Nordkorea-USA-Gipfel: Trumps Ablenkung
Vor seinem Treffen mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un wirbt US-Präsident Donald Trump mit der Aussicht auf gelockerte Wirtschaftssanktionen.
Trump bildet sich ein, dass er Kim, dessen Land eine neue Hungersnot droht, mit der Aussicht auf Lockerung der Sanktionen auf seine Seite ziehen kann. Aber ein klares Gipfelziel für Hanoi definierte Trump nicht. Stattdessen ließ er Kim viel Spielraum bei der Ausgestaltung der „Denuklearisierung“, um die es offiziell geht. „Solange sie keine weiteren Atombombentests machen, gibt es keinen Grund zur Eile“, sagte Trump in Washington. Bevor er am Montag nach Vietnam reiste, hatte er nicht einmal seine eigene Definition vorgelegt, was er unter „Denuklearisierung“ versteht – geschweige denn existiert eine gemeinsame nordkoreanisch-US-amerikanische Definition von „Denuklearisierung“.
Für den US-Präsidenten ist auch das zweite Treffen mit Kim ein willkommenes neues Ablenkungsmanöver. Mit dem ersten Kim-Gipfel in Singapur schaffte Trump es, von seinem Ausstieg aus dem internationalen Iran-Atomabkommen abzulenken und mehrere Tage lang die Schlagzeilen mit einer scheinbar positiven Nachricht zu beherrschen. Dieses Mal will Trump sowohl von seinen politischen Niederlagen zu Hause als auch weltweit ablenken: Der Shutdown, mit dem Trump mehr als 800.000 BeamtInnen 35 Tage lang den Lohn gesperrt hat, führte zu einer Niederlage. Seine „Notstandserklärung“ an der Südgrenze ist denkbar unpopulär, und auch die Russland-Ermittlungen von US-Sonderermittler Robert Mueller sollen kurz vor dem Abschluss stehen. Außenpolitische Erfolge hat er zudem nicht vorzuweisen.
Trump schäumte vor Wut
Der US-Präsident preist die Bereitschaft Kims zu Abrüstung und Frieden – und sagt nichts mehr über die Folter, die politischen Morde und die anderen Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea, die das US-Außenministerium noch im Dezember detailliert in einem Bericht beschrieben hatte. Doch MitarbeiterInnen des US-Präsidenten signalisierten Zweckpessimismus vor dem Gipfel. Am deutlichsten ist der Republikaner Daniel Coats. Bei einer Anhörung vor dem Senat erklärte der Direktor der „National Intelligence“ Ende Januar, dass die US-Geheimdienste nicht erwarten, dass Kim seine Atomwaffen bzw. deren Produktion komplett aufgeben werde. Coats’ Begründung: Der Nordkoreaner betrachte diese Waffen als „wesentlich für das Überleben seines Regimes“.
Treffen in Hanoi
Acht Monate nach ihrem ersten Gipfel in Singapur treffen sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Mittwoch und Donnerstag erneut. Damals hatten sie eine „vollständige Denuklearisierung“ der koreanischen Halbinsel vereinbart. Unklar blieben aber nicht nur die Schritte dorthin, sondern auch, was sie jeweils darunter verstehen.
Neuer Anlauf
Das Treffen jetzt soll deshalb konkreter werden. Doch könnten beide erneut vor allem auf Symbolik setzen wie etwa eine formelle Beendigung des Koreakriegs (1950–53), der bisher nur mit einem Waffenstillstand endete. Die USA wollen auf Pjöngjangs Zulassung internationaler Atom-Inspekteure, Nordkorea wünscht eine Aufhebung internationaler Sanktionen. Schon die Einigung auf einen konkreten Verhandlungsfahrplan für die nächste Zeit wäre ein großer Erfolg. Am Mittwoch ist nur ein gemeinsames Abendessen geplant, die eigentlichen Gespräche sind für Donnerstag vorgesehen. (han)
Trump, der Coats im Jahr 2017 in das Geheimdienstspitzenamt befördert hat, soll im Weißen Haus vor Wut über dessen Auftritt bei der Anhörung geschäumt haben. Dabei war der Geheimdienstchef keineswegs allein mit seiner Einschätzung. Auch Trumps Außenminister Mike Pompeo warnt vor allzu viel Optimismus. „Die Denuklearisierung wird eine lange und schwere Aufgabe“, sagte er in einem Interview mit dem TV-Sender NBC kurz vor dem Gipfel. Und Stephen Biegun, der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Nordkorea, stimmt seine Landsleute auf lange, schwierige Verhandlungen ein. In Sachen der Massenvernichtungswaffen „liegt mehr Arbeit vor uns als hinter uns“, sagte Biegun Ende Januar an der kalifornischen Stanford-Universität. Biegun ist erst seit sechs Monaten im Amt. Er war mehrfach in Pjöngjang und hat auch die Kontakte der US-Regierung zu den anderen Akteuren in der Region – von Russland über China bis hin zu Südkorea und Japan – intensiviert. Ihm stehen nordkoreanische DiplomatInnen gegenüber, die seit Jahren in das Thema eingearbeitet sind, Nordkorea zurück auf die internationale Bühne zu bringen. Nordkoreas ehemaliger Botschafter in London, der in die USA geflohen ist, Thae Yong Ho, geht noch einen Schritt weiter. Er erklärte im Januar, dass die Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen steige, falls Trump in Hanoi keinen „Deal“ hinkriegt.
Ein symbolischer Erfolg
Dennoch könnte der Gipfel auch dann zu einem symbolischen Erfolg für Trump werden, wenn er keine substanziellen Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung macht. Er ist der erste US-Präsident seit fast 60 Jahren, der einen Kontakt an der Spitze mit Nordkorea hergestellt hat. Und nachdem seine Amtsvorgänger trotz wiederholter Versuche überhaupt keine Annäherung mit Nordkorea hingekriegt haben, kann er schon jetzt auf mehrere Fortschritte verweisen. So hat Pjöngjang die sterblichen Reste von mehreren tausend im Koreakrieg gefallenen US-Soldaten nach Washington geschickt und hält zum ersten Mal seit langer Zeit keine politischen Gefangenen aus den USA hinter Gittern.
US-Präsident Donald Trump
Weiße-Haus-MitarbeiterInnen hoffen, dass Kim in Hanoi zumindest eine kleine Reduzierung seiner Atomwaffen sowie die Zerstörung von möglicherweise einer Atomwaffenfabrik anbieten wird. Zur Belohnung hat Trump seinem neuen Freund bereits eine teilweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen angeboten. Darin stecken, so das Weiße Haus, völlig neue ökonomische Entwicklungsmöglichkeit für Nordkorea.
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