Obduktionen von Coronatoten: Schwarze Lungen
In Kiel wurden für eine Coronastudie Verstorbene obduziert. Das Ergebnis: Die meisten Opfer sterben an, nicht mit Covid 19.
Die aktuellen Ergebnisse aus Schleswig-Holstein zeigen, dass die meisten Toten, die mit dem Coronavirus infiziert waren, auch tatsächlich an der Krankheit starben. Eine Besonderheit dieser Studie ist, dass auch Menschen obduziert werden, die zu Hause oder im Pflegeheim starben. Möglich ist das, weil das Land die Behandlungen bezahlt.
Sterben Menschen an oder mit Corona? Diese Frage wurde vor allem zu Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr heiß diskutiert. Am Hamburger Universitätsklinikum-Eppendorf (UKE) hatte der Rechtsmediziner Klaus Püschel früh begonnen, Verstorbene zu untersuchen, die mit dem Coronavirus infiziert waren.
Laut seinen Ergebnissen, die er im April 2020 bekannt machte, hatten alle Verstorbenen mindestens eine Vorerkrankung. Das Durchschnittsalter lag bei 80 Jahren. Tödliche Verläufe der Krankheit seien selten, solange die Kliniken nicht überlastetet seien, lautet ein Fazit von Püschel und seinem Kollegen Martin Aepfelbacher vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene am UKE, das sie im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichten. Betroffen seien „bei aller individuellen Tragik, Personen, die bereits zuvor körperlich kompromittiert waren“.
Christoph Röckens Studie zeigt nun, dass sich unter 42 Fällen „nur bei vier Personen keine Covid-19 assoziierte Todesursache“ fand. Besonders die Lunge sei auf eine charakteristische Weise betroffen, zudem seien oft Embolien zu finden. Den Widerspruch zu Püschels Ergebnissen erklärt er trocken damit, dass „Rechtsmediziner eine ganz andere Ausbildung haben als die Pathologen“.
Erst die feingewebliche Untersuchung offenbare die „Möglichkeit zu unterscheiden, ob Veränderungen der Lunge auf Covid 19 oder konkurrierende Krankheiten zurückzuführen sind“. Über 60 Prozent der in Kiel untersuchten Verstorbenen waren männlich. Der älteste war 95 Jahre alt, der jüngste 53. Keineswegs gab es nur multimorbide Ältere unter den Toten, sondern auch Personen, die „mitten im Leben standen“. Gerade diese Erfahrungen „machen demütig“, sagt Röcken.
Im vergangenen Jahr warnte das Robert-Koch-Institut (RKI) davor, Covid-Infizierte überhaupt zu obduzieren – wegen des Ansteckungsrisikos. Doch bundesweit gab es dagegen Proteste von Pathologen, auch von Röcken: „Gleich zu Beginn der Pandemie war für mich klar, dass wir möglichst viele Informationen brauchen.“
Inzwischen wird bundesweit geforscht, 34 Universitätskliniken haben sich zum Forschungsnetzwerk „Autopsien bei Pandemien“ zusammengeschlossen. Doch in Schleswig-Holstein gibt es eine Besonderheit: Röcken gelang es, nicht nur den Vorstand des Uniklinikums, sondern auch das Gesundheitsministerium davon zu überzeugen, wie wichtig die Datensammlung ist. So zahlt das Ministerium die Obduktionen, es geht um einen Betrag von rund 1.100 Euro pro Leichnam plus Transportkosten.
Schleswig-Holstein ist aktuell das einzige Bundesland, in dem das passiert. „In anderen Bundesländern trägt meist die Universitätsklinik die Kosten“, berichtet Röcken. Allerdings sind damit nur die Personen im Blick, die dort verstorben sind. „Damit sind wir blind im ambulanten Sektor.“ In Schleswig-Holstein dagegen kommen auch Personen für eine Obduktion infrage, die im eigenen Zuhause oder einem Pflegeheim versterben.
Die Studie wird fortgesetzt. Auch für Angehörige sei es oft wichtig, die genaue Todesursache zu erfahren, glaubt der Pathologe. Da nur Proben entnommen werden, kann der Körper nach der gründlichen Überprüfung mit allen Organen bestattet werden.
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