piwik no script img

Novemberhilfe für Corona-AusfälleUnbürokratisch und nicht ganz fair

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Betriebe und Soloselbständige bekommen Umsatzausfälle wegen Corona erstattet. Ohne Ungerechtigkeiten wird das nicht abgehen.

Im Mai protestierten Soloselbstständige gegen Löcher im Rettungsschirm Foto: F. Boillot/snapshot/imago-images

M an kann sich vorstellen, wie Restaurantbesitzer, Soloselbständige und auch Bordellbetreiber ein Dankgebet zum Himmel schicken, falls sie ihre Umsätze vom vergangenen Jahr einigermaßen steuerehrlich angegeben haben. Denn nach den Umsätzen von 2019 bemisst sich die staatliche „Novemberhilfe“, durch die Betriebe, die vom teilweisen Shutdown wegen Corona betroffen sind, eine Kompensation erhalten.

Diese Hilfe ist vergleichsweise unbürokratisch und sie ist zu begrüßen, weil etwa auch freiberufliche KünstlerInnen, BühnentechnikerInnen und andere KleinunternehmerInnen, die wenig Fixkosten haben, in den Genuss von staatlicher Unterstützung kommen. Das ist alles gut, klar ist aber auch: Ganz gerecht können diese Hilfen nicht sein. Zu komplex ist die Wirtschaft miteinander verzahnt, zu unterschiedlich sind betriebswirtschaftliche Rechnungen, zu heikel sind die Branchenabgrenzungen.

Nur wer nachweisbar direkt von den staatlich angeordneten Schließungen betroffen ist oder den betroffenen Betrieben zuarbeitet, der bekommt Geld. Aber was ist mit Einzelhandelsgeschäften in Ladenstraßen, die wegen Corona hohe Umsatzeinbußen haben? Was ist mit TaxifahrerInnen, HochzeitsfotografInnen, Reiseveranstaltern, die derzeit kaum etwas verdienen, aber nicht schließen müssen und daher keine Kompensation durch die „Novemberhilfen“ bekommen?

Ganz abgesehen davon sind die betriebswirtschaflichen Rechnungen unterschiedlich. Wer mit einer Schließung gleichzeitig hohe Kosten für Leihgebühren oder gelieferte Waren spart, freut sich über eine Erstattung von 75 Prozent des Umsatzausfalls, die nicht nach den eingesparten Kosten fragt.

Unbürokratische staatliche Hilfen produzieren immer Übergangene, erzeugen Neid und Ressentiments. Zumal die Bedarfslagen dahinter sehr unterschiedlich sein können: Der alleinerziehenden Theaterschauspielerin ohne Rücklagen gönnt man jede Hilfe, aber Kleinselbständige mit Großerbschaft im Rücken ernten schon mal einen missgünstigen Spruch, wenn sie von ihren Soforthilfen erzählen.

Jede staatliche Subvention und Kompensation muss begründet, gerechtfertigt und abgegrenzt werden, da es um Steuergelder geht. Wer umständliche und bürokratische Bedarfsprüfungen ablehnt, auch weil sie oft etwas Übergriffiges haben, der muss auch mit den Abbruchkanten und Ungerechtigkeiten leben können. Was unbürokratisch ist, kann nie für alle ganz fair sein. Für Klagen und Nachbesserungen ist ja immer noch Zeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Sowohl im Kommentar als auch im zugehörigen Artikel sät Frau Dribbusch Zweifel daran, dass der/die gemeine Selbständige ihre/seine Umsätze korrekt angibt. In beiden Texten ist das sogar der Einstieg ins Thema, obwohl es hier um ein anderes Thema geht.

    Was soll uns der tendenziöse Schlenker denn sagen? Dass Selbständige nur in Ausnahmefällen ihre Einnahmen korrekt versteuern? Als steuerehrliche Solo-Selbständige und ehemalige Journalistin bin ich darüber ziemlich fassunglos.

  • "Der alleinerziehenden Theaterschauspielerin ohne Rücklagen gönnt man jede Hilfe, aber Kleinselbständige mit Großerbschaft im Rücken ernten schon mal einen missgünstigen Spruch, wenn sie von ihren Soforthilfen erzählen."

    Eine verständliche Reaktion auf unverständliches staatliches Handeln.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    75% des Novemberumsatzes 2019 waren nicht immer 75% des ans Finanzamt gemeldeten Umsatzes. Das könnte oft das tatsächliche Problem bei den Staatshilfen sein.