Frauen und Faschismus: „Alice Weidel tanzt nicht“

Wie beeinflusst weibliche Wut die Weltgeschichte? Ein Gespräch über Frauen und Faschismus unter Freund*innen.

Alice Weidel, Landesvorsitzende der Partei Alternative für Deutschland, spricht beim Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg.

Wie sie wohl Rammstein findet? Alice Weidel beim Landesparteitag der AfD Baden-Württemberg im Juli Foto: dpa | Bernd Weißbrod

„Warum sind Frauen, die heute an die Macht kommen, Faschistinnen?“, fragt die Freundin am Isebek­kanal und schüttet sich Gin und Tonic in den Pappbecher.

„Doch nicht alle! Und wieso heute? Früher kamen gar keine an die Macht!“, sagt die andere.

Thatcher!“

„Diese angespannte Elizabeth aus dem 16. Jahrhundert, deren Leben ständig verfilmt wird, mit Cate Blanchett und so!“

„Cleopatra!“

„Cleopatra war ein echtes Arschloch!“

Eine andere Freundin kommt dazu und fragt: „Wieso treffen wir uns hier, sind wir jung, ist noch Sommer?“

„Milder Herbst und wir müssen sparen.“

„Ja, ja, die Energie, bald sind wir alle pleite!“

„Ich bin schon pleite, aber ganz allein meinetwegen!“

„Man muss sich auch mal Freude machen.“

„Ich guck’ mir die fressenden Pandas bei ­Instagram an, wenn es mir zu viel wird!“

„Das hilft?“

„Da denk ich zumindest nicht an Faschistinnen!“

Meloni?“

Wagenknecht.“

„Merkel war keine Faschistin.“

„Aber ’ne echt heikle Konservatistin.“

Der Freund zündet sich eine Tüte an und sagt: „Aber stimmt, um an die Macht zu kommen, musst du als Frau einfach richtig scheiße sein – mindestens eiskalt!“

„Als Mann aber auch!“

„Ach ja.“

„Und wegen der Natur des Mannes gibt es mehr Männer an der Macht oder was?!“

„Du warst noch nie gut in Mathe!“

„Das ist kein Mathe, das ist Gemeinschaftskunde!“

„Eigentlich ist es antike Soziobiologie“

„Hä?“

„Frauen konnten vormals nicht verhüten, waren bis zum Umfallen ständig schwanger oder im Wochenbett, da war es völlig egal, wie abgrundtief böse du warst, du kamst einfach nie raus aus den Mutterschaftsstrapazen.“

„Und warst du unfruchtbar, wurdest du gesteinigt oder aus der Stadt gejagt!“

„Den ganzen Frust haben die Mütter an den Söhnen ausgelassen, die dann Kriege angezettelt und den Faschismus erfunden haben.“

„Das heißt, die ganze Weltgeschichte ist geprägt durch weibliche Wut!?“

„Klar, Frauen sind nicht die besseren Menschen – liegt alles an den Umständen und an der Laune!“

Der Freund nahm einen kräftigen Zug: „Als meine Mutter wieder anfing, Vollzeit zu arbeiten, hörte sie sofort auf, passiv und aktiv aggressiv zu mir zu sein, ich bekam genug Liebe, mein Vater fing an zu puzzeln, das Klima zu Hause wurde grandios.“

„Aber dein Zuhause ist nicht die ganze Welt!“

„Jedes Zuhause ist die ganze Welt!“

„Was ist mit der finnischen Ministerpräsidentin?“

„Was soll mit ihr sein?“

„Die wirkt ziemlich gut gelaunt!“

„Und ist keine Faschistin!“

„Woher weißt du das?“

„Na, sie hat doch getanzt.“

„Du meinst, Faschistinnen tanzen nicht?“

„Stell dir Alice Weidel tanzend vor!“

„Zu welcher Musik?“

„Ich kann es mir nicht mal zu Rammstein vorstellen.“

„Hitler?“

„Auch nicht.“

„Wagenknecht?“

„Null.“

„Woran liegt das?“

„Extremisten tanzen nicht, sie marschieren höchstens zu Musik.“

„Und sie sind nicht selbstironisch.“

„Sie gehen zum Lachen nicht mal in den ­Keller.“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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