Opfer der Militärdiktatur: Großmütter der Plaza de Mayo finden 138. Enkelkind
Die Großmütter der Plaza de Mayo suchen jene, die während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 ihren Müttern in Folterzentren entrissen wurden.
„Marta Enriqueta Pourtalé und Juan Carlos Villamayor wurden in dem geheimen Haftzentrum ESMA gesehen, wo wahrscheinlich die Geburt des Enkelkindes stattfand. Sie wollten das Baby Soledad oder Manuel nennen“, erklärte Estela de Carlotto. Die berüchtigte Marine-Mechanikerschule ESMA war das größte geheime Haft- und Folterzentrum in Buenos Aires. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass dort mehr als 5000 Menschen gefoltert wurden und verschwanden, weniger als 300 von ihnen überlebten die Gefangenschaft.
Dem Mann war seine wahre Identität am Donnerstag von der Justiz mitgeteilt worden, nachdem der positive Nachweis eines DNA-Abgleichs mit Familienangehörigen bestätigt worden war. Er selbst blieb bisher anonym und war bei der Bekanntgabe nicht anwesend. Bekannt ist jedoch, dass er wie sein in Spanien lebender Bruder als Rechtsanwalt tätig ist. „Ich bin überwältigt von meinen Gefühlen“, teilte der Bruder in einem kurzen Audio mit. „Danke, Großmütter, Sie sind der Stolz der Nation, ich bete Sie an“, fügte er hinzu.
Am 24. März 1976 ergriff das Militär in Argentinien die Macht. Die Großmütter von der Plaza de Mayo schätzen, dass während der Militärdiktatur von 1976 bis 1983 bis zu 500 Babys in Folterzentren ihren Müttern weggenommen und heimlich an Adoptiveltern übergeben wurden. Die inhaftierten Mütter wurden in der Regel ermordet. Viele gehören zu den Verschwundenen der Diktatur, da ihr Schicksal bis heute ungeklärt ist. Rund 30.000 Menschen wurden während der Diktatur ermordet oder verschwanden.
„Wir werden weitermachen, bis wir die noch vermissten 300 Enkel und Enkelinnen gefunden haben“, sagte Estela de Carlotto. Vor zehn Jahren hatte die 94-Jährige ihren Enkel Guido gefunden, der im Juni 1978 als Sohn ihrer verschleppten Tochter Laura im Militärkrankenhaus in Buenos Aires geboren wurde.
„Wir appellieren an die Welt, auf das zu schauen, was in Argentinien geschieht, und entsprechend zu handeln“, forderte die Präsidentin der Großmütter der Plaza de Mayo und bezog sich auf die Relativierung der Menschenrechtsverbrechen der Militärdiktatur durch die Regierung des libertären Präsidenten Javier Milei. „Es ist wichtig, jeden Rückschritt zu stoppen und die demokratischen Werte und Menschenrechte zu verteidigen, für die wir so hart gearbeitet haben“, fügte sie hinzu.
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