piwik no script img

Ökosteuer in FrankreichMacrons grüne Mogelpackung

Kommentar von Lea Fauth

Macron lässt sich für seine neue Ökosteuer feiern. Tatsächlich will der französische Präsident damit nur von unliebsamen Themen ablenken.

So geht Öko! Tour-de-France-Radler unterwegs Foto: dpa

F rankreichs Präsident Macron will 2020 eine Steuer auf Kerosin einführen und brüstet sich mit seiner „Ökosteuer“. Ja, das Flugzeugfliegen muss drastisch eingeschränkt werden. Dies aber über eine Steuer zu regeln, ist wirkungsloser Hokuspokus. Die von 1,50 bis 18 Euro gestaffelten Mehrausgaben werden niemanden vom Fliegen abhalten. Und wenn die Steuer hoch genug wäre, um die Zahl der Fluggäste zu reduzieren, würde Fliegen zu einem Luxus, den sich nur Reiche leisten können. Das kann nicht die Lösung sein.

Notwendig wären vielmehr der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrsangebots und günstigere Preise. Hier aber gehen europäische Regierungen in die entgegengesetzte Richtung. Erst letztes Jahr ließ Macron das Bahn-Unternehmen SNCF privatisieren. Ähnlich wie bei der Privatisierung der Deutschen Bahn führt das zur Verteuerung von Zugtickets und zur Stilllegung von Strecken in abgelegenen Regionen. Dort muss man zwangsläufig Auto oder Flugzeug benutzen – da hilft auch keine Kerosinsteuer. Dass Frankreich die Einnahmen aus der neuen Steuer für den Schienenausbau verwenden wird, wie nun angekündigt, ist angesichts der Politik der letzten Jahre anzuzweifeln.

Das Prinzip „Ökosteuer“ folgt zudem einer perfiden Logik: Klimaschädliches Verhalten soll durch Geldzahlungen wiedergutgemacht werden, eine Art Ablassbrief für Verbraucher*innen. Damit entzieht sich die Politik ihrer Verantwortung, einerseits Richtlinien und Verbote für Unternehmen zu erlassen, andererseits eine umweltfreundliche Infrastruktur zu schaffen. Beides wäre aber notwendig, wenn Klima­schutz nicht eine Zeit-, Geld-, Bildungs- oder Befindlichkeitsfrage, sondern eine Querschnittsaufgabe sein soll.

Macron hat derweil von anderen ­Problemen abzulenken. Die UNO hat die Polizeigewalt in Frankreich in einem Zug mit der Repression in Venezuela und Sudan genannt, die Pressefreiheit wird mit Gesetzen und Festnahmen gerade akut eingeschränkt. Jetzt legt Ma­cron der Öffentlichkeit ein nettes Mogelpaket in Grün auf den Tisch, um nicht mit anderen Themen in die Schlagzeilen zu kommen. Leider mit Erfolg.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Redakteurin taz1
Hat Philosophie und Literatur in Frankreich, Brasilien und Portugal studiert und bei der Deutschen Welle volontiert.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Das Argument "dann können sich das nur noch Reiche leisten" ist ein Totschlagsargument gegen jede Verteuerung ressourcenfressenden und umweltschädlichen Konsums!

    Richtig Reiche können sich immer alles leisten - aber wenn die große Mehrheit sich "alles leistet", dann geht der Planet bzw. seine Bewohnbarkeit halt den Bach runter!

    Das gilt auch für Fleisch: Gutes Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren ist nun mal so teuer, dass es niemals ein Massenprodukt sein kann. Wenn also die Massentierhaltung abgeschafft werden soll, dann müssen alls nicht so Reichen eben damit leben, nicht mehr jeden Tag Fleich zu essen, sondern evtl. nur einmal die Woche.

    Dadurch geht die Welt nicht zu Grunde!

  • Was will man von Neoliberalen auch sonst erwarten?



    Die setzen doch schon immer eher auf Unterdrückung (=Polizeistaat), Überwachung, Steuererhöhungen für Bürger und "Freikaufen" (=Für Reiche gelten andere Regeln).



    Ist bei deutschen Vertretern dieser Ideologie auch nicht anders.

    Die allgemeine "Freude" darüber, dass die Neoliberalen bei der letzten EU-Parlaments-Wahl Zugewinne hatten, konnte ich auch schon nicht nachvollziehen... mir denen (inkl. vdL) stehen uns, den 99% normalen Menschen, doch sehr dunkle Zeiten bevor :-(

  • Es ist still geworden um die Macronisten hier in Deutschland und um die Gelbwestenverteufler. Und um diejenigen, die verhaftete Demonstranten in Moskau heulend verurteilten und hunderte inhaftierte Demonstranten in Frankreich beklatschen. Wo sind sie geblieben, die Anbeter eines EU-Messias? Und wo sind die Prediger der neoliberalen Alternativlosigkeit? Und nicht zuletzt die Verleumder , die Kritiker von Macron verteufelten?

  • "Und wenn die Steuer hoch genug wäre, um die Zahl der Fluggäste zu reduzieren, würde Fliegen zu einem Luxus, den sich nur Reiche leisten können. Das kann nicht die Lösung sein."

    Ich finde schon, dass Fliegen deutlich teurer werden muss, mit dem klaren Ziel, dass weniger geflogen wird. Es gibt Leute, die fliegen 36 mal im Jahr nach Barcelona "weils so billig ist" (Zitat aus einer Talkrunde). Das ist doch Schwachsinn! Auch Menschen mit Normaleinkommen werden weiter fliegen können, aber eben nicht 36 mehr im Jahr.

  • Richtig. Sehr richtig. Und doch -- jeder Dammbruch beginnt mit kleinen Rissen hier und da.

    Nicht meckern ist angesagt, sondern hier zuhause den Politis Damf unterm Arsch machen, dass sie sich nun auch trauen. Kerosinsteuer. Was auch immer. Und wie in Frankreich -- die Einnahmen in den Ausbau der Bahn zu stecken. Vielleicht ist dann die Steuer hier in DE ein Tick höher als in FR? Dann trauen sich andere?

    Wenn fliegen (endlich?) teurer ist als bahnfahren: dann wird weniger geflogen, und dann ist fliegen erst recht teuer. Das ist der Dammbruch wovor diese Industrie Angst hat. Lasst uns ihn herbeiführen.

    Ja, die Umstellung wird schmerzhaft. Ja, manche sind darauf wirklich angewiesen. Da muss sich zeigen, dass unsere Gesellschaft Solidarität kann.