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Neues internationales KlimabündnisStreiks sind ihnen nicht genug

Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen wollen weltweit Universitäten und Schulen besetzen. Sie fordern einen Stopp der Förderung fossiler Rohstoffe.

Mit Demons­trationen ist es nicht mehr getan, glauben einige Klima­aktivist:innen Foto: Mayank Makhija/NurPhoto/afp

Ihnen geht die Geduld aus: Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen weltweit wollen zwischen September und Dezember 2022 unter dem Motto „End Fossil: Occupy“ Schulen und Universitäten besetzen, um sich für ein Ende der fossilen Wirtschaftsweise einzusetzen. Das kündigten sie in einem offenen Brief an. „Als junge Menschen, die am Rande der größten Katastrophe in der Geschichte der Menschheit geboren wurden, ist es unsere Verantwortung, uns zu erheben und sie zu stoppen“, heißt es darin.

Die Ak­ti­vis­t:in­nen rufen andere Schü­le­r:in­nen und Stu­dierende dazu auf, sich ihnen anzuschließen und Universitäten und Schulen zu besetzen. Diese Besetzungen sollen von der Jugend angeführt werden, sich an dem Prinzip der Klimagerechtigkeit orientieren und andauern, „bis wir gewinnen“, so die Verfasser:innen. Bisheriger Protest reiche noch nicht aus, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. „Wir müssen disruptiver sein als jemals zuvor, da es unsere einzige Chance ist, zu überleben“, schreiben die Aktivist:innen.

Sie fordern ein Ende der Finanzierung und Förderung fossiler Rohstoffe, wollen ihre Forderungen aber auch jeweils an lokale Gegebenheiten anpassen. „Die größten Ölkonzerne sind auf dem Weg, für den Rest des Jahrzehnts jeden Tag 103 Millionen Dollar für die planetare Zerstörung auszugeben“, schreiben sie mit Bezug auf eine Recherche des britischen Guardian. Die Ak­ti­vis­t:in­nen kritisieren in dem Zusammenhang, dass auch viele Universitäten Geld in fossile Unternehmen investieren.

Auf der Website der Bewegung befindet sich eine Karte, in der bereits geplante Aktionen verzeichnet sind. Es soll zum Beispiel eine Besetzung in Nürnberg während der in Ägypten stattfindenden Weltklimakonferenz im November geben. „End Fossil: Occupy“ sieht sich in der Tradition der Studierendenbewegung der 60er Jahre. In Westdeutschland setzten sich Studierende damals mit teils radikalen Mitteln für eine gesellschaftliche Liberalisierung ein, für Frauenrechte und eine Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit sowie gegen Notstandsgesetze und den Kapitalismus.

Un­ter­stüt­ze­r:in­nen von verschiedenen Kontinenten

Internationale Unterstützung erhält das Bündnis von der Klimaschutz-Nichtregierungsorganisation 350.org. Auf Twitter stellten sich zudem Greenpeace und die kapitalismuskritische kanadische Klimajournalistin Naomi Klein hinter die Initiative. Ein großer Teil der Un­ter­­stüt­ze­r:in­nen des Aufrufs gehört Fridays-for-Future-Gruppen aus verschiedenen Ländern an. Die Au­to­r:in­nen kommen unter anderem aus Argentinien, den Vereinigten Staaten, der Elfenbeinküste und Frankreich, Un­ter­zeich­ne­r:in­nen zum Beispiel aus Indien und Mexiko. Auch zwei deutsche Aktivisten von Fridays for Future sind Mitverfasser.

Einer von ihnen ist Lucas Wermeier, ein 22-jähriger Göttinger Student und Fridays-for-Future-Aktivist. Er betont zwar den bewegungsübergreifenden Charakter des neuen Bündnisses, sagte aber: „Meine Perspektive ist, dass wir den Klimastreik 2.0 machen.“

Wermeier ist unzufrieden darüber, wie es für die Fridays derzeit läuft und meint: „Ich stecke in einer Bewegung, die seit Monaten in Konferenzen hockt und handlungsunfähig ist.“ Das liege auch an äußeren Umständen: „Die Pandemie hat der Bewegung insgesamt geschadet. Es sind viele Ortsgruppen, gerade im ländlichen Bereich, weggebrochen.“

Er hofft, dass die Besetzungen der Bewegung neuen Rückenwind verschaffen werden. „Derzeit ist der globale Klima­streik unsere einzige gemeinsame Praxis“, sagt der Aktivist. Insgesamt gibt er sich optimistisch: „Die Besetzungen haben großes internationales Potenzial aufgrund der Anschlussfähigkeit an viele Bewegungen.“

Fridays for Future fokussiert sich auf Klimastreik

Jördis Thümmler von der Pressestelle von Fridays for Future Deutschland schrieb der taz auf die Frage, wie die Be­we­gung sich zu den Besetzungsplänen positioniere: „Die Klimagerechtigkeitsbewegung setzt sich aus einem breiten Spektrum an Gruppen und Protestformen zusammen. Aus diesen heraus entstehen immer neue Ideen und Aktionen – das begrüßen wir.“

Als Dachorganisation bekennt sich Fridays for Future allerdings nicht zum Bündnis. Thümmler schreibt: „Unsere Ortsgruppen sind eigenständig und einige planen, sich an den Besetzungen zu beteiligen. Im Fokus unserer Arbeit steht allerdings der globale Klima­streik am 23. September, an dem wir möglichst viele Menschen für Klimagerechtigkeit in ganz Deutschland auf die Straße bringen wollen.“

Einige klimabewegte Wis­sen­schaft­le­r:in­nen unterstützen die geplanten Besetzungen ebenfalls. „Wir haben schon mit dem Bündnis gesprochen. Ihre Ziele, Forderungen und Motivation halten wir für richtig“, teilt Nana-Maria Grüning von Scientist Rebellion teilt auf Anfrage der taz mit. „Scientists von Scientist Rebellion werden Unterstützung anbieten und Solidarität ankündigen.“ Sie fügt an: „Scientist Rebellion wird in dem Zeitraum auch eigene Aktionen durchführen, worauf unser Fokus liegen wird.“ Ob sie sich an den Besetzungen in den Universitäten beteiligen werden, möchte Grüning nicht sagen.

Die Gruppe Scientists for Future wird sich jedenfalls heraushalten, lässt der Meteorologe im Ruhestand Franz Ossing, 73, von den Berliner Scientists for Future wissen. Er betont: „Wir sind die Stimme der Wissenschaft.“

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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es wäre an der Zeit, angesichts der sog. "Energiekrise" verstärkt das zu fordern, wofür z.B. Lederer neulich plädiert hat

    "Berlins Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer (Die Linke) hat zur Abfederung steigender Energiepreise eine Vergesellschaftung von Energieunternehmen vorgeschlagen. "Wir müssen ja nicht auch noch die Rendite der Anteilseigner der Unternehmen mitbezahlen", sagte Lederer"



    m.tagesspiegel.de/...ps%3A%2F%2Ft.co%2F

    und wofür rwe-enteignen.de zusammen mit FFF und Ende.Gelände aufrufen:

    Enteignen statt Krise - eine klimagerechte Zukunft aufbauen.



    Demo Köln, 27.08.20222



    rwe-enteignen.de/

  • Auf die Idee, dass der Rest der Welt sie gehört hat, aber völlig anderer Meinung ist kommen die natürlich nicht. Herrlich ist der Versuch mal ihr Thema etwas tiefgehender zu diskutieren. Da ist nichts. Die wissen von ihrem Glauben auch nicht mehr, als dass Jesus sie rettet und ein Platz im Himmel reserviert ist.

    • @WernerS:

      Welche "Rest der Welt" meinen Sie? Jene "Welt" die sich schon beim letzten Klimakongress gezeigt hat, wie weit ihre Inseln geflutet werden, die zeigen wie weiter Extremwetterlagen zunehmen, wie Wüsten voranschreiten. Aber hey, zum Glück haben die finanzwirtschaftlich gut positionierten Länder gezeigt, hey hier paar Groschen und gut ist. Irgendwie werden auch jene Länder merken das man Geld nicht fressen kann.

  • Ich finde den Ansatz der Klimabewegung jetzt Schulen und Universitäten zu besetzen, um damit gegen ein Ende der fossilen Wirtschaftsweise zu demonstrieren interessant. Denn damit geht die Klimabewegung einen Schritt weiter sls bisher.

    Die FFF-Proteste hatten eine riesige Reichweite und sie hatten mit Greta Thunberg eine Ikone, deren Botschaft (verkürzt) lautete: "die Welt brennt...deshalb müsst ihr (die Erwachsenen) etwas tun. Was genau die Erwachsenen machen sollten wurde aber nicht ausgesprochen. Das war stimmig und passte zu den überwiegend jüngeren Demonstrierenden.

    Wenn jetzt also auch Hochschulen besetzt werden und die Forderungen konkreter werden, zeigt das, daß die Klimabewegung einen ersten Schritt in Richtung Erwachsen werden geht. Das ist konsequent und folgerichtig und es zeigt wohin die weitere Reise gehen wird. Nämlich dahin, dass die Klimabewegten in nicht allzu ferner Zukunft selber in Positionen kommen werden, die Schaltstellen zu besetzen und immer mehr Verantwortung zu übernehmen.

    Und das muß auch so sein, denn der ältere Teil der Bevölkerung beweist doch Tag für Tag, dass er/sie sich nicht allzu betroffen fühlt von den kommenden katastrophalen Auswirkungen..und auch nicht bereit ist auf Klimaschädliche Gewohnheiten zu verzichten (eher noch im Gegenteil)..

    Insofern ist diese neue Protestform wohl auch nur der Anfang eines notwendigen und noch viel größeren Prozesses der Klimabewegung.

    Ich wünsche den Klimaaktivisten im Sinne des Planeten und aller Lebewesen weiter (oder wieder) gutes Gelingen.

    Macht weiter...und Danke für Euer Engagement.!!

  • Protest hat genauso Eskalationsstufen, wie bei anderen Dingen auch.



    Wenn die Politik es nicht schafft, Wirtschaft und Menschen entsprechend auf den Klimawandel einzustellen und die Konsequenzen daraus immer klarer und offensichtlicher werden. Ja dann muss der Protest irgendwann schmerzen. Denn die alten Leute im Aufsichtsrat und in der Politik, schafft zum Teil die nächsten 20 jahre eh nicht mehr. Somit ist es klar, das die damit weniger Probleme haben...

  • Hand aufs Herz,

    schon die "Streiks" waren in Wahrheit keine Streiks im eigentlichen Sinn. Und wenn man heute eine Demo in Berlin durchführen würde, kämen keine 1000 Leute zusammen. Außer Spesen, zusätzlichem C02-Ausstoss und ein paar gut gemeinten Artikeln und Kommentaren im TV, nix gewesen.

    Und jetzt Unis besetzen, weltweit?



    Das mag für ein paar Tage in Berlin oder so möglich sein und sogar ein wenig Aufmerksamkeit generieren. Aber wie sieht es in Columbien, Hong Kong und Russland aus? Selbst in Australien oder Norwegen dürfte es ernsthafte Probleme geben. Darum: Macht euch mal ehrlich.

    • @V M:

      Wegen mit Klimaschutz, weg mit Lohnstreiks, brauchen wir alles nicht, ohh warte bei den Lohnstreiks sind sicher doch dabei, solange es ihr Unternehmen trifft und sie davon profitieren oder?

      Aber hey, selbst den Popo hochbekommen ist halt immer schwierig...

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Ein erster Schritt wäre es, die Heizung in Schulen und Universitäten dauerhaft auch im Winter abzuschalten um Co2 zu sparen und Solidartität zu zeigen!

  • Protestiert man gegen Bildung? Wenn ich gegen etwas protestiere, dann doch dort, wo die Ursache liegt, also beispielsweise bei Autobauern, an Tankstellen. Aber Schulen besetzen ist ja irgendwie einfacher....Ist das jetzt naiv, dumm oder was?

  • Schulen und Universitäten stilllegen. Gute Idee, die Welt geht sowieso unter und der ganze wissenschaftliche und technische Fortschritt macht mehr kaputt als es dem Planeten nutz. Wo glauben sie denn, haben die das gelernt?