Ökodorf in der Republik Moldau: Trockenklo und Zukunftslust
Moldau gilt als ärmstes Land Europas. Trotzdem setzen sich hier immer mehr Menschen für den Klimaschutz ein. Etwa in dem Ökodorf EcoVillage Moldova.
D ie schmale Straße nach Rîşcova führt entlang einer gelb blühenden Wiese, bevor sie das Ortsschild erreicht und sich durch den Ort schlängelt. Von der Hauptstraße, die als einzige geteert ist, führen unbefestigte Wege ins Dorf hinein. Eine Gänseherde quert die Fahrbahn. Eine Frau mit einem blumenbedruckten Kopftuch folgt ihnen. Zwei Jungen sausen auf dem Fahrrad hin und her. Alle Gärten sind üppig grün. Dahinter bellen Kettenhunde.
Am Dorfende wölbt sich linker Hand ein Holzbogen. „EcoVillage Moldova“ steht auf einem Schild daneben. Durch den Bogen und ein Tor betritt der Besucher einen blühenden Garten. Dahinter staffelt sich ein Gebäudekomplex eine Anhöhe hinauf. Auf dem Kiesweg wartet Liliana Botnaru, eine blonde Frau in einem Sommerkleid mit gebräunten Armen. Es ist heiß an diesem Tag, über 30 Grad Celsius.
Liliana Botnaru bittet in einen Rundbau. Sein dickes Reetdach lässt ihn wie einen Pilz aussehen. „Wir nennen es auch das Mushroom House“, sagt sie. Drinnen ist es angenehm kühl, eine Klimaanlage ist keine zu sehen. „Das liegt daran, dass die Wände aus Stroh und Lehm errichtet sind, beides sind Materialien, die eine ausgleichende und isolierende Wirkung haben.“ Außerdem sei die Außenfassade mit einer hellen Farbe gestrichen, die die Sonnenstrahlen reflektieren.
Botnaru deutet durchs Fenster auf die anderen Gebäude auf dem Gelände. Einige sind ockerfarben, andere weinrot gestrichen. „Mit der Farbwahl geben wir den Wänden eine eher kühlende oder wärmende Funktion und regulieren damit im Inneren die Temperaturen.“ So spare man Energie und Treibhausgase ein. Das EcoVillage steht exemplarisch für das Erwachen eines „grünen Bewusstseins“ in dem ärmsten Land in Europa, das trotz weniger Ressourcen Wege finden muss, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen.
Es handelt sich nicht nur um ein ökosoziales Wohnprojekt, sagt die studierte Ökonomin: „Wir sind eine Umweltbildungsstätte, die nicht nur ins Dorf, sondern über Kurse und die Anschaulichkeit des Ortes nach ganz Moldau hineinwirken will.“ Es gibt einen Seminarraum, in dem gemeinsam gelernt und gegessen wird, und einen Wintergarten, in dem Stroh auf dem Boden liegt. In einem Nebengebäude sind Zimmer mit Betten, ein Schlafsaal und Waschräume für Gäste, die mehrere Tage bleiben.
Botnaru hat internationale Wirtschaftsbeziehungen studiert, mehrfach die USA bereist und zu Themen der Entwicklungsarbeit gearbeitet. Die Mutter von drei Kindern gründete 2014 gemeinsam mit ihrem Mann und Freunden das EcoVillage. „Wir wollten der Klimakrise vor Ort mit konkreten Ideen entgegenwirken“, erklärt sie. „Deshalb haben wir einen Treffpunkt für Menschen geschaffen, die auch nach Lösungen suchen und dabei Teil eines Netzwerks sein wollen.“
Jetzt ist Liliana Botnaru mitten im Thema: In den vergangenen Jahren haben mehrfach Dürren das Land heimgesucht. Laut der moldauischen Anpassungsstrategie an die Klimakrise leidet das Land verstärkt unter Naturkatastrophen und Wetterextremen. Eine Riesenbedrohung für ein Land, in dem die Landwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftsmotor ist. Knapp 23 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten im Agrarsektor. In Deutschland sind es rund 2 Prozent.
Die Republik Moldau ist im Westen von Rumänien und im Osten von der Ukraine umschlossen, in ihr leben zweieinhalb Millionen Menschen. Der Kleinstaat gilt als das ärmste Land Europas. Im internationalen Entwicklungsindex liegt er auf Rang 80 von 191 gelisteten Staaten. Es mangelt dramatisch an Arbeitsplätzen, die Erwerbsquote ist mit gut 42 Prozent sehr niedrig. Vor allem die Jugend kehrt ihrer Heimat den Rücken und sucht ihr Glück im Ausland.
Erst mit dem russischen Angriffskrieg in der benachbarten Ukraine bekam Moldau eine geopolitische Bedeutung. Von den Kriegsfolgen ist es stark betroffen. Neben der Ankunft zahlreicher Geflüchteter war die Folge eine dramatische Erhöhung der Energiepreise. Nur dank beträchtlicher finanzieller Hilfe durch die EU im Jahr 2022 hat sich seine wirtschaftliche Lage etwas stabilisiert.
Für ein halbes Jahrhundert, von 1940 bis 1991, war Moldau der westlichste Rand der Sowjetunion. Erst mit deren Zerfall erlangte die Republik ihre Unabhängigkeit. Wer heute übers hügelige Land fährt, sieht, was das Land so attraktiv macht: Felder, Wiesen, Weinberge, Wälder, Gemüseäcker. Der moldauische Boden ist ein Schatz. Hier findet man Tschernoziom, die „schwarze Erde“, einen außergewöhnlich fruchtbaren Boden. Moldau war der Obst- und Gemüsegarten der Sowjetunion. Noch immer werden hier viel Früchte, Gemüse, aber auch Getreide angebaut.
Zum Bildungsprogramm des EcoVillage gehört auch der biologische Gemüseanbau. Liliana Botnaru schlägt einen Rundgang durch den Garten vor. Ihr Hund läuft mit. Blüten leuchten in allen Farben. Das Summen der Insekten erfüllt die Luft. Lavendel, Ringelblume, Basilikum, Tomaten, Borretsch, Rosen und Salate wachsen zwischen- und nebeneinander. Knoblauchpflanzen mit lilafarbenen, kugeligen Köpfen stehen neben weiß blühenden Erdbeeren. „Das ist ein Permakulturgarten, hier stärken sich die Pflanzen in ihren Eigenschaften“, erklärt Liliana Botnaru.
„Es ist ein Garten, der Bestäuber anzieht, aber auch Insekten, die Schädlinge vertilgen.“ Zwei mächtige Behälter fangen das Regenwasser für das Gießen auf. Wasserrückhalt ist in diesem Land zentral. 2017, 2018 und 2019 folgten in Moldau drei Dürrejahre aufeinander. „Wir haben 16 Prozent unserer Wasserressourcen verloren“, erzählt Botnaru. „Flüsse verlanden, Quellen versiegen.“ Auf dem Gelände gibt es deswegen nur Trockenklos.
Die Folgen der Klimakrise – und jetzt der russische Angriffskrieg in der Ukraine – stellen das Land energiepolitisch vor große Herausforderungen. Wie kann bezahlbare Energie bereitgestellt werden ohne das billige russische Gas? Es ist ein Wandel, weg von einer rein zentral organisierten Versorgung, hin zu einem Konzept, bei dem die Menschen sich als Teil dieser Wende verstehen und die eigenen Belange in die Hände nehmen.
Der Anspruch des Umweltbildungszentrums ist es dabei, möglichst kostensparende Antworten zu liefern. Nicht die teure Technologie stehe im Vordergrund, betont Liliana. „Wenn Leute Solarpaneele kaufen wollen, fragen wir: Wie könntet ihr vorher euren Energieverbrauch senken? Wenn Menschen ihr Haus isolieren wollen, empfehlen wir ihnen dafür Lehm, der ist günstig. Wir raten, Bäume rund ums Haus zu pflanzen, um das Mikroklima zu verbessern.“
Der Ort spricht dabei für sich. Viele Elemente der Zukunft – Gemeinschaftsräume, Solarthermie, Photovoltaik, Pelletheizung, Wärmedämmung, natürliche Materialien, schonender Umgang mit Rohstoffen – sind hier schon verbaut und kombiniert.
Das EcoVillage ist ein Projekt von EcoVisio, einem der größten Umweltschutzvereine des Landes. Der hat seinen Sitz in der Hauptstadt Chișinău. Gegründet wurde er unter anderem von Julian Gröger. Der 42-jährige Deutsche mit dem Wuschelkopf und dem jungenhaften Lachen stammt aus Schleswig-Holstein. Für Osteuropa begeistert er sich seit Langem. Studiert hat er Kulturwissenschaft und Umweltmanagement, unter anderem in Krakau. Seinen Zivildienst hatte er als junger Mann in Rumänien absolviert und war im Anschluss für die Bosch-Stiftung in Chișinău tätig.
Vor sechs Jahren ist er mit seiner Familie nach Moldau gezogen, in das Heimatland der Mutter seiner beiden Kinder, und arbeitet als Umweltaktivist. „In EcoVisio steckt aus gutem Grund das Wort ‚Visio‘“, sagt Gröger. „Wir arbeiten an einer Vision, die wir Moldotopia 2040 nennen.“ Moldau soll eine Modellregion für Nachhaltigkeit werden.
Zukunftschancen sieht er neben dem Agrarbereich auch bei Baustoffen. „Materialien, mit denen man klimafreundlich bauen kann, wie Holz, Lehm, Stroh, Reet, gibt es hier in ausreichender Menge und günstig.“ Zudem habe Moldau ein Riesenpotenzial für Solartechnik. Tatsächlich hat das Land eine Sonneneinstrahlung von mehr als 1.330 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr, also deutlich mehr als Deutschland.
Dennoch bleibt Julian Gröger Realist. „Wir stehen am Anfang, bei der Photovoltaik sind erst zwei Prozent ausgebaut“, sagt er. „Es liegt noch viel Arbeit vor uns, das fängt bei der Abfallwirtschaft an, beim Konsumverhalten, bei der Energieeffizienz.“ Das Dämmen von Häusern wäre so ein Punkt. Tatsächlich liegt der durchschnittliche Energieverbrauch eines Wohngebäudes in der Republik Moldau mit rund 172 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt in der EU.
„Wir sind immer noch dabei, den Klimawandel als globales Phänomen zu erklären“, berichtet Gröger. „Wenn sie den Begriff,Umwelt' hören, denken viele Menschen hier nur an ihre lokale Umgebung.“ Doch die Nachfrage nach Information zum Thema steige, so Gröger. „Inzwischen haben wir wöchentlich Gäste in unserem Bildungszentrum in Rîşcova, auch aus den Nachbarländern.“ Sein Traum: Best-practice-Beispiele für einen nachhaltigen Wiederaufbau der Ukraine mitzuentwickeln.
2020 setzte sich die Europa zugewandte Maia Sandu bei der Präsidentschaftswahl gegen ihren prorussischen Konkurrenten durch. Als eine der ersten Politikerinnen des Landes thematisierte sie die Klimakrise innenpolitisch. 2021 stimmten die Moldauer für eine Reformregierung.
Zu deren Wahlprogramm gehört der proeuropäische Kurs, die Korruptionsbekämpfung und eine Justizreform. „Vorher, zwischen 2015 und 2020, waren wir ein von Oligarchen gekaperter Staat, die Zivilgesellschaft wurde repressiv behandelt“, erinnert sich Gröger. „Jetzt haben wir keine Angst mehr, Aktivisten zu sei, wir haben Freunde im Parlament, ein Vorstandsmitglied von uns ist Energieminister geworden, und im Energieministerium spricht man von Dekarbonisierung.“
Das Problem seien eher die Finanzen. „Wir müssen immer auf europäische Fonds zurückgreifen, bei denen die Mittel projektgebunden sind. Das macht die Arbeit schwierig, weil man sich dann immer von Projekt zu Projekt hangelt.“ Vor allem aus Schweden, Deutschland und den USA kämen Gelder.
Im Juni 2022 hat die EU Moldau den Kandidatenstatus zuerkannt. Seit der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens und dem Inkrafttreten eines vertieften Freihandelsabkommens ist die EU das wichtigste Exportziel für Agrarerzeugnisse wie Wein und Walnüsse, aber auch Textilien und IT-Produkte. Auch wenn der Weg bis zu einer vollständigen Angleichung an den EU-Gesetzesrahmen noch ein weiter ist: Schon der Status als Beitrittskandidat stärkt dem demokratischen Lager den Rücken. Er ist ein Signal nach innen, aber auch nach außen und gibt interessierten Investoren eine Orientierungshilfe.
Am Boulevard Ștefan Cel Mare, dem früheren Boulevard Lenin, liegt das Umweltministerium. Hier, in der 10. Etage, sitzt an einem langen Verhandlungstisch Rodica Iordanov. Es ist Samstag, trotzdem hat sich die moldauische Umweltministerin für ein Interview Zeit genommen.
Bevor sie ihr Amt antrat, hat die Juristin an der Universität zu Umweltrecht gelehrt und die Nichtregierungsorganisation EcoContact gegründet, einen Verein mit Fokus auf die Umweltgesetzgebung. Projekte wie das EcoVillage, die von der Zivilgesellschaft ausgehen und in sie hineinwirken, begrüßt Iordanov. „Nicht nur Gesetze müssen sich im Land ändern, sondern auch die Denkweisen.“ Das Misstrauen gegenüber den politischen Eliten ist in Moldau groß. Daher agiert das Umweltministerium nicht nur gemeinsam mit der Wissenschaft, sondern auch mit Umweltschutzvereinen wie EcoVisio, die Bildungsarbeit übernehmen.
1998 Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU tritt in Kraft.
2011 kündigt die EU-Kommission ein umfangreiches Freihandelsabkommen mit Moldau an.
2014 ratifiziert das moldauische Parlament ein Assoziierungsabkommen mit der EU.
März 2022, nach Russlands Angriff auf die Ukraine, stellt Moldau ein EU-Beitrittsgesuch.
Dezember 2023 beschließt der Europäische Rat Beitrittsgespräche mit Moldau und der Ukraine.
Eine Untersuchung der NGO zeigt, dass das Interesse der Allgemeinbevölkerung an Klima- und Umweltfragen zunimmt, wobei die Menschen zunehmend Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen suchen und nicht nur die Meinung von Familienmitgliedern oder Freunden.
Eines der ehrgeizigsten Ziele der Umweltministeriums ist die Aufforstung des Landes, um dem Wassermangel entgegenzutreten. Nur rund 11 Prozent des moldauischen Territoriums sind von Wald bedeckt. „In den kommenden zehn Jahren wollen wir die Fläche auf 25 Prozent ausweiten.“ Die bestehenden Wälder sollen strenger geschützt werden. Das helfe auch den vielen Wildtieren, die vor den Kämpfen in der Ukraine über die Grenze nach Moldau geflüchtet seien. „Wir müssen dafür sorgen, dass diese Tiere Nahrung und genügend Lebensraum haben.“
Das EcoVillage will im Ort nicht Fremdkörper, sondern Teil der Gemeinschaft sein. Fast alle Bewohner in Rîşcova haben einen Gemüse- und Obstgarten, mit dem sie nicht nur sich selbst versorgen, sondern auch ihr Einkommen aufbessern. So auch Aurica Bugniak, die mit ihrer Familie in einem der ältesten Häuser des Dorfes lebt. Es ist in traditioneller Holzbauweise errichtet, in leuchtendem Blau, Grün und Rot gestrichen und mit Schnitzereien verziert. Neben ihrem Beruf als Kindergärtnerin baut Aurica Bugnia vorwiegend Kartoffeln an. „Rîşcova ist berühmt für seine Kartoffeln“, sagt sie.
Doch zu Sowjetzeiten habe das Regime das Land als Experimentierfeld für landwirtschaftliche Chemikalien genutzt. Sie erinnert sich: „Damals ging es immer darum, das schönste und haltbarste Obst und Gemüse zu erhalten.“ Diese Denkweise sei noch in vielen Köpfen verankert. „Aber ich hätte viel lieber ökologischen Anbau betrieben“, sagt sie. Aber erst als der Verein EcoVisio das EcoVillage gründete, konnte sie ihren Wunsch realisieren.
2019 nahm Bugniak als eine von fünf Landwirt:innen aus Rîşcova an einem im EcoVillage organisierten Pilotprogramm für ökologischen Landbau teil, sagt sie. EcoVisio finanziert ihre Praxisschulung und stellte zusätzlich Geld zur Verfügung, damit sie schrittweise auf ökologische Anbaumethoden umstellen konnte. Vor Kurzem hat Aurica Bugniak ihr Zertifikat für ökologischen Landbau vom Landwirtschaftsministerium erhalten. Sie ist stolz: „Es war ein langer und bürokratischer Prozess, aber jetzt ist es so weit.“
Über ihr neues Netzwerk hatte sie auch von dem einzigen Bio-Wochenmarkt in Chișinău erfahren, wo sie nun jede Woche ihr Obst und Gemüse verkauft. Ihre Kartoffeln seien zwar doppelt so teuer wie die chemisch behandelten. „30 bis 35 Lei pro Kilo“, berichtet sie, das sind knapp 2 Euro. „Aber es gibt Leute, die zahlen das.“ Ihre Kunden seien die urbane Mittel- und Oberschicht, für die zunehmend gesunde Lebensmittel eine Rolle spielten.
Was ihr an Ware übrig bleibt, spendet Aurica Bugniak an Katalyst Kitchen, einen Food Hub. Diese Initiative ist nahe dem EcoVillage in einer ehemaligen Schweinefarm untergebracht. Auf dem Gebäude glänzt ein neues Wellblechdach. Im Inneren findet sich eine makellos saubere Küche mit modernen Gerätschaften. Die Mitglieder der dörflichen Kleinbauern-Kooperative können hier ihre Ernte zu marktfähigen Produkten verarbeiten. Zudem finden kulinarische Trainings und Kochkurse mit Kindern statt.
Die Katalyst Kitchen spielt auch eine aktive Rolle in der Flüchtlingshilfe. Sie beliefert 2.000 ukrainische Familien in Chișinău mit Obst und Gemüse, und jeweils zwei Lastwagen pro Woche starten von hier aus nach Odessa, um dort Binnenflüchtlinge mit Essen zu versorgen.
Der Abend ist über das Dorf herabgesunken. Im blauen Licht der Dämmerung schwirren Hirschkäfer durch die Luft. Lilianas 12-jährige Tochter steht im Garten des EcoVillage und sieht sich um, hält sich beide Hände über den Kopf. Sie mag es nicht, wenn sich die großen Insekten mit ihrem „Geweih“ in ihren Haaren verfangen. Dass diese Käfer in Deutschland auf der Roten Liste stehen, weiß sie nicht.
Für sie gehören sie zum Alltag, genau wie die wilden Blumen, die rund ums Dorf hüfthoch stehen. Und wie die Kühe, die zu ihrem Ärger auf dem Sportplatz weiden. Liliana und ihre Mutter Claudia gießen die Pflanzen. Claudia schneidet Kräuter und legt sie zum Trocknen in einen Schrank auf Holzroste. Dann schließt sie für die Nacht das Tor.
Keine Frage, die Republik Moldau steht vor einem Haufen Probleme, sowohl geopolitisch als auch innenpolitisch. Das Land klafft seit 33 Jahren wie ein kaputter Reißverschluss auseinander. 1991 hatten sich die Russen Transnistrien einverleibt, das linke Ufer des Dnjestr, eine Region, die innerhalb der international anerkannten Grenzen von Moldau liegt. In diesem von keinem Staat der Welt anerkannten Land hat Russland Soldaten stationiert und lagert Waffen in unbekannter Menge. Und solange der Ausgang des Krieges in der Ukraine ungewiss ist, werden nur wenige Investoren angelockt werden. Aber in diesem Meer der Unsicherheit ruht das EcoVillage wie eine Insel der Zukunftslust.
Mitarbeit: Mihail Nesteriuc und Isabelle de Pommereau
Die Recherche wurde vom Institut für Demokratie, Medien und Kulturaustausch e. V. unterstützt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“