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Nobelpreisträger Bob DylanDie Songs sind die Stars der Show

Diese Ehrung war überfällig: Bob Dylans Lieder prägten eine ganze Generation und sind ins globale kulturelle Gedächtnis eingegangen.

„The songs are the stars of the show, not me“ – Bob Dylan Foto: dpa

„Manche Menschen“, hat Bob Dylan einmal gesagt, „werden mit dem falschen Namen in einer falschen Zeit geboren. Aber du nennst dich, wie du dich nennen willst.“

Abram und Beatrice Zimmerman ließen ihren am 24. Mai 1941 geborenen Sohn im Standesamt von Duluth, im US-Bundesstaat Minnesota, als Robert Allen Zimmerman registrieren. Und sie gaben ihm als gläubige Juden den hebräischen Namen Shabtai Zisel ben Avraham. Die Großeltern väterlicherseits waren Anfang des 20. Jahrhunderts vor Pogromen aus Odessa nach Amerika geflüchtet, die mütterlicherseits aus Litauen. Als der Junge 18 Jahre alt war, nannte er sich Bob Dylan.

Die am Donnerstag verkündete Entscheidung, diesem Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur zu verleihen, war richtig und überfällig. Songs wie „Blowin’ in the Wind“ sind schon lange ins globale kulturelle Gedächtnis und Erbe eingegangen. Kein anderer Künstler des 20. Jahrhunderts hat einen derartigen Einfluss auf die Popmusik, auf die populäre Kultur ausgeübt. Aber an dem Dichter und Sänger faszinieren auch seine Krisen, und die Radikalität, mit der er tut, wozu er Lust hat.

Bob Dylan ist ein Mann der Metamorphose, er hat viele Pseudonyme genutzt. Bis heute ist vieles ein Rätsel geblieben am Leben und Werk des „Song and Dance Man“, wie er sich genannt hat. „Ich bin nur Bob Dylan, wenn ich es sein muss“, sagte er – in der Tradition des von ihm verehrten Arthur Rimbaud: „Ich ist ein anderer.“

Der Nobelpreisträger ist ein großer Geschichtenerzähler, seine Songs sind Puzzlesteine einer epischen Geschichte der USA. Das Nobelpreiskomitee der Schwedischen Akademie begründete seine Wahl auch damit, dass Dylan „neue poetische Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Songtradition“ erschaffen habe.

Über 500 Songs hat er geschrieben

In der Tat liebt er die Blues- und Folksongs. Sie hätten ihm ein „ordentliches Konzept von Kultur“ gegeben, hat er erklärt. Sie seien sein Lexikon und sein Gebetsbuch. Auf ihnen gründet seine Musik. Und er sagte über seine Konzerte: „The songs are the stars of the show, not me.“

Der 75 Jahre alte Dylan ist ein distinguierter alter Herr, der gewöhnlich mit Anzug und Hut auftritt und ein manischer Musiker ist. Sein Œuvrekatalog umfasst bis dato über 40 Studioalben und 13 Livealben. Über 500 Songs hat er geschrieben.

Dylan arbeitet nach einer Devise der digitalen Revolution: Das kulturelle Erbe ist kollektiv

Manche Songtexte hat er eher abgeschrieben, aus Zitaten wie Collagen zusammengesetzt. Dass er sich bei Ovid, Shakespeare, Twain und vielen anderen bedient hat, haben Literaturwissenschaftler inzwischen minutiös dokumentiert. Dylan arbeitet nach einer Devise der digitalen Revolution: Das kulturelle Erbe ist kollektiv.

Neben seinen Songtexten hat Dylan autobiografische „Chronicles“ verfasst. Über die „Unmenge von Büchern“, die über ihn erschienen sind, hat er sich hingegen mokiert. Es gibt keinen anderen Popmusiker, der derart umfangreiche intellektuelle Anstrengungen provoziert hat, Texte und Person zu verstehen.

Angefangen hatte der Mann mit der rauen Stimme als Folksänger im New Yorker Greenwich Village, im März 1962 erschien seine erste Langspielplatte „Bob Dylan“. Der schmächtige Junge mit den dunklen Locken sang bei Demonstrationen der Bürgerrechtsbewegung, schrieb pazifistische Protestsongs, aber weigerte sich beharrlich, die „Stimme einer Generation“ zu sein. Er war sie aber doch: „The Times They Are A-Changin’“ und „Like a Rolling Stone“ wurden Hymnen.

Der „Picasso of Song“

Dylan brachte den Beatles das Kiffen bei und zog sich nach einem Motorradunfall im Juli 1966 aufs Land und zu seiner Familie zurück. 1971 kaufte er ein Haus im kalifornischen Malibu, in dem er bis heute lebt. Nach Ausflügen ins Späthippietum der 1970er Jahre und das Christentum meldete er sich 1997 mit dem monumentalen Album „Time Out of Mind“ zurück.

In den letzten Jahren nahm er Klassiker aus dem American Songbook auf. Und wenn er nicht hundert Konzerte im Jahr gibt, ist er offenbar kein glücklicher Mensch. „Viele Leute mögen die Straße nicht“, sagte er, „aber für mich ist sie so natürlich wie das Atmen.“

Dylans romantische Rolle ist die des einsamen Outlaws, sein Alter Ego ist das des Moralisten und des Märtyrers. Schon deshalb zählte er nie zum Establishment, sondern ist der Künstler geblieben, der Lieder über die Mühseligen und Beladenen schreibt, der den Gestrandeten und Gescheiterten seine Stimme gibt.

Seine Kollegen haben ihn stets geliebt – und covern beständig seine Songs. Die Beatles bewunderten ihn; Jimi Hendrix machte sein „All Along the Watchtower“ zu einem Hit, Adele spielte „Make You Feel My Love“ nach. Bis heute ist Dylan unter Musikern noch beliebter als beim breiten Publikum. Neil Young erklärte: „Er ist der Meister“; Leonhard Cohen nannte ihn den „Picasso of Song“.

Wir gratulieren Picasso.

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4 Kommentare

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  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Dylan steht immer noch unter Hank Williams und Townes van Zandt. Den beiden wahren Meistern des Song.

  • 6G
    6175 (Profil gelöscht)

    "Dylan arbeitet nach einer Devise der digitalen Revolution: Das kulturelle Erbe ist kollektiv"

     

    Wäre auch unmöglich, einmal nicht über die eigene enge Welt zu reden, sondern mal über Bob Dylan? Diese Sätze wie das taz-Zitat oben, tausendfach variiert seit rund 25 Jahren, banalisieren alles, jeden Tag. Und dazu sind sie noch falsch. Lieder, wie Dylan sie singt, gehörten schon lange allen, das kam nicht durch die ewig wiederholte Floskel von der digitalen "Revolution".

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Den Bewegungen hat er die Hymnen und die inneren und äußeren "Movements" geschenkt und uns damit über viele Jahrzehnte unendlich bereichert.

    Danke dafür, Bob Dylan.

  • Alles wahr, und trotzdem: Dieser Nobelpreis ändert nichts, schon gar nicht für Dylan selbst, höchstens ein bisschen für seine Plattenfirma. Ein verlorener Preis, nicht weil ihn Dylan nicht verdient hätte. Sondern weil es so viele Preisträger gegeben hätte, für die er wichtig gewesen wäre und die für uns wichtig sind, und zwar heute und nicht vor 40 Jahren. Nobelpreise sollten Wichtiges berühmt machen, nicht den Wichtigen von gestern und den bereits Berühmten hinterhergeworfen werden, finde ich.