Offener Brief an Angela Merkel: Sie müssen jetzt den Planeten retten!
Die Bundeskanzlerin muss dem US-Präsidenten Trump begegnen, als gelte es, einen Weltkrieg zu verhindern. Und sie sollte sagen, Putin sei eine Pussy.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
stellen Sie sich vor, Sie wären eine Zeitreisende. Sie würden am heutigen Freitag nicht in die USA zu Donald Trump fliegen, sondern ins Jahr 1914. Dort müssten Sie Wilhelm II. davon abbringen, einen Weltkrieg zu beginnen, der Millionen Tote fordert. Ich glaube, Sie würden dem deutschen Kaiser überzeugend, leidenschaftlich und unbeugsam gegenübertreten. Sie würden ihm in die Augen blicken und ihm sagen, dass er sein Land ins Verderben stürzt.
Treten Sie dem neuen US-Präsidenten mit der gleichen Entschlossenheit entgegen. Sie wissen mit der Sicherheit einer Zeitreisenden, was passiert, wenn die Welt den Klimawandel nicht stoppt. Die steigenden Meere werden erst Ackerland und dann Küstenstädte zerstören. Der Süden der EU wird zur Wüste. Die Korallen sterben, die Ökosysteme in den Meeren brechen zusammen und wir haben weder Fisch noch Getreide, um bald neun, zehn, vielleicht elf Milliarden Menschen zu ernähren. Der Norden würde auf Hunderte Millionen verzweifelter Flüchtlinge schießen müssen, wollten wir sie aufhalten.
Es kann tatsächlich so kommen. Ich weiß, dass Sie das wissen. Deshalb ist es Ihre historische Aufgabe, Donald Trump davon abzubringen, das Klimaschutzabkommen von Paris aufzukündigen. Sie sind die einzige Staatschefin, die das kann.
Sie müssen Trump dazu gnadenlos von sich überzeugen. Ihre große Stärke ist das Logische, das Rationale. Beides sind allerdings Mittel, die bei Trump so viel ausrichten wie eine Regierungserklärung in einer Stierkampfarena. Ihre Kunst muss darin bestehen, den Bullen ins Leere laufen zu lassen. Überraschen Sie ihn. Trump wird alles erwarten, nur nicht, dass Sie ihn bestärken:
Präsident Trump, Sie schaffen die Auflagen für Ihre Autoindustrie ab, sparsamere Wagen zu bauen? Das ist ein für uns sehr guter Deal. Nach unseren Marktanalysen kaufen dann noch mehr Leute deutsche Autos; vor allem die Chinesen, auch die Inder, selbst die Russen. Alle wollen sparsame, saubere Autos. Sie können Ihre Industrie also gern zerstören. Wir übernehmen dann.
Sie wollen außerdem neue Kohlekraftwerke? That’ s great. Verzichten Sie ruhig auf mittlerweile günstigeren Sonnen- und Windstrom. Wieder ein Vorteil für uns. Sie wollen wieder überall nach Öl bohren lassen? Auch das finden wir toll. Mehr Angebot, niedrigere Nachfrage, der Ölpreis wird ins Bodenlose fallen, das macht unsere Importe billiger. Ihre insolventen Ölförderer gehen uns ja nichts an.
Sie wollen mit Zöllen antworten? Sehr gute Idee. Unter uns gesprochen – wir Europäer brauchen dringend ein Feindbild. Ich wäre dankbar, könnten Sie den Job übernehmen. Dann versammelt sich der ganze Hühnerhaufen endlich geschlossen hinter der EU-Kommission. Gerne übernehmen wir auch die Marktanteile der US-Konzerne in China und Mexiko.
Im zweiten Schritt zerstören Sie Trumps Glauben an Wladimir Putin. Stecken Sie Trump unter vier Augen, dass Putin eine Pussy ist. Das Wort ist furchtbar obszön, ich weiß, aber verwenden Sie es trotzdem. Ein Bulle versteht nur Schnauben. Erzählen Sie, dass Europa den Russen seit Jahrzehnten Öl und Gas abzockt. Sie, Angela Merkel, müssten nur die PIPELINES abdrehen, um Russland in ein ökonomisches Chaos zu stürzen.
Das weiß Putin genau. Deshalb traut er sich nicht weiter als nach Lugansk. Das ist in der Ukraine, Mr. President. Nach der Annektion der Krim reichte ein Anruf von mir in Moskau und Putin hat sich keinen Schritt weiter getraut.
Das beeindruckt. Der Stier erkennt: Sie haben die dicksten Hörner. Erst jetzt hört er zu. Und erst jetzt bringen Sie Ihre Botschaft an.
Mr. Trump, es ist meine tiefste, innerste Überzeugung, dass der Klimawandel aufgehalten werden muss. Wir müssen verhindern, dass die Menschheit im Chaos versinkt. Davon rücke ich keinen Millimeter ab. Außerdem werden wir Billions of Dollars mit Green Capitalism verdienen. (Zwinker)
Im Flieger zurück nach Berlin werden Sie das wohlige Gefühl haben, wie eine Zeitreisende den Lauf der Geschichte gewendet zu haben. Grinsen Sie genüsslich in sich hinein und denken Sie sich:
Hihi. Die Nummer mit Putin hat er mir echt abgenommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml