Nordische Minderheitenpartei: Lars Harms verlässt nach fast 25 Jahren den Landtag
Ein Vierteljahrhundert lang hat sich Lars Harms nicht nur für die Belange der dänischen Minderheit eingesetzt. Nun will er aufhören.
Als der studierte Betriebswirt von seinem Job als Leiter der Tourist-Information Heide in den Landtag wechselte, regierte in Schleswig-Holstein noch die SPD, Spitzenkandidatin Heide Simonis holte 43 Prozent der Stimmen. In jenem Jahr wurde die Bundes-CDU von einer Spendenaffäre geschüttelt, Wladimir Putin erstmals zum russischen Präsidenten gewählt und in Hannover lief die Weltausstellung Expo. Den Begriff „Smartphone“ gab es zwar schon, aber bevor das erste Gerät auf den Markt kam, vergingen noch sieben Jahre. In Kiel war der SSW, der als Minderheitenvertretung von der Fünf-Prozent-Klausel befreit ist, erstmals mit vier Personen vertreten.
In späteren Jahren saß Harms, der Vater von sechs Kindern ist, teils mit nur einer weiteren Abgeordneten im Parlament – und beide schafften es, zu allen Themen sprechfähig zu sein: „Man muss ein grobes Gerüst draufhaben und dann Prioritäten setzen“, sagte Harms damals über seine Arbeitsweise als Allround-Parlamentarier. „Wir konzentrieren uns auf Punkte, in denen wir vielleicht etwas bewegen können.“
Zu den Dingen, die er bewegt hat, zählt der 1,90-Meter-Mann das Tariftreuegesetz, das der SSW in Schleswig-Holstein mit auf den Weg gebracht hat. In seiner Bilanz zählt er als „weitere Meilensteine“ das Friesischgesetz, die Anerkennung der Sinti und Roma als weitere Minderheit in der Landesverfassung und die finanzielle Gleichstellung von Schulen der dänischen Minderheit auf.
Als Spitzenkandidat das beste Wahlergebnis geholt
Eine schwarze Stunde war die gescheiterte Koalition von SPD, Grünen und SSW im Frühjahr 2005, als ein Unbekannter aus den eigenen Reihen Heide Simonis seine Stimme verweigerte. Damals hatte die CDU eine harsche Kampagne gegen den SSW gefahren und angezweifelt, ob „Dänen“ in einem Landesparlament mitregieren dürften. Erst 2012 kam es zu dieser Koalition. Obwohl der SSW ein Ministerium besetzen durfte, entschied sich Lars Harms, der bis 2007 auch Gemeinderatsmitglied in seinem damaligen Wohnort Koldenbüttel war, Abgeordneter zu bleiben.
Bei der Landtagswahlen 2022 fuhr der SSW mit Harms als Spitzenkandidaten das beste Wahlergebnis seit Gründung der Partei in Schleswig-Holstein ein. „Und wir haben auch noch die Rechtsradikalen rausgeschmissen, mehr kann man nicht erreichen“, sagt Harms in einer Botschaft auf der Homepage des SSW – gemeint ist, dass die AfD aus dem Landtag gewählt wurde. Er habe eine „tolle Zeit gehabt“, aber jetzt gebe es genügend junge Leute in der Partei, die die Arbeit weitermachen könnten.
Harms Rückzugs-Ankündigung kam überraschend. Aus allen Fraktionen meldeten sich Abgeordnete, die die Entscheidung bedauerten. Einhelliger Tenor: „Lars wird dem Parlament fehlen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga