Online-Pranger der AfD: Hamburger Lehrer*innen wehren sich
„Politische Unkultur“ und „Zynismus“: In einem offene Brief positionieren sich 106 Hamburger Lehrer*innen zum Online-Pranger der AfD.
„Das ist eine Aufforderung zum Denunziantentum“ sagte Lehrerin Sarah S. der taz. Alleine die Ankündigung der Fraktion habe im Kollegium der Stadtteilschule „Empörung“ ausgelöst. „Wir haben diskutiert, ob wir uns selbst anzeigen sollten“, sagt S. Doch von dieser Idee hätten die LehrerInnen Abstand genommen, weil sie impliziert hätte, dass sie sich schuldig gemacht hätten. Dabei würde die Schule in der Auseinandersetzung mit der AfD keine Meinungsmache betreiben, sondern aufklären.
In dem Brief lehnen die Pädagogen diesen „Zensurversuch als politische Unkultur entschieden“ ab. An die AfD schreiben sie: „Sie schrecken vor dem Zynismus nicht zurück, dies mit dem Kampf ‚für Meinungsfreiheit und damit für eine lebendige Demokratie‘ zu begründen“, doch „wir sind der Auffassung, dass Sie das Neutralitätsgebot an Schulen missverstehen und versuchen uns dadurch einzuschüchtern“.
Eine neutrale Haltung zu rassistischen Einstellungen und antidemokratischen Vorstellungen laufe gerade ihrem pädagogischen Auftrag zuwider, schreiben die Pädagogen weiter. „Wir weisen Schülerinnen und Schüler explizit darauf hin, welche Gefahren von einem Erstarken der AfD für die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen können (…). Wir erarbeiten mit Schülerinnen und Schülern (…) die in mindestens Teilen der AfD vorherrschende ablehnende Haltung gegenüber Pressefreiheit, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit“.
Wenn das Führungspersonal der AfD etwa in Deutschland lebende Türkinnen und Türken als „Kameltreiber“ bezeichnet (André Poggenburg) und türkischstämmige Politikerinnen in Anatolien „entsorgen“ möchte (Alexander Gauland), werde das angesprochen. Im Unterricht werde herausgearbeitet, dass die AfD eine „andauernde Reduzierung komplexer Sachverhalte“ betreibe, „verbunden mit der Schuldzuweisung auf eine Minderheit“.
„Wir bilden die politische Debatte um den Charakter der AfD ab und beziehen dazu Stellung“ sagt S. Sie folge damit ihrem Diensteid auf das Grundgesetz, die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg und geltende Gesetze.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles