Organspende bei Herzstillstand: Die Definition von Tod
Es gibt zu wenig Spenderorgane. Helfen würde es, den Herz- statt den Hirntod als Grundlage zu nehmen. Berechtigte Sorgen müssen ernst genommen werden.
W ann ist ein Mensch tot? Eine schwierige wie ernste Frage – die die FDP neu definieren will, zumindest für Organspenden: Statt des Hirntods soll künftig der Herz-Kreislauf-Stillstand die Grundlage sein, um als Organspender:in infrage zu kommen. Ein Vorschlag, der diskutiert werden sollte.
Organspenden sind in Deutschland dringend nötig. 2023 standen 8.400 schwer kranke Menschen auf Wartelisten, die rasch eine Niere, eine Leber, ein Herz benötigten. Im selben Jahr gaben 965 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe für andere frei. Zu wenige. Doch viele Verstorbene kommen nicht in Frage, weil es zu aufwendig ist und zu lange dauert, den gesetzlich geforderten Hirntod, den unumkehrbaren Ausfall der Hirnfunktionen, festzustellen.
Ginge es nach der FDP, sollen deshalb medizinische Hürden für die Organspende gesenkt werden. Statt des Hirntods soll der Herztod ausreichen. Verkehrt ist das nicht, das entspricht einer medizinischen Realität. Denn nur wenige Patient:innen erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen.
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Der Blick in die Nachbarländer zeigt: In Österreich, der Schweiz, den Niederlanden werden seit Jahren Organe nach dem Herztod erfolgreich transplantiert. Seither gibt es in diesen Ländern mehr Organspenden. Das könnte auch in Deutschland so sein: Eine Organspende nach dem Herztod ließe sich auf dem Organspendeausweis vermerken.
Wie lassen sich Patienten dabei schützen?
Gleichzeitig ist es verständlich, wenn die FDP-Idee Ängste weckt und Fragen aufwirft. Wie unterscheiden sich Hirn- und Herztod? Wie wird sichergestellt, dass ein Herz-Kreislauf-Tod nicht fehlerhaft diagnostiziert wird? Und kann man darauf vertrauen, dass weiterhin alles getan wird, sollte jemand einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden?
Verfolgt die FDP ihren Vorschlag weiter, braucht es jetzt Vertrauensbildung und Aufklärung. Ungeachtet des Potenzials muss klar werden, wie der Herz-Kreislauf-Stillstand eine sichere Grundlage für die Entnahme von Organen sein kann. Niemand sollte fürchten müssen, dass dem Körper Organe entnommen werden, solange es noch eine Chance auf Leben gibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels