Ökonom über Gemeingüter und Klimawandel: „Ein neues Verständnis der Fülle“
Als Maßnahme gegen den Klimawandel propagiert der Politökonom Lukas Warning „öffentlichen Luxus“ statt Verzicht. Kern der Idee ist eine Umverteilung.
taz: Herr Warning, wieso brauchen wir öffentlichen Luxus und nicht eher öffentliche oder gemeinschaftliche Genügsamkeit?
Lukas Warning: Es geht darum, dass wir für alle Menschen die lebensnotwendigen Dinge zugänglich machen. Unter öffentlichem Luxus verstehe ich hier: Wohnen, Energie, Bildung, Mobilität, Gesundheit und Sorge, aber auch Kultur, Parks und Pools. Die Idee ist öffentlicher Luxus und gleichzeitig private Suffizienz. Nur wenn wir Zugang zu guter Mobilität haben, verzichten Leute aufs Auto. Der Appell ist nicht „Wir müssen alle weniger“, sondern „Wir haben viel zu gewinnen, wenn wir es richtig organisieren.“ Mit Verzichtsdebatten sind keine Mehrheiten zu gewinnen.
Also erzählen die sozialen Bewegungen aus dem Bereich Klima & Co. die Geschichte vom Verzicht falsch?
Wo das passiert, werden soziale und ökologische Kämpfe fälschlicherweise gegeneinander ausgespielt. Dabei gibt es wirklich was zu gewinnen! Uns ist ja bewusst, dass zwischen den Begriffen „Luxus“ und „öffentlich“ erst einmal eine Spannung liegt, ein Kontrast, eine Provokation. Aber eigentlich finden wir, dass demokratisch verwaltete Gemeingüter was Geiles sind und privater Verzicht ohne öffentlichen Luxus eher ein Lifestyle bleibt, den man sich erst mal leisten können muss.
32, Politischer Ökonom, Mitgründer des Projekts „communia“, hat mit der BUND-Jugend das Buch „Öffentlicher Luxus“ herausgegeben.
Gelingt es Ihnen, auch bei den Veranstaltungen zu Ihrem Sammelband, Leute außerhalb einer links-grünen Blase anzusprechen?
Wir haben bislang verschiedenen Workshops für Aktivist*innen selbst gemacht: für Gewerkschaften, Verbände, soziale Bewegungen, aus den Bereichen Klima oder Armut. Da ging es um genau diese strategische Frage: Was sind die nächsten Schritte, die Inhalte in die breite Gesellschaft zu tragen? Das können wir nicht allein beantworten, sondern mit den Bewegungen. Unser Buch ist sehr anschlussfähig und nicht akademisch geschrieben. Trotzdem ist es kein Spiegel-Bestseller geworden. Das hat uns aber nicht überrascht, da es nur der erste Schritt zur Ausformulierung dieses Projekts ist.
Sie fordern die Vergesellschaftung öffentlicher Güter und den kostenlosen Zugang. Wie stellen Sie sich die Finanzierung vor?
Im Vorwort schreibt Nancy Fraser, dass es darum gehen muss, den Überschuss, der aktuell in die Profite privater Konzerne fließt, der Gesellschaft zugänglich zu machen. Für diese kollektive Aneignung, also für Umverteilung gibt es natürlich schon eine Reihe von Vorschlägen wie die Besteuerung von Erbschaften und Vermögen. Zudem wird es Einsparungen geben, wenn einige Ideen umgesetzt werden.
Was denn beispielsweise?
Wenn Mobilität kostenfrei wäre, bräuchte es keine Ticketsysteme, keine Verkehrsverbünde, keine Kontrolleur*innen, weniger Gefängnisplätze. Bisher gibt es kein fertiges Konzept, aber es braucht auch ein grundsätzliches Umdenken. Der Staat muss sich nicht verhalten wie ein privater Haushalt. Wir müssen weg von einer Logik der Knappheit zu einem Verständnis der Fülle.
„Öffentlicher Luxus“, 16. 4., 19 Uhr, F 61 – Raum im Hof, Fehrfeld 61–64, Bremen
Inwieweit haben Sie die Vorschläge mit der aktuellen politischen Realität gegengecheckt?
Eine Stärke des Projekts ist, dass das Ende des Kapitalismus durchscheint und eine andere Art zu wirtschaften vorstellbar wird. Wir wollen alles für alle – aber wir müssen darauf nicht warten, um anzufangen. Auch im jetzigen System sind autofreie Innenstädte und kostenloser Nahverkehr möglich. Wir können auch jetzt schon nach und nach radikale Ideen umsetzen und erlebbar machen.
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