Normalisierung rechter Parteien: Man gratuliert keinem Faschismus
Der Erfolg der Neuen Rechten offenbart eine Linie, die rot und straff sein sollte, aber blass und ausgeleiert auf dem Boden liegt wie ein Absperrband.
D er „Marsch auf Rom“ ist ziemlich genau einhundert Jahre her. Einhundert Jahre, seit Benito Mussolini im Oktober 1922 in Italien die Macht übernahm. Nun bin ich weder Historikerin noch kenne ich mich besonders gut mit dem politischen Italien aus.
Was ich aber weiß, ist, dass Mussolini eine totalitäre Diktatur errichtete. Dass Zeitungen verboten und Oppositionelle verfolgt wurden. Und dass Mussolinis Diktatur als Vorbild für viele weitere Faschisten galt, auch für deutsche Nazis und Adolf Hitler.
Was ich auch weiß, ist, dass einhundert Jahre später Spitzenpolitiker*innen, die sich sozialdemokratisch, liberal und feministisch nennen und sich den dazugehörigen Werten verbunden und verpflichtet fühlen wollen, Italiens neuer, ultrarechter Ministerpräsidentin und ihren Kabinettsmitgliedern zum Amtsantritt gratulieren.
Nun bin ich weder Politikwissenschaftlerin noch kenne ich mich besonders gut mit diplomatischen Konventionen aus. Was ich aber sehe, als eine, die die Welt beobachtet und sie beschreibt, ist eine Linie, die rot und straff sein sollte, aber blass und ausgeleiert auf dem Boden liegt wie ein vergessenes Absperrband.
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen twittert: „Herzlichen Glückwunsch an Giorgia Meloni zu ihrer Ernennung zur italienischen Premierministerin, der ersten Frau in diesem Amt“, als sei eine rechtsradikale Präsidentin eine feministische Errungenschaft. Bundeskanzler Scholz „freut sich“ auf eine „weiterhin enge Zusammenarbeit mit Italien“, Außenministerin Baerbock auf die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Amtskollegen, der übrigens findet, Mussolini hätte „positive Dinge getan“. Die Normalisierung von Faschismus als diplomatische Konvention.
Es sollte eigentlich schockieren
Für viele ist das keine Überraschung. Wie sollte es auch anders sein in einem Land, in dem man immer wieder das Gespräch mit Nazis sucht, wo man sich schon mal mithilfe von AfD-Stimmen zu Ministerpräsidenten wählen lässt, wo Linke mit Putin verhandeln wollen. Stimmt ja, es überrascht nicht. Deshalb schockiert es auch nicht mehr.
Sollte es aber, genau wie es noch immer schockieren sollte, dass die AfD im deutschen Bundestag sitzt. Es ist eine demokratische Aufgabe, wachsam zu bleiben, wenn die Grenzen des Sag- und Machbaren sich verschieben – besonders dann, wenn sich Gewöhnung und Resignation breitmachen.
Wie sollte es auch anders sein? Ich bin keine Politikerin, und das ist sicher kein leichter Job. Man sollte aber im Zweifelsfall eher Choreografien der Freundlichkeit über Bord werfen statt Haltung. Dass man öffentlich widersteht und keine Angst hat, als radikal zu gelten, wenn man etwas tut, das besonders in Deutschland völlig normal sein sollte – nämlich konsequent antifaschistisch zu sein.
Die blasse Linie sollte so rot sein, wie sie leichtfertig beschrieben wird. Und es sollte heißen: Wir gratulieren zu demokratischen Wahlen. Aber wir gratulieren niemals einem erstarkenden Faschismus.
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