piwik no script img

Neues Drohmanöver von PjöngjangNordkorea testet Interkontinentalrakete

Es ist Pjöngjangs erster Test dieses Raketentyps seit Dezember 2023. Regime spricht von „angemessener militärischer Reaktion“ auf Provokationen.

Von der nordkoreanischen Agentur KCNA verbreitetes Bild, das die Interkontinenalrakete nach ihrem Start zeigen soll Foto: KCNA/KNS/dpa

Pjöngjang dpa | Mit dem bislang längsten Testflug einer Interkontinentalrakete hat Nordkorea die Spannungen mit seinen Nachbarländern weiter verschärft. Das nahe der Hauptstadt Pjöngjang abgefeuerte Geschoss war nach Angaben der japanischen Regierung 86 Minuten in der Luft und stürzte schließlich westlich der zu Japan gehörenden Insel Hokkaido ins offene Meer – nach rund 1.000 Kilometern Flugstrecke.

Es handelt sich um den ersten Test einer nordkoreanischen Interkontinentalrakete seit Dezember vergangenen Jahres – und einen weiteren Verstoß der Führung von Machthaber Kim Jong Un gegen internationale Sanktionen.

Den Angaben des japanischen Verteidigungsministeriums zufolge stieg die Rakete mit steiler Flugbahn bis in eine Höhe von etwa 7.000 Kilometern. Experten gehen davon aus, dass Nordkoreas Interkontinentalraketen bei flacherem Abschusswinkel potenziell das gesamte Festland der Vereinigten Staaten erreichen könnten. Die USA sind die wichtigste Schutzmacht Japans und Südkoreas und unterhalten in beiden Ländern große Militärstützpunkte.

Machthaber Kim bezeichnete den Raketenabschuss als „angemessene militärische Aktion“, wie Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA berichtete. Der Test sei eine Reaktion auf Provokationen feindlicher Kräfte in der Region und belege „unseren Willen zur Gegenreaktion“.

Seoul kündigt als Reaktion schärfere Sanktionen an

Details nannte Kim nicht, allerdings betrachtet Pjöngjang die militärische Unterstützung der USA für Südkorea und die regelmäßigen Manöver ihrer Streitkräfte ebenso als Affront wie den Kurs der südkoreanischen Regierung im Dauerkonflikt der beiden Nachbarstaaten.

Südkoreas Präsidentenamt kündigte an, nach dem Raketenstart zusätzliche Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Konkrete Details aus Seoul wurden zunächst nicht bekanntgegeben.

Süd- und Nordkorea sind seit dem Koreakrieg (1950-53) geteilt und werden durch eine entmilitarisierte Zone getrennt. Bis heute haben die beiden Nachbarländer keinen gemeinsamen Friedensvertrag unterzeichnet.

Starts oder auch nur Tests von ballistischen Raketen, die je nach Bauart mit einem Atomsprengkopf ausgerüstet werden können, sind dem international weithin isolierten Land durch UN-Beschlüsse verboten. Nordkorea unterliegt wegen seines Atomwaffen- und Raketenprogramms internationalen Sanktionen, die Kims Führung aber immer wieder missachtet.

Erst am Mittwoch warnte der südkoreanische Militärgeheimdienst während eines Treffens mit Abgeordneten davor, dass Nordkorea kurz vor dem Testabschuss einer Langstreckenrakete stehe und möglicherweise auch die Vorbereitungen für einen weiteren Atombombentest abgeschlossen habe. Der bislang letzte – und insgesamt sechste – Atombombentest hatte 2017 weltweit große Besorgnis ausgelöst.

Gülle-Ballons und Kooperation mit Russland

Das jüngste Raketenmanöver erfolgt zu einem Zeitpunkt erhöhter Spannungen in der Region. Nordkorea schickte seit Mai Tausende mit Abfall und Kot gefüllte Ballons über die Grenze nach Südkorea, das Nachbarland nahm die Propaganda-Beschallung des abgeschotteten Nordens über Lautsprecheranlagen wieder auf. Zudem kam es zu verstärkten Militäraktivitäten im Grenzgebiet.

Zuletzt baute Pjöngjang seine militärische Zusammenarbeit mit Moskau deutlich aus und schickte mutmaßlich Tausende Soldaten nach Russland, die nach übereinstimmenden Angaben westlicher Regierungen wohl im Angriffskrieg gegen die Ukraine eingesetzt werden sollen.

Schon seit Monaten unterstützt Nordkorea die russische Armee mit Waffenlieferungen im großen Stil, darunter insbesondere Artillerie- und Raketengeschosse.

Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol schickte diese Woche hochrangige Vertreter des Verteidigungsministeriums und des Geheimdienstes in die Ukraine, um neue Kooperationsmöglichkeiten zu besprechen. Dabei soll es auch darum gehen, Informationen über nordkoreanische Soldaten in Russland auszutauschen und gemeinsame Gegenmaßnahmen auszuloten.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 7000km Reichweite? Also grob gesangt: damit wäre Kiew erreichbar; zuzutrauen wäre es dieser Achse der Abstrusen...

  • ...denn sie wissen nicht, was sie tun.



    /



    Quelle spiegel.de



    "Noch 72 Minuten bis zum Weltuntergang



    Könnte eine aus Nordkorea abgefeuerte Interkontinentalrakete versehentlich den Dritten Weltkrieg auslösen? Dieses Szenario beschreibt die US-Sicherheitsexpertin Annie Jacobsen erschreckend realistisch in ihrem neuen Buch."



    Leider bewährt sich der unangenehme Begriff der sog. "Schurkenstaaten" in der Praxis doch wieder zur Abgrenzung.



    www.faz.net/aktuel...taet-18661014.html

  • Es ist ja schon ein Unterschied, ob man eine ballistische Platzpatrone abfeuert die bei einer Starthavarie nur wenig Schaden anrichtet oder ob man eine Nuklearrakete startet die bei einer Starthavarie das eigene Land unbewohnbar macht.

    Es wird schon seinen Grund haben dass die "etablierten Atommächte" ihre Abschußbasen im eigenen Land abgebaut und auf's Meer verlegt haben.

    • @Bolzkopf:

      Das Rissioko einer Havarie wird man sicherlich in dem Moment ignorieren, wenn man so ein Ding braucht.



      Das Problem ist eher, dass die Startbasen dem Gegner bekannt sein dürften und er sie im Ernstfall leichter ausschalten kann als auf U-Booten gestützte Raketen.

      • @KaosKatte:

        Daher der Begriff "Erstschlagstrategie", nicht wahr ?