Obdachlosigkeit in Berlin: Schutz bis zum Frühstück
Die Kältehilfe startet mit 1.000 Notschlafplätzen für Obdachlose. Verbände fordern mehr Unterstützung für EU-Bürger*innen.
In der Kältehilfe geht das nicht, hier müssen die Menschen nach dem Frühstück gehen, dürfen erst am Abend wiederkommen. Seit Montag gibt es 1.000 solcher Notübernachtungsplätze, zudem Essenausgaben und Waschmöglichkeiten, im Oktober war man mit 500 Plätzen in die „Vorsaison“ gestartet. Alle Angebote sind in der Kältehilfe-App gebündelt.
Das Notsystem wurde 1989 zunächst von Kirchengemeinden eingerichtet, inzwischen ist es ein jährlich wachsendes Hilfesystem mit zahlreichen Trägern und aufrechterhalten von Tausenden Ehrenamtlichen. Im vorigen Winter gab es 1.200 Betten, das war Rekord, diesen Winter sollen es bis zu 1.500 werden. Seit gut zehn Jahren beobachten die Helfer eine stete Zunahme von ausländischen Obdachlosen, oftmals EU-Bürger*innen aus Ost- und Südosteuropa, die bei der Arbeitssuche scheitern oder unter ausbeuterischen Verhältnissen schuften. In vielen Notübernachtungen machen sie inzwischen die Mehrheit der „Gäste“ aus.
Um etwas gegen den steigenden Bedarf an Nothilfe zu tun und Obdachlosigkeit wie im Masterplan von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) angekündigt bis 2030 zu beenden, braucht es nach Auffassung der LIGA neben mehr bezahlbaren Wohnungen vor allem eine bessere Unterstützung obdachloser Menschen.
Bezirke könnten mehr unterbringen
Diese Forderung zielt vor allem auf die Bezirke, die für die Unterbringung Wohnungloser zuständig sind. Noch immer hätten die meisten nicht verstanden, dass sie in der Pflicht sind, mehr ganztägig geöffnete Unterbringungsplätze mit Beratung anzubieten, sagt Schlimper. Als löbliche Ausnahme nannte sie Charlottenburg-Wilmersdorf. Svenja Ketelsen, Leiterin der Frostschutzengel, kritisierte, dass die Bezirke noch immer nicht in der Lage seien, angemessen mit wohnungslosen EU-Bürger*innen umzugehen. Die Frostschutzengel sind eine Beratungseinrichtung der Gebewo-Soziale Dienste, die aufsuchende mehrsprachige Hilfe und Beratung anbietet*. „Bestehende Ansprüche auf Unterbringung werden von den Bezirken regelmäßig verwehrt“, erklärte Ketelsen.
So kursiere in den sozialen Wohnhilfen der Bezirke immer noch die Auffassung, man müsse wohnungslose EU-Bürger*innen nur dann unterbringen, wenn sie Sozialleistungen von den Jobcentern, etwa Mietkostenzuschuss oder -erstattung, bekommen. Diesen Anspruch hätten allerdings nur die wenigsten EU-Bürger*innen, so Ketelsen. „Das Recht auf Unterbringung ist aber nicht geknüpft an das Recht auf Sozialleistungen“, betonte sie. Die Sozialverwaltung teile diese Rechtsauffassung, es gebe dazu auch immer mehr diesbezügliche Gerichtsurteile. Die Bezirke setzten das aber meist erst um, „wenn wir intervenieren“.
Häufig würden hilfesuchende EU-Bürger*innen für einen Schlafplatz an die Kältehilfe verwiesen. Oder sie würden weggeschickt mit der Aufforderung, einen Dolmetscher mitzubringen, berichtete Ketelsen – anstatt dass die Bezirks-Mitarbeitenden Dolmetscher-Dienste oder Übersetzungs-Apps in Anspruch nehmen. Oft würde auch nur eine „Rückkehrberatung“ angeboten – ungeachtet dessen, ob die Betreffenden das überhaupt wollen.
Ketelsen betont, dieser Umgang mit wohnungslosen EU-Bürger*innen sei zynisch. „Es gibt einen Bedarf an Arbeitskräften aus der EU, aber im Moment der Hilfsbedürftigkeit lassen wir sie allein.“
*in einer ersten Version des Textes stand fälschlicherweise, dass die Frostschutzengel ein Verein sind. Richtig ist, dass sie zur Gebewo-Soziale Dienste Berlin gGmbH gehören. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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