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Neuwahlen am 23. FebruarWahlkampf auf Weihnachtsmärkten

Am 23. Februar soll ein neuer Bundestag gewählt werden. Die Union ist zu inhaltlichen Gesprächen bereit – etwa zur Stärkung des Verfassungsgerichts.

Endlose Baustelle? Am Mittwoch wird im Bundestag eine heftige Redeschlacht erwartet Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Das tagelange Gezerre um den Termin für die Bundestagswahl ist vorbei. SPD und Union haben sich auf den 23. Februar 2025 als Termin für die vorgezogene Neuwahl geeinigt. Auch mit den Grünen, dem verbleibenden Koalitionspartner der SPD, ist der Termin abgesprochen. Über die Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll am 16. Dezember im Bundestag abgestimmt werden. Wird der Kanzler, wie nach dem Ende der Ampel absehbar ist, keine Mehrheit bekommen, hat der Bundespräsident 21 Tage Zeit, den Bundestag aufzulösen. Danach gibt es eine 60-Tage-Frist, bis zu der die Neuwahl stattfinden muss. Der 23. Februar liegt in dieser Frist.

„Der 23. Februar ist eine gute Lösung“, sagte Unionsfraktionschef Friedrich Merz am Dienstag vor der Sitzung seiner Fraktion. Zwar verliere man gegenüber seinem ursprünglichen Vorschlag einen Monat, aber das sei vertretbar. Er gehe davon aus, dass Scholz in der Regierungserklärung am Mittwoch den neuen Termin der Vertrauensfrage ankündige.

Er habe sich andere Termine vorstellen können, sagte auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Doch nun könne man sich „endlich von der leidigen Diskussion um den Wahltermin“ entfernen und um Wichtigeres kümmern. „Nämlich auf die klare Konzentration, wer ist der bessere Kanzler.“ Für ihn jedenfalls ist das klar: „Olaf Scholz hat dem Land gutgetan, jetzt geht es um Erfahrung und Kompetenz.“ So versuchte Mützenich auch die wieder aufgeflammte Debatte über alternative Kandidaten im Keim zu ersticken. Bundeswahlleiterin Ruth Brand hält den Termin „für rechtssicher durchführbar“.

Das heißt: Wahlkampf im Dunkeln und auf Weihnachtsmärkten, wie viele im Vorfeld wortreich beklagten. Der Urnengang während des Karnevals aber bleibt aus. Auch liegt die Bürgerschaftswahl in Hamburg nun nach der Bundestagswahl. Und wer in Sachsen und im Saarland für die Winterferien schon eine Reise gebucht hat, muss zur Briefwahl greifen. In den beiden Bundesländern liegt der Termin in den Schulferien.

„Klarheit für Bürgerinnen und Bürger“

Ansonsten ist der Wahltermin wohl das, was man einen klassischen Kompromiss nennt – der Punktsieg liegt allerdings eher bei Merz, dem Kanzlerkandidaten der Union. Der Kanzler wollte die Vertrauensfrage ursprünglich am 15. Januar stellen, um eine Neuwahl Ende März herbeizuführen – und erntete dafür schnell viel Kritik von der Opposition und wenig Verständnis in der Bevölkerung. Merz schlug umgehend die zweite Januarhälfte als möglichst frühen Wahltermin vor und setzte den Kanzler, der eigentlich unabhängig über die Vertrauensfrage entscheiden kann, so erfolgreich unter Druck.

Der Entscheidung für den Wahltermin waren tagelange Gespräche vorausgegangen, nicht nur zwischen Merz und Mützenich. Absprachen habe es auch mit den Grünen gegeben, betonte am Dienstag Fraktionschefin Britta Haßelmann. Zudem hat es einen Austausch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gegeben, der über die Auflösung des Bundestags entscheiden muss. Für Dienstagabend war ein weiteres Gespräch mit Mützenich und Merz vereinbart.

„Ich denke, mit diesem Datum herrscht nun Klarheit für Bürgerinnen und Bürger“, sagt Haßelmann vor einer Sitzung ihrer Fraktion. Sie gehe davon aus, dass die Grünen dem Kanzler das Vertrauen aussprechen. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr äußerte sich erleichtert. „Jeder Tag, an dem die Rumpfregierung im Amt bleibt, ist ein verlorener Tag“, sagte Dürr. „Tagelang haben Union und SPD mit ihrem unwürdigen Gefeilsche von politischen Inhalten abgelenkt“, sagte auch Heidi Reichinnek, Spitzenkandidatin der Linken. „Die wirklichen Fragen, die den Alltag der Menschen beeinflussen – wie die Stabilisierung des Rentenniveaus, die Finanzierung des Deutschlandtickets oder die Anpassung des Kindergelds – wurden komplett ignoriert.“

Unionsfraktionschef Merz erklärte sich am Dienstag auch erstmals seit dem Ende der Ampel zu Zugeständnissen im Bundestag bereit. „Vielleicht können wir mit der ausscheidenden Restregierung noch das ein oder andere verabschieden“, sagte er und nannte die Aussetzung des deutschen Lieferkettengesetzes, wie auch Grüne und SPD es gefordert hätten.

Nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt arbeitet die Unionsfraktion gerade an einer „Positivliste“ jener Vorhaben, die die Union in dieser Legislatur noch im Bundestag mittragen könnte. Dazu gehören laut Dobrindt etwa anfallende Mandatsverlängerungen für Bundeswehreinsätze sowie die Stärkung des Bundesverfassungsgerichts.

Insgesamt bemühte sich die Union um einen gemäßigten Ton. Am Mittwoch aber wird im Bundestag eine heftige Redeschlacht erwartet. Dort steht am Mittag eine Regierungs­erklärung von Scholz auf der Tagesordnung, Merz und auch CSU-Chef Markus Söder werden dem Kanzler antworten. Söder spricht am Mittwoch erstmals im Bundestag, als Ministerpräsident hat er das Recht dazu. „Wir bieten alles auf, was wir haben“, sagte dazu Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion. Dobrindt betonte zudem, die beiden Redner sollten „ein Signal der Geschlossenheit der Union in Auseinandersetzung mit der Restampel“ sein.

Merz machte am Mittwoch auch auch eine Ansage in Richtung von AfD und Linken. Bis zum Wahltermin sollen nach seiner Auffassung nur noch Themen auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt werden, für die es eine Mehrheit mit den Regierungsparteien, der FDP und der Unionsfraktion gebe. Nur so könnten unerwünschte Mehrheiten für weitere Gesetzesinitiativen verhindert werden. „Es möge niemand glauben, die AfD sei eine Antwort für Deutschland. Sie wäre der Abstieg für Deutschland.“ Die AfD dagegen schießt sich auf die CDU ein: „Der nächste Messermord geht auf das Ticket der Union“, kritisierte Fraktions­chefin Alice Weidel. Die AfD würde mit der Union gerne drastische Verschärfungen beim Asylrecht durchsetzen.

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3 Kommentare

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  • Zitat: "Merz machte am Mittwoch auch auch eine Ansage in Richtung von AfD und Linken. Bis zum Wahltermin sollen nach seiner Auffassung nur noch Themen auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt werden, für die es eine Mehrheit mit den Regierungsparteien, der FDP und der Unionsfraktion gebe. Nur so könnten unerwünschte Mehrheiten für weitere Gesetzesinitiativen verhindert werden."

    Merz lernt einfach nichts dazu. Weshalb um alles in der Welt muß er schon wieder eine Steilvorlage zum Rumopfern liefern?

  • Im umgekehrten Falle hätten dieselben Medien die SPD verhaftet, für Deutschland gefälligst jetzt sofort in eine Große Koalition einzutreten, um Handlungsfähigkeit innerhalb des Parlaments zu sichern. Ja, hätten sie.

    Was ist nun mit Merz und der Union?

    • @Janix:

      Die Eierkuchen sind fertig, nun kann man kommen, womit man will, es interessiert keinen mehr.

      Erst schrie Merz "sofort", jetzt sind es mehr als drei Monate und er ist froh, Scholz um einen runtergehandelt zu haben. Bis zur Wahl, wohlgemerkt. Wann Merz eine Regierung vereidigt bekommen haben und mal anfangen wird, einen Haushalt aufstellen zu lassen, steht da noch lange in den Sternen.