusammenhang vermittelt und interpretiert wird, nicht jeder liebt sie oder kommt damit zurecht.



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    taz.de/Die-Wahrheit/!5079943/