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Onlinehandel und CoronaGut für Amazon

Lebensmittel werden gerade wie bekloppt online gekauft, sonst aber kaum was. Die Krise könnte kleinen Händlern das Genick brechen.

Immer mehr Lebensmittel werden online geordert Foto: Ted Warren/ap/dpa

Einen freien Slot beim Edeka-Lieferservice Bringmeister zu ergattern, ist derzeit schwer. Ebenso beim Lieferservice von Rewe. Es könne zu Wartezeiten von bis zu zwei Wochen kommen, teilt der Konzern auf Anfrage mit.

Zwar wurden bisher nur ein Prozent der Lebensmittel online gekauft, doch momentan hat das Geschäft Hochkonjunktur – analog zum stationären Lebensmittelhandel. Der sonstige stationäre Handel bricht weg, da viele Läden schließen mussten. So sieht es auch beim klassischen Onlinehandel aus, also alles außer Drogerieartikel und Lebensmittel. Der sei „sehr mau“, sagt Kai Falk vom Handelsverband Deutschland am Telefon. Die Kunden seien aufgrund der Krisensituation weniger konsumfreudig. „Das sind überraschende erste Eindrücke.“

Vor der Krise sei 2020 mit 9 Prozent Wachstum beim Onlinehandel gerechnet worden, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Institut für Handelsforschung, IFH. „In toto wird sich das auch nicht verändern.“ Denn einerseits seien die Leute verunsichert und scheuen großen Anschaffungen.

Andererseits werden Einkäufe „zwangsläufig“ ins Internet verschoben, da der Handel zu hat oder die Leute wegen des Ansteckungsrisikos nicht rauswollen. Eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Instituts zeigt: Nur 13 Prozent haben letzte Woche das, was sie im Laden anschaffen wollten, online bestellt.

Keine Konsumexplosion nach Krise

Der Gewinner heiße trotzdem Amazon. „Am Ende profitieren die Großen eher als die Kleinen, weil sie online besser aufgestellt sind“, sagt Hudetz. Wie stark sich der Onlinehandel verändere, hänge davon ab, wie lange die Krise dauert und wie zuverlässig die Lieferungen funktionierten. Insgesamt beschleunige die Krise die Entwicklung vom stationären Handel zum Onlinehandel, meint Hudetz. „Es wäre naiv zu sagen, wenn die Krise vorbei ist, ist alles wie vorher“, sagt er. Eine explosive Zunahme des Konsums nach der Krise erwartet er nicht.

Leute merken, dass sie Jeans auch online kaufen können

Gerrit Heinemann, Handelsexperte

Noch ambivalent ist die Situation für Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein: Vielen Leuten sei noch nicht bewusst, dass man im Netz alles kaufen kann. Das merke man bei den Suchanfragen im Internet. „Die Umsätze im Onlinehandel ziehen aber an. Die Leute merken, dass sie Gartenmöbel oder Jeans auch online kaufen können“, sagt Heinemann.

„Jeden Tag, den der stationäre Handel zu hat, wird der Onlinehandel zunehmen.“ Seine These: Die Menschen werden sich daran gewöhnen, alles online einzukaufen, auch nach Corona. Außerdem werden in der Krise „viele lokale stationäre Händler auf der Strecke bleiben“. Davon profitiere der Onlinehandel ebenso. Im Lebensmittelbereich sieht er das nicht. Im Moment kauften die Leute aus hygienischen Gründen ihr Essen online. Unter normalen Umständen haben es Lebensmittel online aber schwer. Daran werde Corona nichts ändern.

Und die Umweltbilanz?

Wie sieht es in Sachen Umweltbilanz aus? Das Freiburger Öko-Institut schreibt, dass durch den Onlinehandel nachhaltigere Produkte leichter verfügbar seien und in komplexen Lieferketten Informationen zu Umwelteigenschaften und Arbeitsbedingungen besser ausgetauscht werden könnten. Allerdings kurbelten personalisierte Werbung und Preisangebote den Konsum an.

Auch erhöhten die vielen Retouren das Verkehrsaufkommen, die Verschwendung von Ressourcen und die Abfallmenge. Jan Gimkiewicz vom Umweltbundesamt erklärt: „Der Onlinehandel hat das Potenzial, eine geringere Umweltbelastung als der stationäre zu haben.“ Etwa, weil der Individualverkehr wegfalle und Logistikzentren effizient genutzt würden. Das individuelle Verhalten sei dabei ebenfalls mitentscheidend: Gehe ich zu Fuß zum Einkaufen oder bestelle ich online nur zur Anprobe und schicke es wieder zurück.

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5 Kommentare

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  • Amazon ist ja nicht nur ein Händler. Amazon ist auch eine Infrastruktur für kleine Händler, ohne die es vielen gar nicht möglich wäre, ihre Produkte online zu verkaufen.

  • Ja, der kleine Händler: Unser Spielwarenladen im Ort zeigt durchaus, online, was man bei ihm kaufen kann. Jetzt in der Krise kann Mannschaften online bestellen. Versand 6 Euro muss bezahlt werden, erst ab 100 Euro nicht. Spielzeug für 100 Euro ist eine ganze Menge. Er kommt nicht etwa auf die Idee, im Ort das Zeug einmal am Tag -umsonst- auszufahren, obwohl die Zeit da ist, da der Laden zu hat. Klar kostet ihn das etwas Benzin (wobei das fast zu Fuß ging). Bisher hole ich das Zeug im Laden, zu Fuß 10 Minuten. Nach der Krise auch. Aber in der Krise?

    Man kann auf Amazon viel rumhacken. Der kleine Händler sollte lieber überlegen, weshalb Amazon Erfolg hat. Bequemlichkeit des Kunden ist ein Thema, wo er nicht viel ändern kann, Service ein anderes, bei dem er viel Einfluss hat.

  • Amazon gehört verboten. Ich kaufe nach wie vor bei Tante Emma um die Ecke, und sie freut sich jedes Mal!

  • "Die Krise könnte kleinen Händlern das Genick brechen."

    Was soll dieser Alarmismus? Die Krise bricht niemandem das Genick und gefährdet auch niemandes Existenz. Das ist übelstes kapitalistisches Denken. Die Existenz eines Menschen beginnt mit der Geburt, und nicht mit irgendeiner ominösen "Existenzgründung". Die Mehrheit erhält Arbeitslohn, Rente oder Arbeitslosengeld/Sozialhilfe. Darauf haben auch ehemalige kleine Händler Anspruch, statt sich das Genick zu brechen.

    • @Heinrich Ebbers:

      Nur das viele Schlauberger in guten Zeiten den Sozialversicherungen ein Schnippchen geschlagen haben, möglichst wenig bis gar nichts einzahlten und jetzt dastehen. Dazu noch die vielen Scheinselbständigen, die von heute auf morgen lebten.