Ökonom über Regierungspläne: „Eine weitere Runde im Steuersenkungsspiel“
„Wirtschaftsweiser“ Truger begrüßt, dass die Koalition Abschreibungen auf Investitionen erweitert. Bei der Körperschaftsteuer ist er anderer Meinung.

taz: Herr Truger, Unternehmen sollen bald weniger Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Das hat die Regierung am Mittwoch beschlossen, ab Donnerstag berät der Bundestag. Hilft das, um aus der Stagnation herauszukommen?
Achim Truger: Die Regierung will sofort die Investitionen von Firmen mittels Abschreibungen finanziell fördern. Das sollte wirken. Bei der geplanten Senkung der Unternehmensteuer ab 2028 bin ich skeptischer.
55, ist Mitglied im Sachverständigenrat für Wirtschaft, der die Bundesregierung berät. Er lehrt und forscht als Professor für Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen.
taz: Unternehmen können schon bald einen größeren Teil ihrer Investitionen von der Gewinnsteuer absetzen. Der Staat nimmt ihnen einen guten Teil der Kosten neuer Anlagen ab. Werden viele Betriebe auf dieses Angebot eingehen – angesichts der fragilen Lage der Weltwirtschaft?
Truger: Die Erfahrungen mit den Abschreibungen waren in der Vergangenheit günstig. Für die positive Wirkung spricht auch, dass sich die hiesige Konjunktur jetzt aufzuhellen scheint. Die Wirtschaftspolitik Donald Trumps in den USA verschreckt viele Unternehmen. Dadurch werden Investitionen in Deutschland neuerdings wieder attraktiver. Wobei ich aber ein Problem sehe: Die Investitionsförderung wird massiv Geld kosten, vor allem auch die Kommunen, die sowieso unter hohen Defiziten leiden. Diese kürzen deshalb schon jetzt ihre Leistungen für die Bevölkerung und ihre Investitionen zusammen. Das ist nicht nur schlecht für die Kommunen, sondern könnte den Wachstumseffekt der Steuersenkungen erheblich schmälern.
taz: Haben die Kommunen künftig nicht auch größere Spielräume? Sie erhalten doch einen guten Teil ihrer Mittel über die Bundesländer, die sich bald zusätzlich verschulden dürfen.
Truger: Bei der Mehrheit der Länder sind die Lücken ebenfalls groß. Diese können sie mit den zusätzlichen Krediten stopfen. Für mehr wird es aber kaum reichen. Unter dem Strich wird das Finanzpaket der Bundesregierung bei Ländern und Gemeinden nicht die expansive Wirkung entfalten, die gut wäre.
taz: Welche Lösung hätten Sie anzubieten?
Truger: Der Bund müsste die Einnahmeausfälle der Kommunen vorübergehend kompensieren.
taz: Ab 2028 soll auch der Satz der Körperschaftsteuer für Unternehmen schrittweise sinken, von 15 auf 10 Prozent. Die jahrzehntelange Tendenz, Firmen, Aktionäre und hohe Einkommen zu entlasten, setzt sich damit fort. Muss das sein?
Truger: Nein. Die Wirtschaftslobby war laut und bekommt nun wieder, was sie möchte. 2001 und 2008 wurden die Steuern auf Unternehmensgewinne bereits deutlich reduziert. Jetzt erleben wir eine weitere Runde im Steuersenkungsspiel. Mit weniger Steuern werden sich die Herausforderungen nicht bewältigen lassen. Und diese Politik hat eine verteilungspolitische Schieflage. Man kann doch bei den aktuellen Herausforderungen der „Zeitenwende“ nicht ständig das „Wir“ beschwören, und dann Aktionäre und Unternehmer an der Spitze der Einkommens- und Vermögensverteilung entlasten, während die Belastungen von den Menschen in unteren Einkommensregionen getragen werden. Was ist das denn für ein Verständnis von „wir“?
taz: Was halten Sie von der Begründung, Deutschland müsse die Steuern für Unternehmen verringern, weil etwa die USA, Großbritannien und Frankreich schon vorgelegt hätten?
Truger: Ja, so spielt man die Staaten gegeneinander aus. Die Wachstumswirkungen niedriger Firmensteuern werden oft überschätzt.
taz: Eine großzügige Förderung sollen Firmen bald auch erhalten, wenn sie neue elektrische Fahrzeuge anschaffen – Lastwagen, Transporter, aber auch Limousinen. Wieso legt die Regierung nicht ein Programm auf, das auch Privathaushalte beim Umstieg auf E-Mobilität unterstützt?
Truger: Das könnte man tun. Die Kaufprämie für Elektroautos, die bis Ende 2023 alle in Anspruch nehmen konnten, hat ja gewirkt – bis sie ganz plötzlich der Konsolidierungswut des ehemaligen FDP-Finanzministers Christian Lindner zum Opfer fiel. Aber das würde erheblich teurer als die Steuerabschreibung für E-Fahrzeuge in Unternehmen.
taz: Gehen Sie davon aus, dass die Koalition Steuerentlastungen für untere und mittlere Einkommen in die Wege leitet?
Truger: Zunächst will sie wohl die Strompreise senken, indem sie Milliardenbeträge aus dem Bundeshaushalt dazuschießt. Das käme besonders Haushalten mit niedrigen Einkommen zugute. Im Übrigen soll die Einkommensteuer für untere und mittlere Verdienste sinken, das steht aber unter Finanzierungsvorbehalt. Man sollte es daher austarieren und die Belastung für hohe Einkommen gleichzeitig etwas anheben.
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