Oberhauswahl in Japan: Rechter Tiefschlag für Regierungskoalition
Der konservative Premierminister Shigeru Ishiba will trotz des Verlusts der Parlamentsmehrheit im Amt bleiben. Das könnte zunächst funktionieren.

Ungeachtet seines zweiten Wahldebakels in neun Monaten – im Herbst hatte er schon im Unterhaus die Mehrheit verloren – will er aber im Amt bleiben. Er werde das Ergebnis „demütig hinnehmen“ und „weiterhin Verantwortung für nationale Angelegenheiten übernehmen“, erklärte Ishiba unter Verweis auf die laufenden Verhandlungen mit den USA über ein Zollabkommen. Ohne Vertrag tritt zum 1. August ein US-Einfuhrzoll von 25 Prozent auf alle japanischen Waren in Kraft.
Bei der Neuwahl von 125 der 248 Sitze des Oberhauses verpasste die Regierungskoalition aus Liberaldemokratischer Partei (LDP) und buddhistischer Komei-Partei das selbstgesetzte Ziel nur knapp, ihre bisherige Mehrheit in der zweiten Parlamentskammer zu behalten- Am Ende fehlten nur drei Sitze.
Die LDP dürfte nun versuchen, zum Ausgleich einige unabhängige Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Aber selbst falls dies gelingt, steht die Regierung weiter auf wackeligem Grund. Die erstarkte Opposition könnte Ishiba jederzeit über ein Misstrauensvotum stürzen.
Ishiba auch innerparteilich unter Druck
Auch droht dem 68-Jährigen ein Aufstand innerhalb der eigenen LDP, die seit 70 Jahren Japan fast ununterbrochen regiert und immer mindestens eine Parlamentskammer kontrollierte. Das konservative LDP-Schwergewicht Taro Aso sagte, er könne Ishiba als Premier „nicht akzeptieren“.
Vorerst scheinen mögliche Nachfolger aber erst einmal in Deckung zu bleiben. „Niemand will Ishiba in dieser für die LDP so schwierigen Zeit ersetzen“, sagte der Politologe Masahiro Iwasaki von der Nihon-Universität der Agentur Kyodo.
Japanische Medien führen die Niederlage auf die Unzufriedenheit vieler Wähler mit den seit drei Jahren sinkenden Reallöhnen durch die hohe Inflation und die starke Zunahme an ausländischen Arbeitskräften und Touristen zurück. Davon profitierten zwei junge, rechtspopulistische Parteien am meisten. Die erst fünf Jahre alte Sansei-Partei erhöhte die Zahl ihrer Sitze im Oberhaus von zwei auf 14 und die Demokratische Partei für das Volk von 9 auf 17.
Zusammen erhielten sie in absoluter Zahl mehr Stimmen als die LDP. Dagegen konnte sich die größte Oppositionsgruppe, die Konstitutionelle Demokratische Partei von Ex-Premier Yoshihiko Noda, kaum verbessern.
Die Sansei-Partei zog mit dem offen fremdenfeindlichen Slogan „Japaner zuerst“ in den Wahlkampf und warf der Regierung eine Politik der „verdeckten Einwanderung“ vor. Die Zahl der im Land wohnenden Ausländer wuchs im Vorjahr um 10 Prozent auf knapp 4 Millionen, gerade einmal 3 Prozent der Bevölkerung.
„Wut auf das System der Silberdemokratie“
Migranten, die wegen der alternden und schrumpfenden Bevölkerung als Arbeitskräfte angeworben werden, würden die soziale Harmonie im Land stören, meint die Sansei-Partei. Ihr Gründer Sohei Kamiya nannte die Alternative für Deutschland und andere rechte Parteien in Europa als seine Vorbilder.
Die rechtskonservative Demokratische Partei für das Volk mit ihrem charismatischen Chef Yuichiro Tamaki ist nun die drittstärkste Kraft im Parteiensystem, was ihrer Forderung nach Steuersenkungen Nachdruck verleiht.
„Beide rechte Parteien konnten die Wut der jüngeren Generationen auf das politische System der Silberdemokratie – Silber bezieht sich auf die Haarfarbe von Senioren – und eine Wirtschaft mit steigenden Lebenshaltungskosten und stagnierenden Löhnen für sich nutzen“, meinte der US-Analyst Tobias Harris.
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