Oppositionsbündnis gegen Orban: Ungarn gründen „Bewegung 2014“
Zehntausende Ungarn demonstrieren am Nationalfeiertag. Die Opposition verkündet ein Wahlbündnis gegen die rechtsgerichtete Regierung Viktor Orbans.
BUDAPEST afp/dapd | Mehrere ungarische Oppositionsparteien haben sich zu einem Wahlbündnis gegen Ministerpräsident Viktor Orban zusammengeschlossen. Die Allianz wolle Ungarn wieder zu „einer normalen, demokratischen und europäischen Gesellschaft“ machen, sagte der frühere Regierungschef Gordon Bajnai am Dienstag bei einer Kundgebung in Budapest.
Das Bündnis will Orbans rechtsgerichtete Fidesz-Partei bei den Parlamentswahlen 2014 schlagen. Anlässlich des Jahrestags der antisowjetischen Proteste versammelten sich zehntausende Demonstranten in der ungarischen Hauptstadt. Die Regierung mobilisierte ihrerseits 150.000 Anhänger zu einem Friedensmarsch.
Nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP und anderer Medien waren zwischen 50.000 und 100.000 Oppositionsanhänger dem Aufruf der Vereinigung für die Pressefreiheit „Milla“ gefolgt. Das in diesem Zusammenhang weniger vertrauenswürdige Innenministerium gab die Zahl der Teilnehmer mit 20.000 an.
Nach einiger Verzögerung richtete sich Bajnai an die Demonstranten und verkündete die Gründung der „Bewegung 2014“. Darin wolle er gemeinsam mit seiner politischen Stiftung und „Milla“ die Oppositionskräfte versammeln. Es bedürfe keiner neuen Partei in Ungarn. Die Opposition müsse sich aber für ihr gemeinsames Ziel vereinen, sagte Bajnai.
Gute Erinnerung an Technokraten
Viele Ungarn haben die kurze Regierungszeit des Technokraten zwischen April 2009 und Mai 2010 in guter Erinnerung, da es ihm gelang, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. „Ihr seid viele. Das möge euch Kraft geben“, sagte der 44-Jährige Ökonom in einer emotionalen Rede.
An der Pro-Orban-Demonstration nahmen laut der offiziellen Nachrichtenagentur MTI 150.000 Menschen teil. Der Friedensmarsch war von regierungsnahen Geschäftsleuten und Journalisten organisiert worden. Die Teilnehmer wurden mit Bussen aus dem ganzen Land nach Budapest gebracht.
In einer Rede vor dem Parlament äußerte Orban scharfe Kritik an der EU, die Ungarn unter Druck setzt, das Defizit und die Verschuldung zu reduzieren. „In Brüssel wollen viele dem betrügerischen Finanzkapitalismus neues Leben einhauchen. Sie bevorzugen die Spekulanten, sie wollen, dass das Volk die Last trägt, doch wir akzeptieren das nicht“, sagte Orban.
Orbans Machtverlust
Mit dem Nationalfeiertag wird des Aufstands gegen die kommunistischen Machthaber 1956 gedacht, der von Sowjettruppen blutig niedergeschlagen worden war. Orbans Fidesz-Partei ist seit 2010 an der Macht und verfügt über eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Sein radikaler Umbau des politischen Systems rief international scharfe Kritik hervor. Das Land steckt in einer Wirtschaftskrise und musste um internationale Finanzhilfen bitten.
Umfragen zufolge käme die Fidesz bei Wahlen derzeit nur noch auf 20 Prozent, gefolgt von den Sozialisten mit 16 Prozent. Die Sozialisten können die Fidesz 2014 aber voraussichtlich nur mit Hilfe von starken Koalitionspartnern ablösen.
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