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Neuer Termin für Glyphosat-ZulassungEU-Kommission will Kompromiss

Der Streit über den von Monsanto entwickelten Unkrautvernichter steuert auf den Showdown zu. In zwei Wochen soll in Brüssel erneut entschieden werden.

Protestaktion in Hamburg gegen das Monsanto-Herbizid Roundup Foto: dpa

Brüssel dpa | Die EU-Kommission will den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat nur noch fünf statt zehn weitere Jahre zulassen, muss aber auch dafür um eine Mehrheit zittern. Die Grünen – mögliche neue Regierungspartei in Berlin – kritisieren auch den neuen Vorschlag. Und EU-Diplomaten äußerten am Freitag Zweifel, ob er im Kreis der EU-Länder den nötigen Rückhalt findet.

Der Unkrautvernichter wird weltweit genutzt, er steht aber im Verdacht, Krebs zu erregen und die Umwelt zu schädigen. Die aktuelle Zulassung in Europa läuft Mitte Dezember aus. Da die EU-Kommission für eine Verlängerung um zehn Jahre keine Unterstützung fand, schlug sie am Donnerstagabend fünf Jahre vor. Experten der EU-Länder sollen am 9. November entscheiden.

Ob Deutschland den Vorschlag mitträgt, ist fraglich. Schon die amtierende Bundesregierung ist in der Frage uneins und hat sich im Kreis der EU-Länder enthalten. Die Grünen kämpfen als Partner einer möglichen Jamaika-Koalition gegen Glyphosat. „Der neue Vorschlag ist ein reiner Scheinkompromiss, wenn sich außer der Jahreszahl nichts ändert“, erklärte der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner am Freitag.

Zwar hatte auch das Europaparlament eine Frist bis 2022 gefordert, also ebenfalls fünf Jahre. Dabei gehe es aber nicht um eine reine Verlängerung, sondern um den schrittweisen Ausstieg, betonte Ebner. „Solange die EU-Kommission davon nichts in ihren Vorschlag aufnimmt, wird er keine Mehrheit finden.“ Die Zeit sei reif für den Glyphosat-Ausstieg.

Die Kommission spielt den Ball jedoch zurück. Sie verweist auf die EU-Verordnung über Pflanzenschutzmittel, wonach auch nach einer europäischen Zulassung jedes Mitgliedsland selbst noch einmal entscheiden und bei ernsten Bedenken die Lizenz verweigern kann. „Ein Pflanzenschutzmittel darf nur in Verkehr gebracht oder verwendet werden, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat gemäß der vorliegenden Verordnung zugelassen wurde“, heißt es im Regelwerk.

Mitgliedsstaaten können verbieten

Eine Kommissionssprecherin betonte am Freitag: „Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, Pflanzenschutzmittel auf ihren Märkten zuzulassen. Es ist ihre Verantwortung zu entscheiden, für wie lange und welche Bedingungen für die Nutzung der Produkte gelten.“ Wenn unmittelbare Sorge um die Gesundheit von Menschen bestehe, könnten die Mittel sofort vom Markt genommen werden. Gebe es solche Bedenken nicht, könne dies mit einer kurzen Übergangsfrist geschehen.

Wissenschaftler sind uneins über das Krebsrisiko durch Glyphosat. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) stufte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen ein. Die EU-Lebensmittelbehörde Efsa und die Chemikalienagentur Echa kamen aber zu dem Schluss, dass verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse für eine solche Einstufung nicht ausreichten. Umweltschützer zweifeln ihrerseits an der Aussagekraft der zugrundeliegenden Studien.

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4 Kommentare

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  • 5 Jahre als Kompromiss? Es gibt drängende Fragen, die ein sofortiges Handeln erfordern.

     

    Ethisch ist es nicht vertretbar, was da mächtige Staaten wie Deutschland angeführt zum Beispiel von der CDU dort anstreben. Ein weiteres Insektensterben wird am Ende die Lebensmittelproduktion beeinträchtigen. Lebensmittel werden teurer.

     

    Und es ist jetzt schon klar, dass die Verteilungskämpfe bei entzogener Lebensgrundlage hart werden.

  • Sehen wir das Ganze doch mal durch die Brille des Landwirts. Die Produktion wird teurer, weil ohne Glyphosat mehr Bodebearbeitung nötig wird, Quecken lassen sich schwieriger bekämpfen und es wird mehr Bodenerosion geben. Nun wie kann der Landwirt darauf reagieren? Er steigert seine Erträge mit noch mehr Chemie und fängt so die Mehrkosten auf. Er baut mehr Mais an, im Mais ist Chemie für die Queckenbekämpfung zugelassen. Mit der zusätzlichen Bodenerosion werden die Landwirte wohl leben müssen. Ob der Umwelt ein Glyphosat Verbot nützt glaube ich mal nicht.

  • Wie könnte wohl ein "Kompromiß" aussehen, und was würde er bedeuten? Nur noch 5 Jahre lang die Umwelt vergiften, das Insektensterben beschleunigen und die giftigen Rückstände u. a. auch im menschlichen Organismus entsorgen?

     

    Kommt ein solcher Kompromiß zustande, dann werden sehr viele Politiker all ihr Geschick an Spitzfindigkeit aufbringen müssen, um mosantogefällig den großen Nutzen für Mensch und Umwelt hervorzuheben.

     

    Alternativ ließe es sich vielleicht auch hinbekommen, alle Glyphosatgegner kurzerhand als Feinde des Systems hinzustellen, was ja insoweit zutreffend wäre, das das Mosantosystem allenfalls bei den nach-mir-die-Sintflut-Finanzhaien beliebt ist.

     

    Und dann stellt sich erneut eine hypothetische Frage: Wie hätten die Menschen in Europa wohl reagiert, wenn schon vor der Gründung der EU mit dem Slogan geworben worden wäre "Stimmt alle zu, wir vergiften euch und die Umwelt nachhaltig!"?