Niedersachsens AfD im Dauerwahlkampf: „Wer CDU wählt, wählt die Grünen“
Wie sich die AfD im niedersächsischen Landtag als Normalopartei und zugleich als einzige Opposition inszeniert – und damit erfolgreich ist.

G leich nach den Sommerferien in Niedersachsen will die AfD einen Landesparteitag ausrichten – vom 19. bis 20. August. Internen Informationen zufolge hat der Landesvorsitzende Frank Rinck dafür eine Halle der städtischen Congress Union Celle (CUC) vorgesehen. „Ich kann hierzu keine Auskunft geben“, sagt eine Mitarbeiterin der Geschäftsführung auf Nachfrage der taz. Aus datenschutzrechtlichen Gründen könne das CUC sich nur zu den öffentlichen Events äußern.
Seit der Landtagswahl 2022 sitzt die AfD mit 18 Mandatsträger*innen im Landtag. Der Landesverband mit seinem Spitzenkandidaten Stefan Marzischewski-Drewes hat als erster von den Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine profitiert. Er konnte seinen Stimmenanteil auf 10,9 Prozent erhöhen. Bei der Wahl davor hatte die AfD 6,2 Prozent geholt. Die Fraktion, der mit Delia Klages, Jessica Schülke und Vanessa Behrendt drei Frauen angehören, ist bisher nicht groß durch interne Streitereien oder Machtkämpfe aufgefallen.
An diesen Reibereien zwischen politischen Anliegen und persönlichen Ambitionen waren zuvor der Landesverband und letztlich auch die alte Landtagsfraktion gescheitert: Am 22. September verließ die Vorsitzende Dana Guth mit zwei weiteren Abgeordneten die Fraktion, die so ihren Fraktionsstatus verlor. Den anhaltenden Konflikt konnten Rinck, Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion, und Marzischewski-Drewes, der für seine Partei auch im Stadt- und Kreistag in Gifhorn sitzt, bisher ausbalancieren.
Im Landtag inszeniert sich die Fraktion als einzige Opposition für die vermeintlich ganz normalen Deutschen. „Deutschland ganz normal“ war ein Bundestagswahlkampfslogan, der längst zum Parteimotto geworden ist. Marzischewski-Drewes richtete seinen Wahlkampf danach aus. Sein Beruf als Arzt verstärkte den Ruf als Kümmerer vor Ort, der die Probleme des einfachen Handwerkers und der einfachen Hausfrau nicht bloß kennt, sondern ernst nimmt.
Kampf gegen die „Regenbogen-Ideologie“
Bei der vierten Veranstaltung „Fraktion im Dialog“ am 10. Juli sagte Marzischewski-Drewes: „Wer CDU wählt, wählt zu 100 Prozent die Grünen.“ Zur Untermauerung führt er zwei Abstimmungen im Gifhorner Stadtrat an. Außer der AfD stimmten alle Parteien einem gemeinsamen Antrag zur Übernahme einer Patenschaft des Seenotrettungsschiffes „Ocean Viking“ zu. Den AfD-Antrag zum Schutz von Frauen und Mädchen und für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum lehnten wiederum die anderen Fraktionen ab.
Vor den rund 40 Dialog-Gästen sorgte sich die Landtagsabgeordnete Behrendt wegen der LGBTQI-Bewegung. Die „Vertreter der Regenbogen-Ideologie“ würden „keine Politik für die Mitte der Gesellschaft machen“. Und zur Mitte gehört für die jugendpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion eben nicht diese Bewegung. Mit – Originalton – „verstörenden Bildern von Christopher-Street-Day-Veranstaltungen“ wollte sie belegen, „dass die Regenbogenideologie nicht fortschrittlich, sondern gefährlich ist“. Viel nackte Männerhaut sei kein Anblick für kleine Kinder. Der Kurs kommt an. Eine neue Umfrage sieht die AfD bei 14 Prozent.
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