Neues Steinkohle-Kraftwerk Datteln IV: Kohlekumpel beim Klimaprotest
Hunderte Menschen protestieren trotz Corona gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln IV. Mit dabei: Mitglieder der Gewerkschaften IG BCE und IG Metall.
Aktivist*innen und Anwohner*innen bezeichnen die politische Entscheidung, das Kraftwerk ans Netz zu nehmen, als “Verrat“. Verweisen auf Mehrausstoß von 40 Millionen Tonnen CO2, auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster von 2009, das den Bau für illegal erklärt hatte, und auf Klagen, die noch anhängig sind: Weil das Kraftwerk hier ursprünglich gar nicht gebaut werden durfte.
Zum Tag des Netzanschlusses sind zum ersten Mal auch ehemalige Kohlekumpel und Angestellte der Stahlindustrie dabei: Mitglieder bei den Gewerkschaften IG BCE und IG Metall. Ihre Gewerkschaftsfahnen wehen nicht wie sonst bei einem Gegenprotest: Ausdrücklich stellen sich die Kumpel auf die Seite der Anwohner*innen, von Fridays for Future, Ende Gelände, BUND und Greenpeace.
Günter Belka ist hier als Mitglied der IG BCE und der Bergarbeiterbewegung “Kumpel für auf“. 35 Jahre habe er im Bergbau gearbeitet, sagt er, “Davon 33 Jahre unter Tage.“ Trotzdem sei er dagegen, Datteln IV ans Netz zu nehmen.
Ursprünglich fünf Kilometer entfernt geplant
“Das war ja vorher verboten. Und dann macht die Landesregierung auf einmal andere Gesetze, damit dieses Kraftwerk ans Laufen gekriegt wird.“ Nach der Entscheidung des OVG hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung unter anderem “Klimaschutz“ aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen, sowie die Vorgabe, heimische Energieträger zu nutzen.
Am Rande der Proteste gegen die Inbetriebnahme von Datteln IV hat die Polizei in der Nacht zu Samstag einem Journalisten einen Platzverweis erteilt, als er eine Lichtprojektion von Greenpeace auf den Kühlturm des Kohlekraftwerks fotografierte. Und zwar ausgerechnet dem freien Fotografen Björn Kietzmann, dessen zuvor von den Polizei für das Kraftwerk und einige angrenzende Straßen verhängte Aufenthaltsverbot vom Verwaltungsgericht Gelsenkichen kurz zuvor außer Kraft gesetzt worden war.
Auf Anfrage teilte die Polizei Recklinghausen zur Begründung mit, er habe sich nicht als Journalist ausgewiesen. Kietzmann bestreitet das; er habe gleich zu Beginn der Kontrolle seinen Presseausweis vorgezeigt, sagte er der taz. Bei den Protesten am Samstag durfte der Fotograf seiner Arbeit dann aber ungestört nachgehen – ebenso wie taz-Reporterin Anett Selle, gegen die die Polizei zuvor ebenfalls ein Aufenthaltsverbot verhängt hatte. mkr
Ursprünglich sollte Datteln IV auch fünf Kilometer entfernt gebaut werden. “Da haben sie sich drüber hinweggesetzt“, sagt Belka. “Und vor allen Dingen wollen die hier Blutkohle aus Kolumbien verbrennen, die mit Kinderarbeit abgebaut wird, wo kämpferische Gewerkschaftler und Umweltschützer ermordet werden – das werden wir nicht hinnehmen.“
Auch Andreas Tadysiak hat lange im Bergbau gearbeitet. “Wir reden davon, dass Windkraftanlagen zum Teil nicht ans Netz gehen, dass Solaranlagen nicht ans Netz gehen. Was die Lebensgrundlage der Menschen gar nicht in Frage stellt. Auf der anderen Seite werden Kraftwerke gebaut, wo klar ist, dass sie Menschen gefährden und krank machen. Datteln 4 gehört komplett dicht gemacht wegen Klimaschutz. Alle Kohlekraftwerke gehören abgeschaltet.“
Das das passiert glaubt Tadysiak nicht. “Nur, wenn sie gezwungen werden. Man muss den Protest auf die Straße bringen: Bis hin zum Streik.“ Im Ausland habe er das Ausmaß an Umweltschäden als erschreckend empfunden. “Solche Verhältnisse möchte ich hier nicht haben. Und wenn sich hier nichts ändert, kommen wir genau dahin.“ Am Ende des Tages ist das Kraftwerk Datteln IV im regulären Netzbetrieb. Aber die Proteste, so scheint es, werden weitergehen.
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