piwik no script img

Olympia 2022 – Dabei sein verboten (5)Unbeugsame Bürgerjournalistin

Die 38-jährige Zhang Zhan recherchierte nach Ausbruch der Coronapandemie auf eigene Faust in Wuhan. Dafür wurde sie zu vier Jahren Haft verurteilt.

Symbol für den Kampf um die Pressefreiheit in China: Zhang Zhan, als sie noch in Freiheit war Foto: Eye Press/afp

„Journalistische Berichterstattung ist kein Verbrechen. Zhang Zhan gehört daher freigelassen.“ Das hat die damals designierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in einem am 1. Dezember 2021 veröffentlichten Interview der taz gesagt. Davor hatten für die Freilassung der chinesischen Bürgerjournalistin mehrere Menschenrechtsorganisationen eine gemeinsame Kampagne gestartet. ­

Vielleicht hat diese wenigstens dazu geführt, dass Chinas Behörden im Umgang mit der 38-jährigen praktizierenden Christin vorsichtiger geworden sind. Denn da befand sie sich gerade in einem gefährlichen Hungerstreik. Freigelassen wurde sie aber nicht. Und seitdem gibt es nicht einmal mehr gesicherte Informationen über Zhangs aktuellen Gesundheitszustand.

Die frühere Juristin war Ende 2020 wegen „Anzetteln von Streit und der Provokation von Ärger“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Ihr Vergehen hatte darin bestanden, dass sie nach Ausbruch der Coronapandemie im Februar 2020 auf eigene Faust ins Covid­epi­zen­trum, die Jangtse-Metropole Wuhan, gereist war. Als Bürgerreporterin drehte sie dort 122 kurze und zum Teil verwackelte Videos. Die verbreitete sie per WeChat, Twitter und Youtube.

Die Videos der eigentlich in Schanghai lebenden Zhang, in denen sie über den offiziellen Umgang mit Covidopfern berichtete und die zeitweilige Nachrichtensperre umging, waren für die damals ohnehin überforderten Behörden nicht schmeichelhaft. Das machte Zhang und andere Bür­ger­re­por­te­r*in­nen schnell zum Ziel von Repression.

Zwangsernährung wegen Hungerstreik

Mitte Mai 2020 wurde Zhang festgenommen, im Juni begann sie einen Hungerstreik, wurde aber bald in ein Krankenhaus eingewiesen und dann per Magensonde zwangsernährt. Zudem wurde sie gezwungen, Hand- und Fußfesseln zu tragen. Zum einen sollte sie so wohl gebrochen, zum anderen auch daran gehindert werden, die Magensonde selbst zu entfernen.

Nachdem Zhang monatelang keinen Besuch von Angehörigen bekommen durfte, erschraken diese, als es Ende Oktober 2021 zu einem der wenigen Treffen mit ihr im Gefängnis kam. Da soll Zhang bei einer Körpergröße von 176 Zentimetern nur noch 40 Kilo gewogen haben. Sie konnte ihren Kopf kaum noch heben.

Zhang ist ein Symbol für den Kampf um die Pressefreiheit in China. Im November 2021 bekam sie den Press Freedom Award von Reporter ohne Grenzen in der Kategorie „Mut“ verliehen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation steht China auf Platz 177 von 180 Staaten. 117 Medienschaffende sind dort wegen ihrer Arbeit im Gefängnis, mehr als in jedem anderen Land. Sven Hansen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Auf Missstände hinweisen ist eine Sache.

    Man müsste aber rigorose, tatsächliche Sanktionen gegen die Volksrepublik China starten. Keine wirtschaftliche Kooperation mehr! Kein Import chinesischer Produkte mehr! Keine chinesische Software, keine chinesischen FFP2-Masken mehr, keinen chinesischen Knoblauch mehr! Wir können all das in Europa produzieren, warum geschieht das nicht ausreichend? Warum schafft man nicht die Gesetzesgrundlage, chinesische Unternehmen auf Europäischem Boden zu enteignen?

    Vorübergehend würden solche Sanktionen natürlich auch den gewöhnlichen chinesischen Bürgern schaden. Und freilich auch der europäischen Wirtschaft gewisse Einbußen bescheren. Auf lange Sicht wäre China aber gezwungen, sich dem Druck von außen zu beugen. Das wäre besser für die Breite Masse der Chinesen und auch besser für fast alle anderen auf der Welt. Die Zahl derer, die von der langfristigen Stabilität dieser brutalen Diktatur profitieren würden, ist ja wohl eher gering.

    Pressefreiheit wäre ein Gewinn des Endes der chinesischen Diktatur. Kunstfreiheit auch. Künstler werden, Stand jetzt, dort ebenso hart zensiert wie Journalisten. Andere Gewinne wären: Religionsfreiheit. Ein Ende der Unterdrückung vor allem der muslimischen Uighuren und anderer Turkvölker, die aus fadenscheinigen Gründen in sogenannten "Umerziehungslagern" inhaftiert werden, die keine religiösen Namen mehr tragen dürfen, aber auch unterschiedlicher christlicher Denominationen und anderer religiöser Minderheiten, die sich in China mehr oder weniger verstecken müssen. Freiheit für Honkong, wo man sich (zeitweise) noch gegen die VR China aufzulehnen versuchte. Freiheit für die Taiwaner, die Angst vor der Gier ihres Nachbarn haben müssen. Was noch alles?