OEZ-Anschlag in München: Es war rechter Terror
Drei Jahre galt der neunfache Mord am Olympia-Einkaufszentrum als „Amoklauf“. Nun wurde der Abschlussbericht vorgelegt.
Am 22. Juli 2016 zog S. los und ermordete am Münchner Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen mit Migrationshintergrund, fünf weitere wurden verletzt. Am Ende erschoss er sich selbst. Als rechts motiviert wollte die bayerische Staatsregierung das Verbrechen jedoch nicht gelten lassen.
Gewiss, der 18-Jährige habe eine rechtsextremistische Gesinnung gehabt, für seine Tat sei sie jedoch nicht ausschlaggebend gewesen, diese sei nicht politisch motiviert gewesen. Hauptmotiv für den „Amoklauf“ sei Rache für jahrelanges Mobbing gewesen. Etliche Gutachter sahen das anders. Ihnen zufolge handelte es sich bei der Tat um ein sorgsam geplantes, rechtsextremes Hassverbrechen, um einen Terroranschlag.
Die Einordnung des Attentats spielt auch für die Kriminalitätsstatistik eine bedeutende Rolle: Neun Morde mehr oder weniger haben natürlich auch eine signifikante Auswirkung auf die Einschätzung der allgemeinen Bedrohung von rechts. Vor allem Grüne und SPD im bayerischen Landtag machten immer wieder darauf aufmerksam, dass das Attentat als „Politisch Motivierte Gewaltkriminalität rechts“ eingestuft werden müsse.
Viola Schmidt, Amadeu-Antonio-Stiftung
Mehr als drei Jahre nach dem Anschlag ist dies nun geschehen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann legte dem Bayerischen Landtag jetzt einen Abschlussbericht zu den jüngst abgeschlossenen Ermittlungen und Bewertungen des Bayerischen Landeskriminalamts vor. Die nun erfolgte Einstufung als politisch motivierte Tat sei „unter Würdigung aller Umstände in der Gesamtschau folgerichtig“, ließ Herrmann per Pressemitteilung verlauten – nicht ohne einschränkend anzufügen: „Auch wenn die Ermittlungen ein ganzes Bündel an Motiven zutage gefördert haben, hatte der Täter zweifelsohne auch rassistische Beweggründe.“
Spurenverfolgung bis in die USA
Auch von einer „unheilvollen Kombination verschiedener Ursachen“, spricht Herrmann. Beim Täter, dessen iranische Eltern Flüchtlinge gewesen seien, hätten persönliche Mobbing-Erlebnisse durch Mitschüler mit deutscher, deutsch-türkischer, polnischer, serbischer und bosnisch-herzegowinischer Nationalität in der Schule ebenso eine gewichtige Rolle gespielt wie „massive persönliche Störungen und schwere soziale Defizite“. Daraus habe sich ein Hass gegen Türken sowie eine gewisse Identifikation mit rechtsmotivierten Attentätern wie dem Norweger Anders Breivik ergeben.
Herrmanns Fazit: „Selbstverständlich müssen und werden wir jegliche Ansätze des Rechtsextremismus vehement bekämpfen. Wir müssen aber auch Mobbing und massive psychologische Probleme im Auge behalten. Auch das kann sich zu einer Fremdgefährdung entwickeln.“ Die Ermittlungen waren laut Herrmann äußerst komplex und konnten daher erst vor kurzem abgeschlossen werden. Man habe Spuren bis in die USA verfolgt.
Bei der Opposition zeigt man sich erleichtert, dass es nun doch noch zu einem Wandel der Einschätzung der Ermittler kam. „Die Einstufung des schrecklichen OEZ-Attentats als politische Kriminalität von rechts war überfällig“, sagt etwa Oppositionsführerin Katharina Schulze von den Grünen. Sie sei „richtig und wichtig, um die Dimension des Rechtsterrorismus in Bayern aufzuzeigen und dessen Bekämpfung konsequenter angehen zu können“. Auch bei den Angehörigen der Opfer würde so eine lange klaffende Wunde geschlossen.
Ähnlich sieht es Florian Ritter, der Sprecher zur Bekämpfung von Rechtsterrorismus der SPD-Landtagsfraktion: „Es wurde höchste Zeit, diese Tat eines Rechtsradikalen auch als solche anzuerkennen. Dass die Staatsregierung so lange für diese Erkenntnis gebraucht hat, ist dem Kampf gegen Rechtsradikalismus allerdings nicht gerade zuträglich.“ In der Vergangenheit sei die Staatsregierung oftmals auf dem rechten Auge blind gewesen. „Es bleibt zu hoffen, dass die Gefahr des Terrors von Rechts jetzt endlich ernst genommen wird.“
Viola Schmidt, Sprecherin der Amadeu-Antonio-Stiftung, sieht zudem Parallelen zum Attentat von Halle: „Die Gefahr von allein agierenden, rechtsextremen Attentätern, die sich in Online-Foren radikalisieren und sich an internationalen Rechtsterroristen orientieren, hätte schon viel früher erkannt werden müssen“, sagt sie in einem Statement der Stiftung. Die Entscheidung der bayrischen Behörde ließe hoffen, dass „in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus ein Umdenken“ eingesetzt hätte und die „Gefährdungslage in Zukunft realistischer eingeschätzt“ werde.
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