Olympische Medaillen von Paris: Wenn Gold zu Rost wird
Schon wenige Wochen nach Olympia in Paris zeigen sich die ersten Rostflecken auf den Medaillen. Die billigen Ersatzlösungen taugen eben nichts.
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I n den frühen Jahren der neuzeitlichen Olympiageschichte taugten Goldmedaillen noch etwas. Sie waren aus purem Gold, wenn auch kleiner als die heutigen Plaketten. Seit 1904 wurden sie aufgelegt. Und wie bei Währungen auch, allen voran dem Dollar, der in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts seine Goldbindung verlor, ist die olympische Medaille nicht mehr das, was sie einmal war.
Der Goldgehalt liegt nur noch bei etwa einem Prozent, der fehlende Rest wird großzügig mit Silber und Bronze aufgefüllt. Bei den Sommerspielen von Paris wurde sogar Altmetall vom Eiffelturm recycelt und als ultimatives Design von der Medaillenschmiede Chaumet verkauft, eine Tochter des LVMH-Konzerns, spezialisiert auf Luxusgedöns und Must-have-Murks [tolle Bezeichnung, das merke ich mir! d. säzzer].
Wenn man sich heute noch einmal durchliest, mit welch absurdem Wortgeklingel die Chaumetisten ihr Produkt bewarben – es verändere das Leben des Trägers und so weiter –, dann kommt die Meldung von den verrosteten Medaillen erst richtig zur Geltung. Schon wenige Wochen nach den so gepriesenen Spielen zeigten sich die ersten Flecken auf den Goldmedaillen. Sie wurden größer und hässlicher.
Oxidationsprozesse fanden auf der Oberfläche statt und verwandelten das Prestigeobjekt, den Stolz eines jeden Olympioniken, in schiaches Altmetall. Antoine Arnault, der „Head of Image & Environment“ von Chaumet, behauptete einst kühn, sein Laden lasse die Sportler träumen. Nun, sie träumten dann schnell davon, das gute Stück ersetzt zu bekommen. Unschöne Bilder gingen zuhauf durch die sozialen Medien, und ein Schauspiel wiederholte sich, das man schon von den Spielen 2016 in Rio kannte.
Goldpralle Exemplare
Dutzende Medaillen mussten neu aufgelegt und verschickt werden, weil sie, nun ja, Patina zeigten. Oder anders: Sie waren nicht mehr herzeigbar, der Lack war ab. In Rio betraf das mindestens 130 Goldmedaillen, in Paris dürften die Zahlen ähnlich sein.
Der Materialwert der „goldenen“ Plakette beträgt dabei nicht mehr als 1.500 Euro, aber ideell ist er natürlich ungleich höher, und bei Ebay geht so ein Teil schon mal für ein fünfstelliges Sümmchen weg – was in den 90er Jahren übrigens viele Olympioniken aus dem Ostblock dazu veranlasste, ihre Goldmedaille schnell zu versilbern, um finanziell beweglicher zu sein. Doch kommen wir nun zur zentralen Frage: Warum sind die Medaillen so anfällig? In Rio redeten sich Verantwortliche mit besonderen klimatischen Bedingungen heraus, Paris gab der EU und ihrer Verordnungswut die Schuld.
In der EU gibt es nun auch eine Organisation zur Überwachung chemischer Stoffe, REACH genannt (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals). Die hat mindestens seit 2013 einen Stoff namens Chromtrioxid auf dem Schirm. Er ist klassifiziert als karzinogen und mutagen, kann also Krebs verursachen und zu Genveränderungen führen.
Die EU hat etliche Chromverbindungen verboten, ebenso wie sie den Bleigehalt in Jagd- oder Sportmunition zu reduzieren versucht. Wiki schreibt: „Chromtrioxid ist sehr giftig, bereits 0,6 Gramm, oral eingenommen, können tödlich sein. Beim Verschlucken sind Verdauungsstörungen, Nierenschäden, Krämpfe und Lähmungen die Folge.“ Der rotbraune Stoff wird in der sogenannten Galvanotechnik aber gern verwendet, um just diese hässlichen Rostflecken auf Medaillen zu verhindern. Chaumet wollte nicht schuld sein. Die Pariser Münzstätte sei es gewesen, sagten die Designer.
Eine Lösung wäre recht einfach. Das Internationale Olympische Komitee sollte dafür sorgen, dass die Ausrichter von Olympischen Spielen den Sportlern keine billigen Surrogate mehr um den Hals hängen, sondern goldpralle, solide Exemplare. Sonst ist doch auch, mit Verlaub, für jeden Scheiß Geld da.
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