Ökopartei im Richtungsstreit: Sind Grüne „Merkels Klatschverein“?
Die Grüne Jugend wirft der Partei vor, sich der Kanzlerin anzubiedern. Konservatismus sei in Baden-Württemberg erfolgreich, aber nicht im Bund.
Merkels „Wir schaffen das“ zu verteidigen, dürfe nicht dazu führen, die Unterschiede zwischen den Parteien zu verwischen und „Merkels Klatschverein auf der Oppositionsbank zu spielen“, heißt es einem Antrag des Vorstands der Grünen Jugend zum Bundeskongress der Organisation. „Mit Bauchpinseleien der Kanzlerin durch die Opposition gewinnt man kein Vertrauen in die Demokratie und erst recht nicht den Kampf gegen den Rechtspopulismus.“
Mit dieser Kritik zielt die Grüne Jugend auf Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, aber auch auf die Bundespartei und ihre Oppositionsarbeit. Die Grünen im Bund hatten in den vergangenen Monaten auf eine scharfe Profilierung verzichtet, um Kretschmann einen erfolgreichen Wahlkampf zu ermöglichen.
Von Teilen der Grünen werde immer wieder der Konsens in Krisenzeiten beschworen, heißt es in dem Antrag. Mit diesem Kurs sei auch eine Abmilderung der Oppositionsrolle, eine eher verhalten geübte Kritik an der Regierung und „vor allem eine Anbiederung an die Bundeskanzlerin“ einhergegangen. Kretschmann betont gerne, Konsens sei für ihn in Krisen „ein Wert an sich“.
Stagnation in Umfragen
Die Junggrünen weisen auf die Stagnation der Bundesgrünen in den Umfragen hin. Nach der Wahl 2013 hatten sich die Grünen vorgenommen, die bürgerliche Mitte stärker anzusprechen. Seither liegen sie in Umfragen bei 10 Prozent.
Es werde deutlich, dass ein konservativerer grüner Kurs nur in Baden-Württemberg Wahlerfolge bringe, „auf Bundesebene aber nicht wirklich überzeugt“, heißt es in dem Antrag. Insofern wehre man sich gegen jegliche Versuche, die Wahlergebnisse im Südwesten heranzuziehen, um eine konservativere Politik als neue Erfolgsstrategie zu legitimieren.
Die Grüne Jugend nimmt auch Bezug auf Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Einzelne Grünen-Politiker hätten versucht, sich mit „rechtspopulistischen, realitätsfernen Äußerungen“ zu profilieren. „Solche Vorstöße verurteilt die Grüne Jugend aufs Schärfste.“ Palmer hatte sich in Interviews für eine härtere Flüchtlingspolitik und die Sicherung der EU-Außengrenzen mit bewaffneten Grenzern ausgesprochen.
Als Beispiel für missglückten Konservatismus hebt der Antrag des Jugendvorstands die Asylkompromisse hervor, denen Kretschmann und andere von Grünen mitregierte Länder 2014 und 2015 zugestimmt hatten. „Damit haben einige Grüne eine Politik mitgetragen, die das Grundrecht auf Asyl einschränkt und rechtspopulistische Forderungen erfüllt.“
Den Antrag mit der Überschrift „Progressives Grün statt Liebäugeln mit dem Konservatismus“ will der Vorstand auf dem 46. Bundeskongress der Grünen Jugend beschließen lassen. Dieser findet vom 18. bis zum 20. März in Dortmund statt. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Antrag angenommen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!