piwik no script img

Österreich nach der PräsidentenwahlHassobjekt Van der Bellen

Unterstützer der FPÖ arbeiten sich weiter mit aggressiven Mails am neuen Staatschef ab. Der wird von einer Spezialeinheit begleitet.

Wird bedroht: Alexander Van der Bellen Foto: ap

Wien taz | „Glock 17 geladen und schussbereit“, schreibt ein gewisser Patrick. Die Glock 17 ist eine halbautomatische handliche Pistole, das Ziel ist Alexander Van der Bellen. „Kanzleramt und Hofburg gehören gestürmt, Parlament wird niedergebrannt“, lautet ein anderer über Facebook verbreiteter Aufruf.

Wer in Österreich glaubte, Warnungen vor dem rechtsextremen Umfeld des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer seien übertrieben, wird von den im Internet zirkulierenden Aggressionen eines Besseren belehrt.

Sogar Frauen, die den Ausgang der Bundespräsidentenwahlen vom 22. Mai nicht hinnehmen wollen, gehen auf ihre Geschlechtsgenossinnen los: „Die weiblichen VdB-Wähler sollen sich von den Asylanten vergewaltigen und erschlagen lassen und ihre Männer arbeitslos werden“. Van der Bellen wird daher stets von einer Limousine der Spezialeinheit Cobra begleitet.

Die FPÖ distanziert sich zwar von solchen Postings, hat die schlimmsten gelöscht und eine für Samstag geplante Demonstration abgeblasen, doch attackiert sie den Präsidenten für dessen Äußerungen in den Medien. Gegenüber der ARD hat er ja bestätigt, er würde FPÖ-Chef Heinz Christian Strache auch als Wahlgewinner nicht mit der Regierungsbildung beauftragen: „Weil die FPÖ mit dem Feuer spielt, mit der Renationalisierung der EU liebäugelt. Das ist nicht im Interesse Österreichs.“

Kein Präsident für alle Österreicher

FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl tobt: „Van der Bellen hat die Riesenchance ausgelassen, Gräben zuzuschütten. Er will gar kein Präsident für alle Österreicher sein, sondern der verlängerte Arm und das Sprachrohr von Rot-Schwarz-Grün und der Eurokraten.“ Wider besseres Wissen unterstelle er der FPÖ Europafeindlichkeit.

Alexander Van der Bellen wird erst am 8. Juli sein Amt übernehmen. Laut einer nach der Wahl erhobenen Gallup-Umfrage glauben 49 Prozent der Befragten, der neue Staatschef könne das Land versöhnen. 39 Prozent trauen ihm das nicht zu.

Sorgen machen muss sich indes FPÖ-Chef Heinz Christian Strache, denn jeder zweite Befragte findet Norbert Hofer besser geeignet, die Partei in den nächsten Wahlkampf zu führen. Unter den deklarierten FPÖ-Wählern sind es sogar 61 Prozent. Hofer weist Putschgelüste zurück. Er werde bei den nächsten Nationalratswahlen, die spätestens im Herbst 2018 anstehen, hinter Strache kandidieren und die Position des Ersten Nationalratspräsidenten anstreben.

Ob die FPÖ die Wahlen anfechten wird, ist noch immer nicht klar. Aus einigen Bezirken wurden Unregelmäßigkeiten gemeldet. So habe die Auszählung der Wahlkarten in einigen Kärntner Wahlkreisen zu früh begonnen. Robert Stein, der Leiter des Wahlbüros im Innenministerium, sieht aber keinen Einfluss auf das Endergebnis.

Dessen ungeachtet werden weiter Verschwörungstheorien gesponnen. Durch eine Geheimtinte, die vom Papier verschwindet, seien Stimmen für Hofer quasi in Luft aufgelöst worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • ''er würde FPÖ-Chef Heinz Christian Strache auch als Wahlgewinner nicht mit der Regierungsbildung beauftragen''

     

    Dann ist Van der Bellen kein Demokrat.

     

    ''Weil die FPÖ mit dem Feuer spielt, mit der Renationalisierung der EU liebäugelt. Das ist nicht im Interesse Österreichs.“

     

    Wenn die Österreicher mehrheitlich so wählen, ist es auch im Interesse Österreichs.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @A Bayer:

      "Wenn die Österreicher mehrheitlich so wählen, ist es auch im Interesse Österreichs."

       

      Das zeigt sich dann meistens später. Des Wählers Wille und des Wählers Wohl sind wie die Liebe und die Ehe. Das Erste wird oft im gewissen Rauschzustand bekundet und sollte zum glücklichen Zweiten führen, das leider manchmal in einer Enttäuschung endet.

  • Wir können alle sehr froh sein, dass es Van der Bellen geworden ist. Nun ist die Frage, was wir mit der geschenkten Zeit unternehmen.

  • "...Er werde bei den nächsten Nationalratswahlen, die spätestens im Herbst 2018 anstehen, hinter Strache kandidieren und die Position des Ersten Nationalratspräsidenten anstreben..."

     

    Gewarnt sei - vor den ewigen Zweiten.

    Das - ja - aber vor allem -

    Hoffentlich erweisen sich die Worte van der Bellens in seiner Wahltagsansprache nicht als Pfeifen im Wald. https://www.facebook.com/notes/alexander-van-der-bellen/erste-rede-des-gew%C3%A4hlten-bundespr%C3%A4sidenten-alexander-van-der-bellen/1202085249836515

  • Die Idee mit der Geheimtinte ist gut! Mit dem Zeugs sollte man im schlimmsten Fall TTIP und/oder Ceta unterschreiben!

    • @miri:

      Der Grüne Van der Bellen gilt als TTIP-Befürworter. Er äußerte sich mehrmals entsprechend, dass er als Ökonom dafür sei.

      • @A Bayer:

        Nein. Im Laufe der — wie man zugeben muss — nicht sehr rational sondern ausgesprochen aufgeregt, emotional und bisweilen unehrlich geführten Debatte über TTIP hat VdB seine Meinung verschärft. Früher hätte er TTIP »mit Einschränkungen« akzeptiert. Er hat gesagt, als Ökonom hat er nichts prinzipiell gegen Freihandel. Er würde nun aber den TTIP-Vertrag als Präsident nicht unterschreiben.

      • 8G
        89083 (Profil gelöscht)
        @A Bayer:

        Verbreite bitte keine Unwahrheiten

      • @A Bayer:

        Nein, das hat er mehrmals als Missverständnis widerrufen. Er würde es wider Befugnis sogar nicht mal unterschreiben..