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Offener Brief an Präsident SteinmeierBitte keinen Menschenzoo!

Gastkommentar von Korassi Téwéché

Der Bundespräsident ruft zur Solidarität mit Afrika auf. Leider verwendet er dabei die falschen Fotos.

Geht an diese Adresse: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Foto: Barbara Gindl/dpa

S ehr geehrter Herr Steinmeier, ich habe Ihrer Rede vom 11. Oktober aufmerksam zugehört. Sie haben die Bevölkerung zu Spenden für die Bekämpfung des Welthungers aufgerufen. Ich finde diese Ini­tiative sehr lobenswert. Allerdings haben Sie Ihren Aufruf mit Fotos der Kenianerin Madeline Shimuli illustriert. Ich finde diese Illustration moralisch problematisch. Wie sollte man nicht empört sein, wenn in einem Land, das sich für die Menschenrechte einsetzt wie Deutschland, an Straßenecken und in den Medien immer noch Bilder von Afrikanern mit stumpfen Gesichtern zu sehen sind, ähnlich den Bildern ihrer Vorfahren, die gestern noch in Menschenzoos ausgestellt wurden?

Wir sind alle von den Werten der Solidarität überzeugt, aber dürfen diese um jeden Preis durchgesetzt werden? Rechtfertigt der Zweck die Mittel, insbesondere wenn die Würde einer Person auf dem Spiel steht? Zwar ist Armut ein Mangel, aber Reichtum ist keine Tugend. Wer sich zwischen Würde und Reichtum entscheiden muss, entscheidet sich für die Würde. Deshalb bitte ich Deutschland aufzuhören, die Menschen, denen Sie helfen wollen, zur Schau zu stellen. Dienten und dienen missionarische Ziele und der Kampf für Menschenrechte und Demokratie nicht auch dem Imperialismus von gestern und dem totalitären Kapitalismus von heute als Vorwand? Ich wage zu glauben, dass Deutschland, das der Menschheit so viele Denker geschenkt hat, weit von solchen Haltungen entfernt ist. Das Gegenteil wäre schade, denn das Land hat Besseres zu bieten.

Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich hoffe, dass sich in Deutschland die Gewohnheit ändern wird, Porträts von Afrikanern und anderen Menschen auszustellen unter dem Vorwand, ihnen zu helfen. Denn jeder Mensch hat das Recht, mit Respekt behandelt zu werden. Dieser Brief trägt die Hoffnung in sich, dass eine neue Beziehung zwischen Afrika und Deutschland möglich ist. Unsere Vergangenheit war tragisch, aber Gegenwart und Zukunft sind vielversprechend. Ich wünsche mir, dass jeder von uns den Mut hat, diesen Schritt zu gehen.

Korassi Téwéché ist Doktorand am Philosophischen Seminar der Universität Münster.

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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Manchmal ist man sprachlos über so viel wirres Zeug!

  • "Allerdings haben Sie Ihren Aufruf mit Fotos der Kenianerin Madeline Shimuli illustriert. Ich finde diese Illustration moralisch problematisch."

    Warum?



    Weil eine individuelle Person mit Name, Bild und eigene Worten in der Rede vorkommt?

    "Bilder von Afrikanern mit stumpfen Gesichtern zu sehen sind"

    Interessant. Ich habe kein stumpfes Gesicht gesehen.



    Und ich finde es problematisch, in so abwertender Weise über Madeline Shimuli zu reden.

    Wenn ich das richtig verstehe, ist Ihr Problem, dass Madeline Shimuli überhaupt abgebildet wurde.



    Haben Sie irgendwelche Erkenntnisse darüber, dass dies ohne Shimulis Einwilligung geschehen ist?



    Oder ist der Gedanke, dass eine kenianische Frau bewusst und freiwillig der Verwendung ihres Bildes zugestimmt hat, für Sie undenkbar?



    Sind Afrikanerinnen für Sie nur und ausnahmslos willenlose Objekte, denen Dinge zustossen, unfähig zu Selbstbewusstsein und eigener, freier Entscheidung?

  • Ich hätte es nett gefunden, die in Rede stehenden Bilder auch sehen zu können.

    Der Sinn des Links, der zu diesem Artikel hier führt, erschloß sich mir nicht.

  • 0G
    06360 (Profil gelöscht)

    Diese Kritik kann ich sofort annehmen, mir gehen die Kinderbilder aus dem Biafrakrieg bis heute nicht aus dem Kopf.

    Eine Rede des Bundespräsidenten ... naja, sicher gut gemeint.



    Aber Bilder gehen an andere Synapsen; jeder Fotoreporter weiß das.

    Verf. des Artikels ist ein kluger Mensch, weil er bei aller Kritik nicht aggressiv auftritt.



    Das wünsche ich mir auch von vielen anderen "Aktivisten".

  • Frau Madeline Shimuli ist in der Kampagne in ihrer Alltagskleidung und mit Mund-Nasen- Schutz abgebildet. Eine Abbildung die an "Menschenzoos" oder sonstige rassistische Praktiken gemahnt ist nicht zu erkennen, wie sich jeder auf der Seite der Welthungerhilfe überzeugen kann. Das ist ganz einfach verschoben Wahrnehmung. Man kann gern darüber diskutieren ob weltweit agierende westliche Agrarkonzerne nicht mit Schuld daran tragen, dass Nahrungshilfe immer noch notwendig ist und ob das nicht auch Kolonialismus/ Imperialismus mit anderen Mitteln ist. Aber das ist ja nicht Ihr Thema, obwohl das wirklich essentiell wäre. Aber aus der bloßen Abbildung von Nahrungshilfeempfängern (die darüber hinaus von der WHH noch eine Ausbildung erhalten, wie auf der Seite zu lesen) wieder eine Rassimusmus-Diskussion zu drehen geht völlig am Thema vorbei.