Österreich hat einen neuen Kanzler: Wie lange ohne Kurz?

Österreich hat mit Alexander Schallenberg einen neuen Kanzler. Ob dessen Vorgänger nochmal zurückkommt, hängt von mehreren Faktoren ab.

Vier Männer in Anzügen vor rotem Hintergrund

Österreichs neuer Kanzler Alexander Schallenberg (r.) mit Bundespräsident van der Bellen (l.) Foto: Leonhard Foeger/reuters

WIEN taz | Mit der Vereidigung von Alexander Schallenberg (ÖVP) als neuer Bundeskanzler und Michael Lin­hart als dessen Nachfolger im Außenministerium wurde Montagnachmittag Österreichs Regierungskrise offiziell be­endet.

Sebastian Kurz wird nun noch am Dienstag in einer Sondersitzung des Nationalrats von den Abgeordneten der ÖVP zum Frak­tions­vorsitzenden (Klubchef) gewählt. Einem Misstrauensantrag der Opposition, der auch von den Grünen unterstützt worden wäre, ist er ja durch seinen Rücktritt am Samstag zuvorgekommen.

In der Opposition spricht man vom „Schattenkanzler“, der jetzt aus dem Parlament heraus die Fäden ziehen werde, und vom „System Kurz“, das durch die Personalrochaden nicht angetastet worden sei. Das System Kurz zeichnet sich dadurch aus, dass absolute Loyalität über Fachkompetenz gestellt wird, die Entscheidungen in einer kleinen Kamarilla getroffen werden und für Stimmenmaximierung jeder politische Anstand geopfert wird. Die in den letzten Tagen und Monaten bekannt gewordenen Chatprotokolle geben darüber Aufschluss.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen tut indes das, was Sebastian Kurz vermissen lässt. Er hat am Sonntag in einer bemerkenswerten Fernsehansprache einen Neustart gefordert. Das Vertrauen in die Politik sei massiv erschüttert worden. „Worte allein genügen hier nicht“, die politischen Akteure und vor allem die Regierung seien gefordert, durch Taten zu überzeugen.

Abrechnung hat begonnen

Viel wird jetzt davon abhängen, ob Schallenberg aus dem Schatten des Schattenkanzlers tritt und dessen Beraterstab aus bedingungslosen Gefolgsleuten aus dem Bundeskanzleramt entfernen kann oder will.

In den Bundesländern hat die Abrechnung mit dem System Kurz bereits begonnen. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner hat in einer Lokalzeitung erklärt, die Diskussionen in der ÖVP seien jetzt „noch nicht vom Tisch“, es gebe weitere Dinge zu klären. Selbst einen Parteiausschluss von Kurz, wenn ihm denn strafrechtliche Verfehlungen nachgewiesen werden können, wollte er nicht kategorisch ausschließen.

Hermann Schützenhöfer, Landeshauptmann der Steiermark, hält eine Rückkehr des gestürzten Helden mittelfristig für unwahrscheinlich. Denn die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) würden mehrere Wahlen überdauern.

Die ÖVP-Landeshauptleute, die am Donnerstag noch ihre unverbrüchliche Treue zu Kurz auch schriftlich gelobt hatten, dürften wesentlich zum Meinungsumschwung von Kurz beigetragen haben. Da ist eine SMS bekannt geworden, in dem sie pauschal als „alte Deppen“ abqualifiziert werden. Einige haben auch die 104 Seiten starke Begründung der WKStA für die jüngsten Hausdurchsuchungen gelesen. Die sind „starker Tobak“, wie ein ÖVP-Veteran zugab.

Bei einer Rückkehr ins Kanzleramt müsste Kurz auch mit dem Widerstand der Grünen rechnen, Koalitionspartner der ÖVP. „Dass er zurückkommt in dieser Regierungszeit, das kann ich ausschließen“, sagte Fraktionschefin Sigrid Maurer am Sonntag: „Ein Kanzler, der mit solchen Vorwürfen konfrontiert ist, ist nicht handlungsfähig.“ Gerold Riedmann, Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten, kommentiert überzeugt, Kurz werde bald vom Kurzparkplatz „auf den politischen Dauerparkplatz wechseln müssen“.

Ob Kurz einen Masterplan hat, ist unklar. In seiner Rücktrittsrede macht er die Grünen für die Krise verantwortlich und droht, die bereits ausgehandelte ökosoziale Steuerreform könnte noch scheitern. Sein Ruf nach „stabilen Verhältnissen“ wird von manchen als Ankündigung von Neuwahlen gedeutet.

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