Offensive der M23-Rebellen in Kongo: Das Fanal von Goma
Es gibt nachvollziehbare Gründe für den Krieg der M23 in der DR Kongo. Man muss sie angehen, um nach 30 Jahren Frieden in der Region zu schaffen.
K ongos M23-Rebellen haben Ende Januar gegen eine außergewöhnlich breite und auf dem Papier viel stärkere Koalition die ostkongolesische Millionenstadt Goma erobert. Kongos Regierungsarmee, UN-Bataillone, südafrikanische Interventionstruppen, etwa tausend rumänische und französische Söldner, eine Vielzahl lokaler Milizen sowie die FDLR, eine ruandische Rebellengruppe, die ihre Wurzeln im Völkermord an den Tutsi hat – sie alle konnten nicht bestehen gegen die M23-Rebellen, die von den Staaten Ruanda und Uganda unterstützt werden.
Diese Zuspitzung des Krieges hat schreckliche Folgen für die Bevölkerung. Und das zusätzlich zu ihrer nach mehreren Konflikten ohnehin schon katastrophalen Lage, geprägt von Hunderten bewaffneten Gruppen, korrupten Politikern und Richtern, übergriffigen Militärs und einem sehr schlechten Gesundheitssystem.
erforscht seit 1996 vor Ort die Konflikte und bewaffneten Gruppen in der Region der Afrikanischen Großen Seen. Er hat mehrere Berichte und Expertisen u. a. über die FDLR verfasst, war an einer Vielzahl von Friedensinitiativen in der Region beteiligt und leitet die Beratungsfirma Conflict and Transition Consultancies.
Dieser Krieg begann nicht erst vor drei Jahren mit der Offensive der M23-Rebellen. Er begann vor fast dreißig Jahren, als die kongolesische Rebellenkoalition AFDL mit Unterstützung vieler afrikanischer Länder innerhalb weniger Monate das ganze Land eroberte und Laurent-Désiré Kabila zum Präsidenten des Landes machte.
In den knapp dreißig Jahren seitdem verging in der Demokratischen Republik Kongo kein Tag, an dem nicht irgendwo Schüsse fielen, Menschen vertrieben wurden, Vergewaltigungen stattfanden und Menschen starben. Laut Untersuchungen sind viele Millionen Menschen an den direkten und indirekten Folgen dieses dreißigjährigen Krieges gestorben. Es ist höchste Zeit, eine dauerhafte Lösung zu finden und vor allem auch umzusetzen.
Rohstoffe sind nicht der Kriegsgrund
Es wird oft behauptet, dass sich bei diesem Konflikt alles um Kongos enorme Bodenschätze dreht. Das ist jedoch bei näherer Betrachtung nicht stichhaltig. Die 800.000 US-Dollar im Monat, die die größte Mine in M23-Hand nach Angaben von UN-Experten erwirtschaftet, reichen nicht annähernd, um die Gruppe zu finanzieren und ihr Gebiet zu verwalten. Und im Falle Ruandas wären ein paar Millionen Dollar aus kongolesischen Minen definitiv kein Ausgleich für den drohenden Imageschaden und die möglichen negativen Folgen für Ruandas internationale Rolle, etwa als wichtiger Akteur bei UN-Friedensmissionen, bei der Impfstoffproduktion in Afrika oder als Austragungsort internationaler Gipfeltreffen und Sportereignisse.
Wenn der Bergbau nicht der Hauptgrund für den Krieg und die Einnahme von Goma ist, was dann? Es ist der jüngste Zyklus einer Reihe von Auseinandersetzungen, die seit 30 Jahren andauern. Nach jeder Runde wurden Friedensabkommen unterzeichnet – zwischen Rebellen und Regierung in der DR Kongo, zwischen der DR Kongo und Ruanda sowie weiteren Ländern der Region.
Diese Friedensabkommen behandeln immer die gleichen drei Themen: Erstens geht es um die Qualität der kongolesischen Staatsführung und die Bildung einer Armee in der DR Kongo, die dem Land und der Verfassung dient und nicht einer Person oder einer Partei. Zweitens geht es um Gleichberechtigung für Kongos Tutsi. Drittens geht es um die Beendigung der FDLR-Rebellion. Auch die M23 und Ruanda führen diese Punkte immer wieder als Gründe dafür an, warum sie mit Kongos Regierung in Konflikt stehen.
Diese Probleme werden viel zu oft als Erfindungen abgetan, die von der Kontrolle über die Mineralienminen ablenken sollen. Aber wenn man dieser Argumentation folgt, würde das bedeuten, dass all die eminenten Unterhändler und Vermittler der früheren Friedensabkommen völlig falsch lagen. Das ist sehr unwahrscheinlich, zumal die drei angesprochenen Punkte berechtigt sind. Die Zweifel an der Qualität der Regierungsführung in der DR Kongo sind auch für Kongolesen offensichtlich und unter Präsident Felix Tshisekedi wurde nicht einmal öffentlicher Kannibalismus an Tutsi bestraft.
Die Bedrohung Ruandas durch die FDLR ist ebenfalls offensichtlich. Es dürfte niemanden überraschen, dass die FDLR für Ruandas Regierung und insbesondere für die Überlebenden des Völkermords an den Tutsi eine existenzielle und ideologische Bedrohung darstellt.
Die Hutu-Miliz, die einst von flüchtigen Tätern des ruandischen Völkermords an den Tutsi gegründet wurde, steht schwer bewaffnet auf kongolesischer Seite nur wenige Kilometer von der ruandischen Grenze entfernt. Ihr Bedrohungspotenzial hat sich in den vergangenen zwei Jahren noch vergrößert, seit Kongos Regierung die FDLR eingeladen hat, integraler Bestandteil der kongolesischen Armee zu werden und damit auch von der UNO, Südafrika und allen anderen Partnern als Verbündete akzeptiert zu werden.
Reformen müssen Thema der Verhandlungen sein
Nun, da die M23 Goma eingenommen hat, fordern die UNO sowie zahlreiche Regierungen die Rebellen zum Rückzug auf und verlangen von Ruanda, die Unterstützung der M23 einzustellen. Natürlich muss das eines Tages geschehen. Aber dieser Krieg sollte dann auch der letzte gewesen sein.
Am vergangenen Samstag forderte ein Staatengipfel der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) und der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrikas (SADC) alle Parteien auf, einen Waffenstillstand zu akzeptieren und Verhandlungen aufzunehmen. Da alle direkt am Konflikt beteiligten Länder teilnahmen, ist dies eine vielversprechende Entwicklung, auch wenn es keine Erfolgsgarantie gibt. Die Signale aus Kinshasa sind, gelinde gesagt, zweideutig. Kongos Regierung wird erfahrungsgemäß kein Abkommen unterzeichnen und umsetzen, wenn sie nicht dazu gedrängt wird.
Wenn Deutschland, die EU, die Afrikanische Union, die USA und die UN zu einer dauerhaften Friedenslösung beitragen wollen, sollten sie nun in erster Linie dazu beitragen, dass die Verhandlungen stattfinden und zum Erfolg geführt werden. Die drei Hauptursachen des Dauerkonflikts sollten Thema dieser Verhandlungen sein, und erst wenn es bei diesen ein Ergebnis gibt, ist zu klären, wie mit den Gebieten umzugehen ist, die die M23 erobert hat.
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