Opposition in der Ukraine: Saakaschwili tritt in den Hungerstreik
Der ehemalige Gouverneur von Odessa wird erneut festgenommen und kommt in U-Haft. Seine Anhänger protestieren vor dem Gefängnis.
Dort sitzt Michail Saakaschwili, ehemaliger Präsident Georgiens und Gouverneur von Odessa, derzeit Vorsitzender der ukrainischen Oppositionsbewegung Bewegung neuer Kräfte, nach einer erneuten Festnahme in der Nacht zu Samstag ein.
Zum ersten Mal war er am 5. Dezember festgenommen, dann aber von seinen Anhängern befreit worden. Derzeit wartet Saakaschwili auf einen Haftprüfungstermin. Vom Untersuchungsgefängnis aus erklärte er einen unbefristeten Hungerstreik.
Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Politiker vor, seine jüngsten Protestaktionen mit Geldern in Höhe von einer halben Million Dollar des nach Russland geflohenen ukrainischen Oligarchen Sergej Kurtschenko finanziert zu haben.
Sturz der Staatsmacht
Dieser habe mit dem russischen Geheimdienst FSB durch die Finanzierung der Protestaktionen in Kiew die Situation destabilisieren und die Staatsmacht stürzen wollen. Bei einer Verurteilung drohen Saakaschwili mehrere Jahre Haft.
Beobachter schließen aber auch eine Auslieferung Saakaschwilis in dessen georgische Heimat nicht aus. Ende Oktober hatte die georgische Justizministerin Tea Zulukiani, so das ukrainische Internetportal goronua.com gesagt, dass der georgische Auslieferungsantrag an die Ukraine weiter Bestand habe.
In Georgien will man dem Expräsidenten wegen Missbrauchs seiner Amtsvollmachten und der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration der Opposition 2007 den Prozess machen.
Vorausgegangen war der zweiten Verhaftung von Saakaschwili eine vorübergehende Festnahme von Polizeioberst Juri Pokinboroda. Er hatte Saakaschwili während der Proteste immer wieder Unterschlupf in seiner Wohnung angeboten. Dies war den Sicherheitskräften offensichtlich nicht entgangen.
Kleidung und Medikamente
Am späten Freitagabend nahmen sie Pokinboroda vorläufig fest und suchten mit diesem dessen Wohnung auf. Dort fanden sie Saakaschwili vor, den sie nach einer Hausdurchsuchung festnahmen. Pokinboroda wurde wieder freigelassen.
Sofort nach Bekanntwerden der erneuten Verhaftung von Saakaschwili versammelten sich 300 Unterstützer des Politikers vor dem Untersuchungsgefängnis. Einige brachten ihm Kleidung, Lebensmittel, Schreibwaren und Medikamente.
Wenig später konnten Saakaschwilis Anwälte ihren Mandanten besuchen. Dessen Gesundheitszustand sei insgesamt zufriedenstellend, berichteten sie. Gleichzeitig übermittelten die Anwälte den wartenden Aktivisten die Bitte des Oppositionsführers, wie geplant zu der für Sonntag um 12 Uhr angekündigten Protestkundgebung zu kommen.
Beobachter schließen jedoch nicht aus, dass Saakaschwili nicht lange in U-Haft bleiben wird. Die Generalstaatsanwaltschaft, so das ukrainische Internetportal kp.ua, werde für Saakaschwili Hausarrest beantragen.
Grenze der Legitimität
Politiker unterschiedlicher Couleur kritisierten die erneute Verhaftung von Saakaschwili. „Der Prozess ist ein Lackmustest für die Post-Maidan-Ukraine“ schrieb der Abgeordnete des Blockes Petro Poroschenko, Mustafa Najem, auf seiner Facebook-Seite. Sollte die Staatsmacht einen Prozess gegen Saaksaschwili zu einer Abrechnung mit dem Politiker machen, sei sie an der Grenze ihrer Legitimität angelangt.
„Herr Präsident“ wandte sich die Vorsitzende der Vaterlands-Partei, Julia Timoschenko, an Poroschenko. „In den vier Jahren Ihrer Regierungszeit haben Sie es geschafft, gleichzeitig Präsident, Staatsanwalt, Parlament, Regierung, Gericht und Chefproduzent aller Fernsehkanäle zu sein“. Saakaschwili, so Timoschenko, müsse umgehend freigelassen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt