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Opposition in BelarusTerror-Vorwurf gegen Tichanowskaja

Swetlana Tichanowskaja und weitere Oppositionelle sollen einen Anschlag in Minsk geplant haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Des Terrors bezichtigt: Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja Foto: Heikki Saukkomaa/Lehtikuva/reuters

Berlin taz | Jetzt holt der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko zum ganz großen Schlag aus. Am Montag leitete die Staatsanwaltschaft in Minsk strafrechtliche Ermittlungen gegen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja sowie ehemalige Offiziere und Angehörige des Sicherheitsapparates wegen des Vorwurfs auf Terrorismus ein. Letztere haben sich in der Initiative ByPol zusammengeschlossen, die von Polen aus gegen das Regime agiert.

Tichanowskaja und mehrere weitere, nicht namentlich genannte Personen stünden im Verdacht, vor einigen Tagen Explosionen und Brandanschläge in der Hauptstadt Minsk geplant zu haben, erklärte Generalstaatsanwalt Andrej Schwed am Montag. Seine Abteilung habe das Komitee für Staatssicherheit (KGB) angewiesen, Tichanowskaja und besagte ByPol-Mitglieder zur internationalen Fahndung auszuschreiben.

Am 26. März hatte das belarussische Innenministerium behauptet, zwei Terroranschläge vereitelt zu haben, die ein 35-jähriger Belarusse geplant und vorbereitet haben soll – einen davon in Minsk. Den Strafverfolgungsbeamten sei es jedoch gelungen, die Verbrechen zu verhindern sowie die selbst gebastelten Sprengkörper zu finden und zu neutralisieren, heißt es in der Erklärung.

Mitglieder von ByPol hatten daraufhin gegenüber belarussischen Medien erklärt, dass die Staatsmacht selbst einen Anschlag vorbereitet hätte, um die Opposition zu kompromittieren. Ex-Offiziere von ByPol hätten diese Pläne jedoch torpediert. Nun aber werde die Opposition dieser Verbrechen beschuldigt. „Wir haben Menschenleben gerettet und unsere Initiative wird ihre Arbeit fortsetzen“, zitiert der in Polen ansässige unabhängige belarussische Fernsehsender Belsat den Pressedienst von ByPol.

Keine Auslieferung von Tichanowskaja

Bereits im Vorfeld des 25. März, dem Jahrestag der Ausrufung und Unabhängigkeit der belarussischen Volksrepublik, der traditionell ein Protesttag ist, hatten Aktivisten von ByPol vor einem möglichen Terroranschlag des KGB auf ein Gebäude der Miliz gewarnt. Bei Protesten am 25. März, zu denen auch Swetlana Tichanowskaja aufgerufen hatte, waren rund 250 Menschen festgenommen worden.

Kurz nach der Präsidentenwahl am 9. August 2020, die Alexander Lukaschenko angeblich mit über 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben will, war Tichanowskaja nach Litauen ins Exil gegangen. Anfang März hatte Minsk die litauische Staatsanwaltschaft aufgefordert, Tichanowskaja an Belarus zu überstellen. Der Vorwurf lautete auf Verbrechen gegen die belarussische Regierung, die öffentliche Sicherheit sowie den belarussischen Staat.

Das baltische EU-Land Litauen hatte diese Anfrage abschlägig beschieden. „Wir können dem belarussischen Regime sagen, dass wir lieber zusehen möchten, wie die Hölle zufriert, als über diese Forderungen nachzudenken“, hatte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis gesagt.

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4 Kommentare

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  • Und wieso soll das jetzt ein "ganz großer Schlag" sein? Schwachsinnige Anschuldigungen gegen die Opposition, unbegründete Strafverfahren und bizarre Auslieferungsgesuche, die in den Nachbarstaaten in der Rundablage landen, gibt es in Weißrussland jeden Tag. Auch schon in Bezug auf Tichanovskaja. Jetzt halt mal wieder, "auf ein Neues". "Zur Internationalen Fahndung ausschreiben" heißt: Interpol. Und aus dieser Datenbank werden die Gesuche in kürzester Zeit wieder rausfliegen, weil Interpol laut Statuten für politische Straftaten nicht zuständig ist (wie die Türkei in jüngster Zeit auch mehrfach feststellen musste). Zusammengefasst: Viel Lärm um Nichts.

  • Wenn auch längst nichts mehr geht, eine Dolchstoßlegende geht irgendwie immer.

  • Was das Verhalten Lukaschenkos keinesfalls entschuldigen soll!

  • Auch in Deutschland gibt es politische Verfahren, siehe Leipzig.