Europäische Ausbilder im Kongo: Verdeckter Einsatz
Private europäische Militärausbilder helfen Kongos Armee im Kampf gegen Rebellen. Sind diese Firmen in Kampfhandlungen verstrickt? Eine Spurensuche.
E in Kongolese in Uniform liegt auf dem Bauch auf einer Plastikfolie, unter ihm vulkanisches Gestein. Er hat sein Sturmgewehr im Anschlag. Am Horizont hinter einem Stacheldraht erhebt sich majestätisch der gewaltige Nyiragongo-Vulkan. Im Hintergrund hört man das Dröhnen der Flugzeuge: Auf der anderen Seite des Stacheldrahtzauns erstreckt sich die geteerte Landebahn des internationalen Flughafens von Goma. Die Millionenstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo – direkt an der Grenze zu Ruanda – ist dieser Tage eingekesselt von Rebellen.
„Pass auf den Wind auf, der Wind ist dein Feind“, sagt ein Rumäne in Uniform dem kongolesischen Soldaten auf dem Boden und legt ihm eine Münze auf den Gewehrlauf: Damit soll er lernen, still zu halten, die Münze darf nicht herunterfallen. Der Soldat mit dem Sturmgewehr am Boden drückt ab. „So ist es gut, sehr gut“, lobt ihn der rumänische Ausbilder. Der Soldat reagiert nicht. Wenn die Münze auf den Boden fällt, muss er Liegestütze stemmen.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo herrscht Krieg. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die von Ruanda unterstützten Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) dehnen das von ihnen eroberte Gebiet stetig aus. In und um Goma sind Regierungssoldaten, lokale Milizen, Eingreiftruppen aus dem südlichen Afrika und UN-Blauhelme aus aller Welt stationiert – aber auch bewaffnete Weiße aus Europa, die keiner staatlichen Armee angehören.
Diese privaten, europäischen Militärausbilder machen kongolesische Rekruten fit für den Kampfeinsatz. Ein Teil des Flughafengeländes ist zu ihrem Trainingszentrum umfunktioniert. Fünf Monate dauert die Grundausbildung. Die Frage ist, ob sich die Ausbilder auch aktiv an Kampfhandlungen beteiligt haben. Die EU verurteilt den Einsatz von Söldnern. Gemeinsam mit der französischen Tageszeitung Libération und dem rumänischen Onlinemedium PressOne ist die taz diesem Kapitel des Krieges nun nachgegangen.
„Ein Soldat an der Front muss wissen, wie er seine Waffe benutzt“, erklärt Chefausbilder Radu. Der Rumäne will seinen Nachnamen nicht nennen. Das Training beinhalte auch Erste-Hilfe-Kurse, Völkerrecht, Umgang mit Kriegsgefangenen bis hin zum Schießtraining, sagt er. Neben ihm übt eine Gruppe kongolesische Soldaten, Kalaschnikows auseinanderzunehmen und wieder zusammensetzen. Eine andere Gruppe sitzt auf dem kantigen Lavagestein im Kreis, blaue Notizbücher in der Hand. Daneben steht ein Pick-up mit aufgebocktem Maschinengewehr auf der Ladefläche. „Welche Waffe ist das?“, fragt ein Ausbilder.
Was hier hinter dem Stacheldrahtzaun am Flughafen vor sich geht, war lange Zeit nicht bekannt. Selbst europäische Diplomaten geben an, nicht zu wissen, was genau die Rumänen da treiben. Publik wurde die Anwesenheit ausländischer Ausbilder im Januar 2023, als ein Foto in den sozialen Medien für Wirbel sorgte. Darauf zu sehen: ein bewaffneter weißer Offizier nahe der Frontlinie nördlich von Goma.
Damals zirkulierten Gerüchte, russische Wagner-Truppen seien im Kongo gelandet. Weiße in Uniform hatten sich bereits in einem Hotel in Goma einquartiert. Das feuerte die Gerüchte zusätzlich an. Die taz begann zu recherchieren. Es stellte sich heraus: Die weißen Uniformierten, die zuerst am 22. Dezember 2022 aus einem gecharterten Flugzeug in Goma stiegen, waren Rumänen und Moldauer, keine Russen.
Als Felix Tshisekedi 2019 Kongos Präsident wurde, versprach er der kriegsmüden Bevölkerung Friede und Sicherheit. Er wollte alles anders machen als sein Vorgänger Joseph Kabila, dem es in 18 Jahren nicht gelungen war, den Osten zu stabilisieren, wo über hundert Milizen ihr Unwesen treiben.
Mit Tshisekedi an die Macht kam auch eine neue Riege Generäle, die anders als Kabilas gestandene Militärs keine Kampferfahrung hatten. 2021 begann ein erneuter Krieg mit den M23-Rebellen, die 2012 schon einmal gegen Kongos Armee gekämpft und sogar kurz Goma erobert hatten. Laut UN-Ermittlungen hat Ruanda inzwischen mehr als 3.000 Soldaten entsandt, um die M23 zu unterstützen. Die Tutsi-geführten Rebellen kontrollieren einen weiten Landstrich rund um Goma, fast so groß wie das Nachbarland, und die Millionenstadt ist seit Anfang 2024 eingekesselt.
Im Kampf gegen die M23 musste Kongos Armee zahlreiche Niederlagen hinnehmen und verlor teures Gerät wie Hubschrauber und Jets. Doch anstatt sich auf Verhandlungen mit der M23 einzulassen, wie 2013, entschied Tshisekedi, alle Mittel einzusetzen, um den Krieg zu gewinnen. Laut Angaben des schwedischen Verteidigungs-Think-Tank Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) verdoppelte Kongos Regierung innerhalb nur eines Jahres, von 2022 auf 2023, die Verteidigungsausgaben. Präsident Tshisekedi lud befreundete Truppen aus Burundi und dem südlichen Afrika ein und mobilisierte lokale Milizen, um die Armee zu unterstützen.
In der Militärbasis Mubambiro außerhalb der Kleinstadt Sake, 25 Kilometer westlich von Goma, sind nun alle Kräfte zusammengezogen, um Goma zu verteidigen. Es ist die letzte Frontstadt vor dem Rebellengebiet: Kongos Armee, UN-Blauhelme, südafrikanische Eingreiftruppen, lokale „patriotische“ Milizen, Kämpfer der aus den Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi hervorgegangenen Hutu-Milizionäre – und die weißen Ausbilder, auf sicherer Distanz, aber alle im Auftrag des kongolesischen Präsidenten und mit einem gemeinsamen Feind.
Der Ukrainekrieg bedeutete für den Krieg im Kongo zunächst jede Menge Schwierigkeiten: Kongos veraltetes Kriegsgerät stammt fast vollständig aus sowjetischen Beständen. Die Luftwaffe besteht aus zwei alternden Sukhoi-Su-25-Kampfjets, während des letzten M23-Kriegs 2012 in der Ukraine erstanden, und einigen Mi-24-Kampfhubschraubern. Die staatliche ukrainische Rüstungsschmiede Ukroboronprom war bis 2022 auch wichtiger Lieferant von Ersatzteilen und Munition. Seit 2022 benötigt die Ukraine ihr Gerät aber selbst, und ein Einkauf in Russland ist unmöglich. Also schickte General Franck Ntumba, Leiter von Tshisekedis Militärstab, Logistiker um die Welt, um Ersatz zu besorgen.
Ntumba war auch auf der Suche nach privaten Sicherheitsfirmen. Ex-Blackwater-Chef Erik Prince, in Söldnerkreisen eine Ikone, ließ für ihn laut einem UN-Bericht von Ende 2023 seine Kontakte spielen und klopfte in Kolumbien, Mexiko, Argentinien und Südafrika an. Fündig wurden die Kongolesen schließlich in Rumänien und Bulgarien und in französischen Kreisen, die seit jeher in Afrika aktiv sind.
Der Rumäne Horatiu Potra, Spitzname „Leutnant Henry“, ist Geschäftsführer verschiedener Firmen mit Sitz in Transsilvanien, sowie Vorsitzender des Verbandes ehemaliger rumänischer Angehöriger der französischen Fremdenlegion (RALF). Laut Webseite trainiert er VIP-Leibwächter, beschützt „sensitive Gebiete“, wie etwa Minen in Afrika, und bildet Spezialeinheiten aus. Verwiesen wird auf den Ehrenkodex der französischen Fremdenlegion, in der Potra in den 1990er fünf Jahre diente – seitdem hat er auch einen französischen Pass und kennt viele Exsoldaten mit Kampferfahrung. 2022 zog es ihn in die DR Kongo, wo er einen Vertrag zur Bereitstellung von Ausbildern für Kongos Armee unterzeichnete.
Eingefädelt hat den Vertrag laut des französischen Onlinemagazins Africa Intelligence Patrick Bologna, ein ostkongolesischer Geschäftsmann, der in Kinshasa als Honorarkonsul der Ukraine fungiert. Er hat angeblich unter seinem Namen die Sicherheitsfirma Congo Protection registriert. Diese nimmt die rumänischen Partner unter Vertrag. Auf Anfragen reagiert Bologna nicht.
„Wir arbeiten mit mehreren Partnern zusammen“, bestätigt Kongos Armeesprecher General Sylvain Ekenge: „Die Franzosen bilden höhere Offiziere aus, die Belgier bilden Kommandos aus und helfen uns auch im Hauptquartier.“ Die israelische Firma Fortress trainiere eine Spezialeinheit der Präsidentengarde. Ingenieure aus Frankreich, Algerien, Georgien und Bulgarien warten am Flughafen von Goma Kongos marode Kampfjets.
Neben Potras Verband ist die zweite in Goma präsente Sicherheitsfirma Agemira RDC. Die Firma, spezialisiert auf die Wartung von Hubschraubern und Jets, beschäftigt rund 100 Leute – Mechaniker und Ingenieure aus Georgien und Belarus, Piloten aus Algerien und 20 Mann „Sicherheitspersonal“, zumeist Franzosen. Auf Anfrage antwortet Frankreichs Verteidigungsministerium: „Kein Kommentar.“
Diese im Kongo registrierte Firma trägt denselben Namen wie die in Bulgarien gemeldete Firma Agemira, spezialisiert auf die Wartung von Fluggerät. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia hatte Agemira laut Handelsregister bis Oktober ihren Sitz an derselben Adresse wie die private Rüstungsschmiede Metalika, die mehrfach wegen Brüchen von UN-Waffenembargos in Skandale verwickelt gewesen ist. Im Jahr 2023 hat die DR Kongo in Bulgarien laut offiziellen Zahlen Kriegsgerät im Wert von 46 Millionen Euro eingekauft, vor allem Sturmgewehre, und ist damit Bulgariens bester Kunde in Afrika. Auf Anfrage reagiert Metalika nicht.
Im bulgarischen Handelsregister der Firma, die Anfang Oktober in „Bulgarian Global Solutions“ umbenannt wurde, ist als Geschäftsführer der ehemalige französische Gendarm Olivier Bazin eingetragen, der ebenso die kongolesische Agemira RDC leitet. Unter dem Spitznamen „Colonel Mario“ ist Bazin seit Jahrzehnten in Afrika aktiv – zunächst in Gabun, in der Elfenbeinküste und in der Zentralafrikanischen Republik. Später zog es ihn nach Mali, wo seine Teams Armeehubschrauber warteten. Dann putschten in Mali die Generäle und warfen die Franzosen hinaus. Russische Wagner-Kämpfer übernahmen den Job.
2021 zog es Bazin in die DR Kongo. Als 2023 Kongos damaliger Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba, einst Rebellenführer mit Beziehungen in die Zentralafrikanische Republik, erstmals in seiner Ministerfunktion an die Front nach Goma flog, war Bazin an seiner Seite.
Auf Anfrage erklärt Bazin, dass zwischen den gleichnamigen Firmen Agemira im Kongo und in Bulgarien keine Verbindungen bestünden: „Die beiden Unternehmen haben unterschiedliche Aktivitäten, unterschiedliche Aktionäre und keine Kapitalbeziehung zwischen ihnen.“ Mit den Geschäftsführern von Metalika sei man zwar bekannt, „wir arbeiten jedoch nicht mit diesem Unternehmen zusammen“, so Bazin. Er gibt jedoch zu: Agemira RDC übernahm bei Verträgen zwischen Kongos Regierung und China, wo die DR Kongo jüngst Kampfdrohnen einkaufte, eine „beratende Funktion“.
Die Verträge zwischen Kongos Regierung, Congo Protection, Agemira RDC und Potras Verband sind unter Verschluss. Der taz ist es jedoch gelungen, jemanden zu sprechen, der diese Abkommen vorliegen hat. Darin sei von „Ausbildung“ die Rede. Doch die tatsächlichen Tätigkeiten gehen offenbar darüber hinaus.
„Leider haben wir einige Kameraden verloren“, bedauert Potra. In khakifarbener Hose und schwarzem Hemd mit dem Logo seiner Firma auf der Brust sitzt der Rumäne im Restaurant des Mbiza-Hotels in Goma unweit des Flughafens. In seinem Gürtel steckt eine Pistole. Vier rumänische Ausbilder seien seit 2022 im Kongo ums Leben gekommen, bestätigt das rumänische Außenministerium.
Das Hotel Mbiza mit Konferenzräumen und einem veralteten Fitnessstudio ist wie eine Reihe weiterer Hotels in Goma seit Ende 2022 von den Rumänen ausgebucht. Ein rumänischer Koch serviert heimische Speisen: „Wenn hier Friede wäre, wäre es fast das Paradies“, sagt Potra.
Die rund 800 Rumänen gehören mittlerweile zum Stadtbild. Man sieht sie in Geländewagen oder im Supermarkt beim Zigarettenkaufen. „Romeos“ werden sie genannt, nach ihrem Funkgerät-Signalcode. Sie treiben sich auch auf der Online-Datingplattform Tinder herum. Aber sie dürfen abends nicht ausgehen. „Alkohol und Waffen gehören nicht zusammen“, sagt Potra.
Der 54-Jährige erklärt die Mission: „Als wir 2022 das erste Mal kamen, wurde uns von den Behörden klar vorgegeben, dass wir die Armee ausbilden sollten“, so Potra und führt aus: „Wir kamen zunächst mit 300 Mann, nicht nur mit Ausbildern, denn unsere Bedingung war, dass wir auch Leute haben müssten, die die Ausbilder beschützen. Denn im Falle eines Angriffs der Rebellen werden wir nicht als Freunde betrachtet.“
Auf X zirkulierten im Februar dieses Jahres Fotos von zwei toten Rumänen. Rumäniens Außenministerium bestätigte später, dass Rumänen ums Leben kamen, als M23-Rebellen die Kleinstadt Sake 25 Kilometer westlich von Goma angriffen. Der rumänische Afghanistan-Veteran Constantin Timofti, einer von Potras Kämpfern, berichtet: „Die Schusswechsel waren intensiv, es dauerte etwa 45 Minuten.“
Danach wurde das Training an den Flughafen von Goma verlegt, weg von der Frontlinie. Die Rumänen richteten rund auf den Hügeln Beobachtungsposten ein. Einer lag rund sieben Kilometer nördlich von Goma, berichtet Potra: „Aufgrund des Vormarsches der Rebellen um unsere Position herum waren wir gezwungen, uns an den Stadtrand zurückzuziehen, quasi die letzte Stellung am Stadteingang.“
Bei einem Mörserangriff auf diesen Hügel wurde im Juni ein weiterer Rumäne getötet und drei verletzt, als sie gerade eine Aufklärungsdrohne steigen ließen. Einer der Verletzten hatte einen französischen Pass und wurde nach Paris ausgeflogen. Ein weiterer starb später in seiner Heimat.
In den Augen der M23-Rebellen sind dies „Söldner“, die sich aktiv in den Krieg einmischen. „Die Regierung gibt das ganze Geld diesen Söldnern, und diese Osteuropäer kommen nun hierher, um uns Kongolesen zu töten“, regt sich M23-Sprecher Lawrence Kanyuka am Telefon auf. Er lacht bei dem Hinweis, dass es sich um Ausbilder handelt. „Was machen diese Weißen in Uniform an der Front?“, fragt Kanyuka. „Wenn es sich um Ausbilder handelt, dann sollten sie im Trainingslager sein.“
Potra reagiert darauf empört: „Die Welt kritisiert uns, es heißt immer wieder, rumänische Söldner seien gekommen, um zu töten“, sagt er. „Unsere Leute kommen nicht zum Spaß hierher, sondern weil sie Geld verdienen müssen, um ihre Kredite oder Steuern zu bezahlen.“ Die meisten Ausbilder seien ehemalige rumänische Soldaten, die nun im Kongo bis zu 6.000 Dollar im Monat verdienen. Zum Vergleich: Kongos Soldaten verdienen gerade einmal 150 Dollar.
Potra stellt klar: „Wir haben keinen direkten Kontakt mit der M23, es sei denn, wir werden angegriffen.“ M23-Sprecher Kanyuka lässt wiederum keinen Zweifel daran, dass er die Ausbilder als Feinde betrachtet. Im Januar traf eine Kampfdrohne das Fahrzeug von M23-Geheimdienstchef Oberst Castro Mberabagabo nahe der Handelsstadt Kitchanga, 100 Kilometer von Goma entfernt. Er war sofort tot. Sein Kamerad Erasto Bahati, zuständig für Finanzen, überlebte schwer verletzt. Ein schwerer Schlag für die M23. Abgefeuert wurde die Drohne von einem Kongolesen – gesteuert wurde sie allerdings von Agemira-Ingenieuren.
Für Agemira RDC ist in Goma der Franzose Romuald Létondot zuständig. Der pensionierte Oberstleutnant der französischen Armee sitzt in der Lac Kivu Lodge, einem schicken Hotel am Ufer des Kivu-Sees, wo UN-Leute und Diplomaten absteigen. Er bestellt Kaffee und Croissants. „Romu“, wie er genannt wird, ist ein redseliger Zeitgenosse. „Ich habe den Eindruck, nützlich zu sein“, sagt er. Während des Völkermords an den Tutsi 1994 sei er in Ruanda gewesen, „ich half bei der Evakuierung von Franzosen. Diesen dreißigjährigen Krieg würde ich gerne abschließen“, erklärt er seine Mission. Als sein alter Freund Bazin, den er „in Mali getroffen“ habe, ihm vorschlug, an einem „Abenteuer“ teilzunehmen, habe er nicht gezögert.
„Unsere ersten Leute kamen im Juni 2022“, berichtet er. „Es gab eine Zeit, in der wir den Krieg hätten gewinnen können“ sagt er. „Aber die ruandischen Truppen wurden mit neuer Ausrüstung ausgestattet.“ Ferngesteuerte Raketen, Flugabwehrbatterien, Flugabwehrradare: Damit konnte die M23 mit ruandischer Hilfe zwei der in China eingekauften Kampfdrohnen der kongolesischen Armee abschießen, eine dritte kollidierte auf dem Rollfeld mit einem Feuerwehrauto. „Wir haben die Drohnen verloren, jetzt müssen wir das Waffenarsenal weiter aufrüsten“, so Létondot: „Wir versuchen, die Schlagkraft der Armee zu erhöhen.“
„Agemira RDC und Congo Protection intensivierten ihre strategische und taktische Unterstützung der Gegenoffensive“, bestätigt ein UN-Expertenbericht Ende 2023. „Congo Protection beriet bei den Artillerie-Angriffen auf M23-Stellungen“, Agemira RDC leiste „strategische Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Operationen“, darunter „Bodenaufklärung in Echtzeit sowie Waffenlieferungen.“
In ihrem jüngsten Report vom Juli 2024 publizierten die UN-Experten Fotos, wie der lokale ostkongolesische Milizenchef Guidon Shimiray, ein berüchtigter Kriegsverbrecher, der derzeit die Armee unterstützt, in einen Armeehubschrauber steigt, den eine Agemira-Crew fliegt. In seiner Stellungnahme erklärt Bazin ausdrücklich: „Agemira RDC unterhält keine Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppen.“ Bei diesem „einmaligen Vorfall“ wurde „unseren Mitarbeitern die Identität des von Ihnen genannten Passagiers nicht mitgeteilt“, so Bazin. Dieser habe eine Uniform der kongolesischen Armee getragen. Bazin stellt klar: „Seit diesem Vorfall wurden unsere Besatzungen angewiesen, die Identität von Passagieren in Transportflugzeugen zu überprüfen und Personen, die möglicherweise bewaffneten Gruppen angehören, das Einsteigen zu verweigern.“
Über die Grauzonen im Klaren
„Das fällt in die Grauzone, die wir mit Söldnerakteuren in Verbindung bringen“, erläutert Jovana Ranito, Chefin der Arbeitsgruppe des UN-Menschenrechtsrats für Söldnerangelegenheiten. „Wenn sie sich auf dem Schlachtfeld befinden, wenn sie in direkte Kampfhandlungen verwickelt sind, gelten sie für uns nicht mehr nur als private Sicherheitsfirma. Das wären Söldner oder mit Söldnern verbundene Akteure“. Dies gelte auch, wenn sie „beispielsweise die Drohnen auf dem Schlachtfeld steuern“.
Létondot ist sich über die Grauzone im Klaren. „Im vergangenen Sommer wollten wir die Roméos in Kitchanga stationieren“, sagt er. Doch dann rückte die M23 auf den Ort, rund 100 Kilometer von Goma entfernt, vor. „Man hätte uns vorwerfen können, dass wir an einer Offensive teilnehmen“, so Létondot. „In diesem Fall hätten wir dann tatsächlich als Söldner fungiert.“
Die EU verurteilt den Einsatz von Söldnern und kritisiert die Aktivitäten der russischen Wagner-Kämpfer in Afrika. Auch in Frankreich sind Söldner illegal. Deswegen befragen ihn die französischen Geheimdienste regelmäßig, wenn er aus Goma nach Hause zurückkehrt, so Létondot. Sie wollen sicherstellen, dass es sich nicht um Söldneraktivitäten handelt. Man habe ihm gesagt, er handle „gegen die Interessen Frankreichs“, berichtet er. „Manchmal sage ich ihnen: Wenn wir abziehen, übernimmt Wagner.“
Die Recherche wurde durch ein Stipendium des Investigative Journalism for Europe (IJ4EU) unterstützt.
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