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Online-Parteitag der FDPMit altem Sound zu neuer Kraft

Auf ihrem Parteitag preist die FDP wie gewohnt die Macht des Marktes. Gleichzeitig wollen sich die Liberalen als Bürgerrechtspartei profilieren.

FDP-Chef Christian Lindner schwört seine Partei beim Online-Parteitag in Berlin aufs Mitregieren ein Foto: dpa

Berlin taz | Parteichef Christian Lindner hat die schrillen und lustigen Töne offenbar FDP-Vize Wolfgang Kubicki überlassen. Vielleicht besser so. Vom letzten Parteitag ist vor allem Lindners missglückter „Witz“ über die ehemalige Generalsekretärin Linda Teuteberg hängen geblieben. Kubicki jedenfalls polterte gleich zu Beginn des dreitägigen FDP-Bundesparteitages am Freitag, dass er gerne Populist sein will. „Wenn die Verteidiger der Freiheit und des Rechtsstaates mit Populisten verglichen werden, sollte uns das nicht irritieren, sondern anspornen für die Freiheit und den Rechtsstaat zu streiten!“ sagte er. „Wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein.“

Was Kubicki hingegen ernst meint: Die FDP soll bei der Bundestagswahl drittstärkste Kraft werden und im September das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 toppen. Damals holten die Liberalen 10,7 Prozent. „An unsere Sportfans: Wir wollen aufs Treppchen“, sagte Kubicki, vermutlich beflügelt vom Umfragehoch. Taumelten die Liberalen noch vor einem halben Jahr in Umfragen gefährlich nah an der 5-Prozent-Todeszone, liegen sie heute bei 11 bis 12 Prozent. Die SPD ist mit 15 Prozent in erreichbare Nähe gerückt. Die FDP profitiert vom Umfragetief der Union und dem wachsenden Unmut über das Coronamanagement der Regierung.

Um ihren Erfolgskurs zu halten, betonen die Liberalen ihr Profil als Bürgerrechtspartei. Freiheit und Grundrechte, Abgrenzung nach rechts, Liberalismus nicht nur auf Wirtschaftspolitik zu verengen, das ist ihre Strategie.

Als Christian Lindner die Bühne in der „Station“, einst Postbahnhof, heute hippe Location in Berlin Kreuzberg, betritt, verurteilt er als erstes die Raketen-Angriffe auf Israel. Das seien „Akte des Terrors“, sagt Lindner und mahnt: „Es darf auch zukünftig kein Zweifel bestehen, wo Deutschlands Platz ist, nämlich an der Seite der Menschen in Israel, dessen Existenzrecht Teil unserer Staatsraison ist.“ Er prangerte auch den wachsenden Antisemitismus in Deutschland an.

Große Lust aufs Regieren

Als Zeichen der Solidarität ist auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, eingeladen, und spricht über die Gefahr des Antisemitismus. Der Dammbruch in Thüringen, als sich FDP-Mann Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD von Björn Höcke, der sich antisemitischer Narrative bedient, zum Ministerpräsidenten wählen ließ, scheint in dem Moment in weite Vergangenheit gerückt.

Lindner verortet seine Partei klar in der Mitte. „Unser Wahlziel ist, so stark zweistellig zu werden, dass sowohl schwarz-grüne als auch grün-rot-rote Mehrheitsbildungen ausgeschlossen sind“, sagte er. Das Ziel sei, „dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird“. Liberale Ideen müssten den weiteren Weg Deutschlands mitprägen.

Lindner betonte die Rolle der FDP in der Pandemie, die zu keinem Zeitpunkt die Gefährlichkeit des Virus angezweifelt habe, aber dennoch immer auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen geachtet habe. Erst vor kurzem haben die Freien Demokraten in Karlsruhe Klage eingereicht gegen die Bundesnotbremse. Wem Freiheit und Grundrechte am Herzen liegen, der muss zur FDP – so die Message.

Gegen Verbote in der Klimapolitik

Das Wahlprogramm selbst enthält viel Bekanntes: Das Aufstiegsversprechen soll durch eine Bildungsoffensive erneuert werden, alles soll entbürokratisiert, digitaler und moderner werden.

Beim Klimaschutz setzt die FDP vor allem auf innovative Technologien und marktwirtschaftliche Instrumente, wie den Emissionshandel. SPD und Union warf Linder vor, sich von den Grünen treiben zu lassen. Er sprach sich gegen Subventionen und Verbote in der Klimapolitik aus. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz sollte zum Anlass genommen werden, um „die Klimapolitik einer Generalinventur zu unterziehen“. In der Klima- und in der Energiepolitik sei das Land „planwirtschaftlich verkantet und technologisch festgefahren.“

Mehr Markt, weniger Staat, das ist auch in der Coronapandemie, wo viele auf Staatshilfen angewiesen sind, die alt bekannte Lösung der FDP. Die FDP schließt Steuererhöhungen zur Bewältigung der Coronapandemie aus. Mehr noch, die Steuern sollen runter. Wie das finanziert werden soll, verrät er nicht, aber Lindner weiß: „Es ist die Marktwirtschaft, die die Pflöcke einschlägt, an denen das soziale Netz aufgehangen wird.“ Ein Hochsteuerland sei nicht attraktiv für die klugen Köpfe und für die fleißigen Hände auf der Welt.

Umverteilung, Mietendeckel, Steuererhöhungen, all das werde es mit der FDP nicht geben. Hartz IV soll durch ein liberales Bürgergeld ersetzt werden.

Starker Rückhalt für Lindner als Spitzenkandidat

Bei der Bundestagswahl stünden im Grunde zwei politische Konzepte zur Auswahl, sagte Lindner. „Die einen setzen auf mehr Staat, mehr Umverteilung, mehr Bürokratismus, mehr Anmaßung von Wissen auch in der Politik.“ Dies sei nicht die Vorstellung der FDP. „Unser Weg also ist, nicht immer mehr den Staat in die Verantwortung zu nehmen, sondern den Menschen zu vertrauen und ihnen auch wieder Freiheit zu geben.“

Ein „Weiter so“ sei die größte Gefahr für die Zukunft in Deutschland, warnte Lindner. Bezog das aber nicht auf sich selbst und seine Partei, sondern huldigte – wie immer – der Kraft des Marktes.

Bis zum Sonntag will die FDP ihr Präsidium und den Bundesvorstand neu wählen und das Wahlprogramm verabschieden. Parteichef Lindner bestätigten die Delegierten am Freitag schon einmal mit 93 Prozent im Amt. Damit kürten sie ihn, wie erwartet, zum Spitzenkandidaten.

Doch eine Neuerung gibt es doch. Als Nachfolger von Katja Suding, die bereits im September angekündigt hatte, aus der Politik auszuscheiden und ihre Parteiämter niedergelegt hat, wurde der Sozialpolitiker Johannes Vogel mit 79 Prozent zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Vogel wird auch als möglicher Nachfolger von Christian Lindner gehandelt.

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14 Kommentare

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  • @PFANNI

    Ich scherzte nur. Ich unterstelle Ihnen so etwas nicht.

  • @PFANNI

    Zwischen den Zeilen lesse ich bei Ihnen, die 3.5% FDP in Ostdeutschland seien "unerträglich". Ich finde das durchaus erträglich... und angemessen!

    ;-D

    • @tomás zerolo:

      Hätten Sie einfach den Satz nach den „3,5 %“ auch noch gelesen, hätten Sie sich Ihre Spekulationen „zwischen den Zeilen“ sparen können, die Sie in die Irre geführt haben!

  • ,,Nie gab es mehr zu tun",... bei schlechter Bezahlung. ... Für so hohe Mieten; ... damit Boss glücklich ist; ... etc.

  • Man erinnert sich, dass sich die FDP zur BT-Wahl 1994 durchaus nicht gegen das Prädikat „Partei der Besserverdienenden“ wehrte. Die FDP meinte wohl, damit „Profil“ zu gewinnen. Ein schwerer Fehler, der zu Stimmenverlusten gegenüber 1990 führte!



    Während das Ergebnis in Westdeutschland erträglich blieb (7,7%), sackte die FDP in Ostdeutschland auf 3,5% ab. Wahrscheinlich, weil die FDP jeweils nur noch von den Besserverdienenden im Westen, bzw. Osten gewählt wurde!



    de.wikipedia.org/w...erungskoalition%20.

  • Ach ja, von zweistellig hat schon mal einer von der FDP geträumt - ist irgendwie "unsanft" gelandet.



    Noch schlimmer dürfte für diese Typen sein, "das Klimaziel" - wer soll das den, bitteschön, bezahlen?

  • FDP wie Merkel, nicht gut, weil sie gut ist, sondern die Anderen schlecht. Keine Steuererhöhungen heißt ganz klar: Die, die das Geld brauchen, haben weniger, die, die es nicht so dringend brauchen, haben relativ mehr. Gleichzeitig pflegen die eher rechten Medien wie BILD, WELT, FAZ u. A. schon mal subtiles Grünen-Bashing. Das bringt der FDP sicher kurzzeitig eine bessere Wahlprognose, mit der Betonung auf kurzzeitig, denn Substanz hat die FDP nicht.

  • FDP-Vize Wolfgang Kubicki: "Wenn die Verteidiger der Freiheit und des Rechtsstaates mit Populisten verglichen werden, sollte uns das nicht irritieren, sondern anspornen für die Freiheit und den Rechtsstaat zu streiten! Wenn das Populismus ist, dann will ich Populist sein."

    Wolfgang Kubicki sollte mal nicht so bescheiden sein, denn er ist ja nicht nur Populist, sondern auch Lobbyist.

    taz: "Umverteilung, Mietendeckel, Steuererhöhungen, all das werde es mit der FDP nicht geben. Hartz IV soll durch ein liberales Bürgergeld ersetzt werden."

    Vielleicht sollte die FDP mal weniger von Freiheit schwadronieren, sondern sich die Armut (Obdachlose, Niedriglohnempfänger, Rentnerarmut, Kinderarmut, Hartz IV Bezieher etc.) in Deutschland endlich mal anschauen. Aber an den Tischen der Reichen zu sitzen und von "Freiheit" zu reden, macht ja auch mehr Spaß, als sich die zunehmende Armut und auch das damit verbundene Elend in unserem angeblichen Sozialstaat (Art. 20 Abs. 1 GG) mal anzuschauen. Übrigens, wenn man sich die Geschichte der Menschheit anschaut, dann sieht man, dass der "Freiheitsbegriff" immer nur für die Reichen und Mächtigen galt, aber nie für auf die Armen und Schwachen - und dass ist wohl auch die "Freiheit" die sich die FDP gerne vorstellt.

    Wenn nur die Bürger die FDP wählen würden, die auch etwas von der neoliberalen Politik der FDP hätten, dann würde es die FDP doch gar nicht geben, weil sie dann nämlich nicht einmal über 2 Prozent käme.

  • Die FDP will also regieren.



    Warum haben sie denn nicht, sondern sich aus der selbsternannten Verantwortung gestohlen.

    Die FDP als Seuche ist schlimmer/gefährlicher als AFD und Corona zusammen. Eine Partei von Opportunisten die eben genau eins nicht tun wird: Verantwortung für die Übernehmen die nicht mit einem Vorsprung und den besten Möglichkeiten gestartet sind. Die schlimmste Kombination war schon immer Schwarzgel(d/b)

    • @HoboSapiens:

      Ich finde diesen Vorwurf immer zweischneidig. Bei den Grünen oder der Linken wird immer sofort kritisiert wenn bei einer Regierungsbeteiligung eigene Grundsätze über Bord geworfen werden. Wenn aber eine kleine 5% Partei sagt wir gehen lieber in die Opposition als unsere Grundsätze zu verraten, ist es auch wieder falsch. Unter Merkel wäre ich auch nur sehr wiederwillig in eine Kolaition gegangen. In allen Ihren Legislaturperioden wurden die Kolaitionspartner ja quasi kannibalisiert.

    • @HoboSapiens:

      ja, absolut. Ein Beweis ist jetzt NRW. Ein Desaster von Lobbyisten, Braunkohle und absolut unfähige Minister.

      • @CallmeIshmael:

        Genau, die FDP(!) ist Schuld an der Kohle im Pott. Nicht die SPD die da gefühlt 100 Jahre regiert hat

    • 9G
      91491 (Profil gelöscht)
      @HoboSapiens:

      Genau!



      Und ausserdem hatte die FDP die schamlossesten Zusammenarbeiten mit der AfD und da ist noch mehr zu erwarten, hört man nur dem Ch. Lindner richtig zu. Was zugegebenermaßen unerträglich ist.

      • @91491 (Profil gelöscht):

        Als Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen der AfD im Februar 2020 zum Ministerpräsident des Freistaates Thüringen gewählt wurde (Kemmerich war vom 5. Februar bis zum 4. März 2020 der sechste Ministerpräsident des Freistaates Thüringen), da sah FDP-Vize Wolfgang Kubicki in der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen einen großen Erfolg für den Kandidaten seiner Partei. Kubicki sagte der Deutschen Presse-Agentur wörtlich: "Es ist ein großartiger Erfolg für Thomas Kemmerich." [Süddeutsche Zeitung - 5.2.2020]

        Diese Worte von Wolfgang Kubicki sollte man nicht vergessen. Die FDP - der es nur um Macht und lukrative Posten geht - hätte niemals wieder über 5 Prozent kommen dürfen.