piwik no script img

Neues Buch „Überfluss und Freiheit“Zerstörungskraft männlichen Denkens

Wie konnte es zu Klimakatastrophe und Artensterben kommen? Pierre Charbonnier untersucht in seinem Buch die europäische Ideengeschichte.

Holz-Hafen im Kongo: Der „Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde“ ist gestört, sagte schon Marx Foto: Ashley Gilbertson/redux/laif

Der französische Philosoph ­Pierre Charbonnier will die Geschichte neu schreiben. Das kündigt er in der Einleitung seines 500-Seiten-Werks „Überfluss und Freiheit“ etwas großspurig an. Aus der Ideengeschichte Europas seit dem 17. Jahrhundert leitet er die Ursachen der Klimakatastrophe und des Artensterbens ab.

„Die Nichtbeachtung der ökologischen Regeln, die diese Erde bewohnbar machen, und die Entwicklung einer Lebensweise, die zu diesen Regeln im Widerspruch steht, bilden den Kern unserer politischen Geschichte.“ Markt und technische Innovationen hätten regelmäßig das Gegenteil dessen bewirkt, was ihre Verfechter behaupteten.

Der 1983 geborene Autor fordert eine komplette Neubetrachtung, was die Gesellschaft der Zukunft angeht – bleibt aber ausgerechnet hierbei sehr unkonkret.

So beschränkt sich das Buch weitgehend darauf, die Vorstellungen europäischer Männer in den vergangenen 400 Jahren nachzuzeichnen. Das reicht von Grotius, Locke, Kant, Smith, de Tocqueville über Marx bis Polanyi und Marcuse und einigen Dutzend weiteren. Dabei umkreist Charbonnier die Begriffe Autonomie, Eigentum, Demokratie und Freiheit und setzt sie in Beziehung zu Boden, Ressourcen, Produktion und Überfluss. Das ist an manchen Stellen eher fleißig als fokussiert und immer wieder gibt es auch Re­dun­dan­zen. Eine Straffung hätte dem Buch an manchen Stellen durchaus gutgetan.

Wettbewerb um Territorien

Zunächst entwickelte sich im 17. Jahrhundert ein Politikverständnis, bei dem der Staat nicht länger für das Seelenheil der Be­woh­ne­r*in­nen zuständig war. Institutionen, Recht, Wissenschaft und Politik dienten mehr und mehr dem Ziel, individuelles Eigentum und Souveränität abzusichern. Im Wettbewerb teilten die Nationen Meere und Böden jenseits des eigenen Territoriums auf – wobei indigenen Gesellschaften die Rechte der Europäer abgesprochen wurden.

Der Staat überließ der Industrie alle Fragen der Versorgung und übernahm den Schutz des Eigentums

Das 18. Jahrhundert ist geprägt von Fortschrittsideologie. Freiheit und wirtschaftliches Wachstum gelten als essenziell für die menschliche Entwicklung und zivilisatorische Dynamik. Boden wird als Ressource kodiert, französische Großgrundbesitzer verbinden damit Renditeerwartungen.

In England dagegen erzielen Investoren Gewinne vor allem durch den Import billiger Rohstoffe, die Ausbeutung von Arbeit und Warenhandel – und all das galt im Konzept des Liberalismus als Ausdruck individueller Leistung und tugendhafter Haltung. Der Staat überließ der Industrie alle Fragen der Versorgung und übernahm den Schutz des Eigentums durch Justiz, Polizei und Armee. Europa lebte auf Kosten des Rests der Welt und behauptete zugleich seine moralische und geistige Überlegenheit.

Die Nutzung von Kohle als Energieträger vervielfältigte die Produktion. Schon früh wies der englische Ökonom William Stanley Jevons auf deren Endlichkeit hin, doch die ideologische Basis des Liberalismus setzte sich fort. Die modernen Techniken veränderten die Gesellschaften grundlegend, Investoren und große Aktiengesellschaften wurden immer bedeutsamer, zugleich nahmen Ausbeutung und Armut zu. Der französische Philosoph und Wirtschaftstheoretiker Pierre-Joseph Proudhon schockierte die etablierte Gesellschaft mit seiner Schlussfolgerung: „Eigentum ist Diebstahl.“ Boden, Wasser, Luft und Licht könnten nur gemeinsame Sachen sein, weil jeder Mensch darauf angewiesen sei.

Marx sah das Problem

Mit dem Fortschrittsglauben brach Proudhon freilich nicht – wie andere Sozialisten wollte er den Überfluss nur vergesellschaften. Dabei sah Karl Marx durchaus, dass der „Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde“ gestört sei durch den Transport riesiger Materialmengen vom Land in die Stadt und von den Kolonien in die Industrieländer. Auch die Fruchtbarkeit der Böden hielt er für gefährdet.

Das Buch

Pierre Charbonnier: „Überfluss und Freiheit. Eine ökologische Geschichte der politischen Ideen“. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, 512 Seiten, 36 Euro.

Doch letztlich vernachlässigten demokratische und sozialistische Bewegungen ökologische Fragen und die Natur. Charbonnier kritisiert, dass linke Denker das Thema Land sowohl im Sinne des produktiven Bodens als auch der Identität reaktionären und später faschistischen Kräften überlassen haben.

Mit dem Öl- und Atomzeitalter nach dem Zweiten Weltkrieg weiteten sich Massenproduktion und Externalisierung der ökologischen Kosten noch einmal rasant aus. „Marcuse sagt treffend: Es ist nicht so, dass die unteren Klassen aus Trägheit oder mangelnder Einsicht zur Gegenbewegung übergelaufen sind, vielmehr erkannten sie durchaus, dass sie von den Folgen des Wachstums mehr zu erwarten hatten als von der Fortsetzung des sozialen Kräftemessens“, fasst Charbonnier die Erkenntnis des Vertreters der Frankfurter Schule zusammen.

Das Projekt der Autonomie

Während der Club of Rome mit den „Grenzen des Wachstums“ noch von einer Berechenbarkeit und Kontrollierbarkeit der Zukunft ausging, wandten sich die Sozialwissenschaften nun immer stärker den Risiken zu. Klar wurde, dass Natur, Boden und Atmosphäre auf die menschliche Lebensweise in unvorhersehbarer Weise reagieren – und die Konstruktion der Welt seit der industriellen Revolution niemals zur „soziohistorischen Norm“ werden kann. Und nun?

Charbonnier widmet dem Thema der politischen Ökologie zwar ein Kapitel und betont, dass feministische, postkoloniale und ökologische Bewegungen zu einer tiefgreifenden Umgestaltung des politischen Wissens geführt haben. Doch die meisten – männlichen – Theoretiker, die Charbonnier zitiert, arbeiten sich an den Ausbeutungsverhältnissen ab. Dagegen bleiben Subsistenzgemeinschaften und kritische Bewegungen, die das „Projekt der Autonomie neu konstruieren“ können, beim Autor summarisch und abstrakt.

Das liegt sicher auch daran, dass Charbonnier rein ideengeschichtlich arbeitet und keinen Zugang zu realen Erfahrungen hat. So kommt er zu dem Schluss: „Jenseits von seinen Fehlschlägen, vor allem im Umweltbereich, hat der Sozialismus ein Erbe hinterlassen, für das man im Gedächtnis des politischen Denkens absolut kein Äquivalent findet.“ Damit bleibt er in seiner Blase und weit zurück hinter dem, was in Commons-, Degrowth- und anderen Teilen der Transformationsbewegungen inzwischen diskutiert wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

26 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wann, / weswegen hat sich das Tier Mensch so wesentlich anders entwickelt als die anderen Tiere, mit daraus resultierender starken Eingriffen in die Umgebung. Das ging schon viel, viel früher los mit Werkzeug und Feuer und wurde immer stärker. Eine Veränderung (eine erbliche "Erkrankung) des Gehirns und des Körperbaus (beide Geschlechter) betreffend.



    Der Mensch (w/m/d) das ist der Affe mit dem Dachschaden.

  • Unser gestörtes Verhältnis zu Natur hat etwas mit der Bibel zu tun und mit 1500 Jahren Katholizismus!



    Zitat: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel ..."

  • Mir fehlt in diesem Artikel ein Aspekt: Die Weltbevölkerung. Die betrug in der ersten Hälfte der besprochenen 400 Jahre unter einer Milliarde. Im Vergleich zu heute hatte die Menschheit acht Erden zur Verfügung. Wenn der Wohlstandsmensch heute "drei Erden" verbraucht, war das bis ca. 1950 durchaus möglich, ohne den Planeten zu überlasten. Der Überfluss an Ressourcen mag ein Grund dafür sein, dass Denker um 1800 sich mit dem Problem nicht beschäftigten.

    Laut Umweltbundesamt hat Deutschland seit 1990 seine Treibhausemissionen um ein Drittel gesenkt. Trotz großem Wohlstandsgewinn.

    Das Problem ist eher, dass natürliche Rohstoffe außer den reinen Erschließungkosten keinen Preis haben, weil sie "niemandem gehören". Selbst das sozialistische Denken, Ressourcen seien "Allgemeingut", ist falsch, denn sie gehören nicht dem Menschen.

    Die Überschrift ist reißerisch und toxisch für das Geschlechterverhältnis. Wenn man aber das Ganze schon am Geschlecht festmacht: Männliches Denken schafft durchaus Technologien, die Treibhausgase senken können. Gleichberechtigte Frauen aber bekommen weniger Kinder, und lösen damit das Bevölkerungsproblem. Europa ist der einzige Kontinent mit schrumpfender Bevölkerung. Das ist kein Anlass zur Sorge, sondern zur Hoffnung.

  • Ich finde es gut, auch mal wieder ganz klassische Buchbesprechungen zu lesen. Der Autor scheint zu argumentieren, dass die Tradition der gesellschaftlichen Moderne inklusive Wissenschaft und Marktwirtschaft alles zugrunde gerichtet hat. Das Gegenteil wären bäuerliche, feudale und religiös doktrinäre Gesellschaften, die irgendwie "natürlicher" wären. Insofern sind das alles Ideenmotive, die man spätestens seit den 1980er in sämtlichen öko-schärmerischen, antimodernen Gedankenwelten antrifft. Komischerweise kommt das Motiv "die Männer sind schuld" nur in den Worten der Rezensentin und in der Überschrift vor.

  • Den Vorgang des Denkens in "männlich" und "weiblich" zu unterscheiden, ist nicht einfach nur sexistisch, es ist schlicht albern. Wenn es angeblich 70 Geschlechter gibt, und wenn das Geschlecht tatsächlich Einfluss auf das Denken hätte, dann gäbe es schon mal 70 verschiedene Arten, zu denken, nicht nur 2.

    Viel entscheidender als das Geschlecht dürften aber Sozialisation, persönliche Lebenserfahrung und nicht zuletzt das Amt sein, das man auszufüllen hat. Da zeigt sich dann, dass weibliche Herrscher ganz genauso wie männliche handeln, einfach weil das Amt und die Lebensrealität das so erfordern.

    Generell gibt es keine Evidenz für die wilden Thesen des Herrn Philosophen, denn dafür müsste es eine hinreichend große Anzahl weiblicher Herrscher geben bzw. gegeben haben.

    • @Pommes Leibowitz:

      Wie soll den eine konservative weibliche Herrscherin in einer männlichen Welt feministisch denken und handeln können ?!? - Geht ja gar nicht ohne männliches Denken der Herrscherin - sonst droht die Absetzung.

    • @Pommes Leibowitz:

      Wenn ich ihnen jetzt sage, dass auch Frauen männlich denken können - kommen Sie dann dem Verständnis der Sache näher?

  • Die Hausordnung der Natur ist im Kleingedruckten zu finden - und jeder weiss: wehe man liest es nicht.

  • Es stimmt natürlich, dass die meisten Entscheidungen in den letzten 400 Jahren vo Männern getroffen wurden, einfach weil strukturell Männer mehr Macht hatten und immer noch haben. Aber daraus abzuleiten, dass diese Entscheidungen aus einem explizit männlichen Denken entstanden sind, ist letztlich ein Zirkelschluss, es gibt überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass es ein explizit anderes weibliches Denken gibt, das zu anderen Entscheidungen geführt hätte.

    Zumal unte3 diesen Machtstrukturen auch viele richtige und gute Dinge passiert sind, es gab ja in den letzten 400 Jahren unglaubliche Fortschritte, technische und medizinische Entwicklungen haben zu erheblichen höherem Lebensstandard und Lebenserwartung geführt, Demokratie und Menschenrechte haben sich auf großen Teilen der Welt verbreitet, soziale Strukturen haben sich entwickelt, auch das Bewusstsein für die Umwelt und klimafreundliche Technologien sind aufgrund dieser Strukturen überwiegend männlichen Hirnen entsprungen. So schlecht ist das männlichen Denken also gar nicht. Nur ist es eben wahrscheinlich gar nicht grundlegend anders, als das von Frauen.

    • @Ruediger:

      Lächerliche Egoblasen, in denen sich Männer verweigern "Männliches Denken" wahrzunehmen und mit "Schuld" in Verbindung zu bringen. Mein Mitleid zur Kurzsichtigkeit haben diese Blockierer schon seit Jahrzehnten - aber auch meinen Ärger über deren ständigen Störens von Diskussionen.



      Männer besitzen Banken und schließen dort Frauen explizit aus von Teilnahme, so wie sie es überall tun, so es um Macht und Waffen geht. Sie wissen genau (!) , daß sie nur so ihre kaputte Denke und Allmachtphantaisen über Boden, Resourcen und Gesellschaften ausleben können.



      Frauen würden dergleichen nicht machen, wenn sie Banken, Waffenfabriken und den Vatikan führen täten !!



      Sie würden aber nicht nur männer nicht ausschließen, sondern auch nicht deren menschenverachtenden Ziele und resourcenverschwendenden Handeln teilen !!



      Befruchter sollten sich einfach überall etwas zurücknehmen und versuchen das Leben so zu genießen wie es ist, ohne dabei ständig übergriffig auf andere zu sein, seien es Mitmenschen, fremder Kulturen oder kulturelle Güter ihrer Nachbarn.

      Einfaches Beispiel: Leider braucht nur es nur eines einzigen Mannes in einem Wohnvertel, der sich einen flotten Wagen kauft, um zu bewirken, daß im nächsten Jahr Dutzende gleicher/flotterer Wagen daneben gestellt werden!

      • @arminarm:

        "Frauen würden dergleichen nicht machen, wenn sie Banken, Waffenfabriken und den Vatikan führen täten !!"

        Haben Sie dafür irgendwelche Belege?

        Wenn ich mir Frauen ansehe, die Führungspositionen in Wirtschaft und Politik sind oder waren, kann ich jedenfalls erstmal keine signifikanten Unterschiede erkennen. Auch ist das Kondumverhalten von Frauen nach meiner Beobachtung nicht grundlegend anders.

    • @Ruediger:

      "Es stimmt natürlich, dass die meisten Entscheidungen in den letzten 400 Jahren von Männern getroffen wurden, einfach weil strukturell Männer mehr Macht hatten und immer noch haben."



      Behauptungen, die durch stete Wiederholungen nicht wahrer werden.



      Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, heißt es doch so schön.



      Dass Frauen in der gesamten Menschheitsgeschichte nichts zu sagen gehabt hätten, ist dermaßen frauenfeindlich, dass einem die Spucke wegbleibt.

      • @Encantado:

        "Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, heißt es doch so schön." Das ist nun wirklich heteronormativer Bullshit. Würde man das umgekehrt über erfolgreiche Frauen sagen, wäre es offensichtlich sexistisch.

      • @Encantado:

        Der Beitrag, auf den Sie sich beziehen, argumentiert differenzierter.

  • "Dabei sah Karl Marx durchaus, dass der „Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde“ gestört sei durch den Transport riesiger Materialmengen vom Land in die Stadt und von den Kolonien in die Industrieländer. Auch die Fruchtbarkeit der Böden hielt er für gefährdet."

    ... und lobte im gleichen Zug die Arbeiten Liebigs:

    "Die Entwicklung der negativen Seite der modernen Agrikultur vom naturwissen- schaftlichen Standpunkt, ist eins der unsterblichen Verdienste Liebigs. Auch seine historischen Aperçus über die Geschichte der Agrikultur, obgleich nicht ohne ... Irrtümer, enthalten Lichtblicke." ( www.gdch.de/filead..._18/2005-18-07.pdf )

    Marx war kein Ökologe. So wie er vom Wachstum in der industriellen Revolution fasziniert war war er auch Fan der landwirtschaftlichen Revolution. Die unendlichen Weiten der früheren LPGs in der ostdeutschen Landschaft zeugen noch heute davon, das Marx kein Gegner der industriellen Landwirtschaft war. Die Ausbeutung der Natur war bei ihm kein Thema.

  • --- Dagegen bleiben Subsistenzgemeinschaften und kritische Bewegungen, die das „Projekt der Autonomie neu konstruieren“ können, beim Autor summarisch und abstrakt. ---

    wohl weil diese selbst höchst "abstrakt" bleiben, ...

    --- Das liegt sicher auch daran, dass Charbonnier rein ideengeschichtlich arbeitet und keinen Zugang zu realen Erfahrungen hat. ---

    - da bildet der ideenhistoriker ganz unwillkürlich/zwangsläufig die realität ab.

    --- So kommt er zu dem Schluss: „Jenseits von seinen Fehlschlägen, vor allem im Umweltbereich, hat der Sozialismus ein Erbe hinterlassen, für das man im Gedächtnis des politischen Denkens absolut kein Äquivalent findet.“ ---

    nun ja, das - diese "äquivalenzlosigkeit" - gilt aber für 2 bis 4 o. 5 weitere politische basis-konzepte genauso, - vom hobbes'schen liberalismus über fichtes antisemitisch-staatsautoritär-preußisch gefärbten autarkismus bis zum konzept der bürgerlichkeit in der franz. revolution, der herrschaft der tugendhaften in der us-amerik. staatsgründung, der naturnah-entwürfe a la "walden I" etc.



    und bei all diesen - inkl. des sozialismus - wäre ZUNÄCHST stets von den ihnen je inhärenten verbrechensneigungen zu sprechen, ...

    --- Damit bleibt er in seiner Blase und weit zurück hinter dem, was in Commons-, Degrowth- und anderen Teilen der Transformationsbewegungen inzwischen diskutiert wird. ---

    ... statt die negativa a priori auf "Fehlschläge" zu reduzieren. das allerdings ist in der tat typisch für eine akademische blase, in der die anspruchsvolleren politischen intellektuellen im 20. jh. schwammen und die sich mit der erosion des akademischen nur sehr langsam auflöst und durch die blase des "aktivismus" wohl weitgehend ersetzt wird.

  • 6G
    651765 (Profil gelöscht)

    Die Herleitung zu den Ursachen der Klimakatastrophe und des Artensterbens hören sich schon ganz schlüssig an. Dafür werde ich mir das Buch sicherlich zulegen. Jetzt bin ich jedoch noch interessiert an Buchempfehlungen zu dem, was in der "Commons-, Degrowth- und anderen Teilen der Transformationsbewegungen" diskutiert wird. Ich würde sagen, dass ich mich als Einsteiger bezeichnen kann, obwohl ich mit vielen der Ideen bereits in Kontakt war. Ich bedanke mich für jeden Vorschlag.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @651765 (Profil gelöscht):

      Ernst Friedrich Schumacher: small is beautifull. Die Rückkehr zum menschlichen Maß (1973 / Wiederauflage 2013), ein Klassiker - auch für Einsteiger.



      Rezension zur Orientierung auf literaturkritik.de/id/18756

  • Mich stört ein wenig, dass das Denken der Mächtigen, mit „männlichem“ Denken gleichgesetzt wird. Sind denn Frauen tatsächlich die besseren Menschen? Wäre das ganze Dilemma in dem wir stecken, durch ein Matriachat verhindert worden?



    Nur mal so als Frage in den Raum geworfen…

    • @DerBademeister:

      Meines Wissens sind Männer die "Macher", Frauen dagegen in der Regel die "CO", also die Helfer. Wenn also ein Mann beschließt Bäume zu fällen um dort ein Geschäft zu errichten, wird seine Frau ihn unterstützen, nicht nur um sich und ihren Kindern ein gutes Einkommen zu sichern, sondern auch, um nicht vom Mann verlassen zu werden. Deshalb haben wir auch kein Matriarchat.

    • @DerBademeister:

      Frauen sind weder besser noch klüger als Männer.

      Aber mit der geschlechtlichen Arbeitsteilung wurde ein wichtiger Teil des menschlichen Naturbezugs genauso externalisiert wie z.B. die Umwelt- und Klimafolgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise.

      Ziemlich sicher wäre das männliche Denken ein anderes, wenn Care- und Beziehungsarbeit keine ausschließliche Frauensache geworden wäre.

      • @sàmi2:

        Genau das!!!!! Das ist der ganze Punkt. Danke. =)



        Durch Sexismus wurde dieses "männliche" Denken gezüchtet, welches man auch als kapitalistisches Denken bezeichnen könnte. Weit weg von den Weisheiten der Intuition und Erkenntnis, die ein Mensch haben könnte, wenn er im Einklang mit ALL seinen Gefühen, Lebensaufgaben und Fähigkeiten wäre. Aber die haben wir verschiedenen Geschlechtern zugeteilt, dem jeweils anderen untersagt, und dann das eine Geschlecht in Ohnmacht abgewertet. (Ohnmacht, weil nicht mächtig. Damit meine ich: Ohne Mitspracherecht). Unser Problem ist definitiv ein patriarchales, kapitalistisches. Deshalb wird es hier "männliches" Denken genannt. "Männlich" sozialisiert, wäre richtiger. Also: Geschlechterstereotype abschaffen, Macht(=Mitspracherecht) gleichmäßig und gerecht (zurück)verteilen!, Kapitalistische/Egozentrierte/Emotionsverleumdende Sozialisation transformieren in eine Sozialisation die Emotionen ernst nimmt! Dh ihnen Raum gibt und den Umgang mit ihnen als eine wichtigste Lernaufgabe versteht und annimmt. Weg vom Ego hin zum Sozialen. Das ist notgedrungen auf alles Leben im Universum zu beziehen. (Kein Wunder dass im Buch der extrem patriarchalen Kirche EINE höchste Form männlich deklariert wird, und der Mensch(Mann) sich den Rest der Welt unterwerfen soll. Patriarchat und Kapitalismus sind zwei Seiten derselben Medaille. Das "Männliche" ist in meinen Augen eigentlich ein Symbolträger. Allerdings hat das männliche auch an seiner Macht festgehalten. Aber die Schuldfrage ist immer strukturell zu beantworten!)

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @sàmi2:

        Worin liegen die Gründe, dass es so geworden ist? An der kulturellen Transformation des Biologischen ins Soziale?

      • @sàmi2:

        @Linni & @ Sami2



        Vielen Dank für Eure Antworten!



        Die klingen sehr plausibel und interessant.

      • @sàmi2:

        So ist es! Ich teile Ihre Einschätzung!