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Streit um PestizidWenige Glyphosat-Freunde in der EU

Das war wohl nichts: Die Europäische Kommission ist mit ihrem Vorschlag gescheitert, das meistverkaufte Pestizid nur noch 5 bis 7 Jahre zu erlauben.

Herbizid-Einsatz in Niedersachsen Foto: dpa

Das Neue

Es wird eng für Glyphosat, das weltweit meistverkaufte Pestizid. Der Europäischen Kommission ist es am Mittwoch bei einer Sitzung von Vertretern der EU-Staaten nicht gelungen, ihren Vorschlag durchzusetzen, das Unkrautvernichtungsmittel für weitere 5 bis 7 Jahre zuzulassen.

Ursprünglich wollte die Behörde die Zulassung sogar um 10 Jahre verlängern. Als klar wurde, wie EU-Diplomaten berichten, dass selbst der abgespeckte Entwurf keine ausreichende Mehrheit finden würde, ließ die Kommission den zuständigen Ausschuss der Mitgliedstaaten gar nicht erst abstimmen. Doch der Zeitdruck wächst: Am 15. Dezember läuft die aktuelle Zulassung aus.

Der Kontext

Das Pestizid wird auf rund 40 Prozent der deutschen Ackerfläche und in Gärten oder Grünanlagen gespritzt. Aber genau diesen Stoff stufte die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Die Wissenschaftler beriefen sich insbesondere auf beunruhigende Ergebnisse von Tierversuchen.

Rückstände der unter anderem vom US-Konzern Monsanto hergestellten Chemikalie finden sich immer wieder in Lebensmitteln. Auch die Artenvielfalt ist gefährdet: Glyphosat zerstört so gut wie alle Pflanzen auf dem Feld und damit laut Umweltbundesamt auch Nahrung beispielsweise für Vögel.

Die Reaktionen

Umweltschützer und Grüne freuen sich darüber, dass die Vorschläge für die Verlängerung um 5 bis 10 weitere Jahre gescheitert sind. „Das ist ein großer Erfolg für uns Grüne und die Zivilgesellschaft“, sagte der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Seine Partei werde sich bei ihren möglichen Regierungspartnern Union und FDP dafür einsetzen, dass „es keine nochmalige Verlängerung gibt“.

Der EU-Bauernverband Copa-Cogeca hingegen forderte, Glyphosat sogar für die kommenden 15 Jahre zu erlauben. Die zuständigen EU-Fachbehörden hätten das Mittel für sicher erklärt. Und ohne das Pestizid sei die „bezahlbare Nahrungsmittelversorgung“ gefährdet. Umweltschützer argumentieren dagegen, die deutschen Landwirte seien bis Mitte der 1990er Jahre mit einem Bruchteil der jetzigen Glyphosatmenge ausgekommen.

Die Konsequenz

Die EU-Kommission will „in Kürze“ eine neue Sitzung des zuständigen Ausschusses der Mitgliedstaaten ankündigen. Dort kann sie nur Erfolg haben, wenn sie weiter auf die Glyphosat-Gegner zugeht. Auf das mächtige Deutschland können die Pestizidfreunde weiter nicht zählen. Ein Sprecher der amtierenden Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte am Mittwoch, sie setze sich für einen „grundlegend anderen Umgang“ mit Pflanzenschutzmitteln ein. Die Dauer der Nutzung zu ändern sei „kein Signal dafür“.

Da Agrarminister Christian Schmidt (CSU) für Glyphosat ist, müsste sich die Bundesregierung bei einer Abstimmung in Brüssel enthalten. Das träfe wohl auch auch für eine Koalition von Union, FDP und Grünen zu, die in der Frage ebenfalls gespalten wäre.

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18 Kommentare

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  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Noch was: Interessant, wie sich alle über rechten Populismus aufregen - insb im linken Lager.

    Kann die TAZ dann auch in Zukunft darauf verzichten, "Pestizide" zu benutzen? Der Fachbegriff hier wäre Herbizid.

    Pestizide und seine negative Verbindung mit Pest wird offensichtlich dafür benutzt, um Pflanzenschutzmittel zu diskreditieren.

    Aber vermutlich sind sich die extremen Ränder in ihren Methoden doch manchmal sehr ähnlich...

    • @73176 (Profil gelöscht):

      Pestizide sind der objektive wissenschaftliche Obergegriff !

      Pflanzen"schutz"mittel ist doch wohl der unpassende Begriff für Produkte ,die den Auftrag haben, lebende Organismen zu töten.Totalherbizid, ist wie totaler Krieg gegen Organismen.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich bin ich ebenfalls für einen restriktiveren Einsatz von Glyphosat. Der Grund: In Deutschland wird Glyphosat, als Bestandteil von Totalherbiziden, hauptsächlich für die Bekämpfung von Getreide (inkl Raps, etc.) eingesetzt, dass durch den Mähdrescher wieder ausgeworfen wurde. Durch Grubber (Scheibenegge, etc.) und Pflug könnte man auf Totalherbizide verzichten - insb. weil die Gefahr von resistenten Unkräutern/Ungräsern steigt.

     

    Es fällt mir aber schwer deutlich Position zu beziehen, weil ich weiß, worum es euch eigtl geht: Ideologie! Also das Verbot von (nützlichen) Pflanzenschutzmitteln. Glyphosat wäre nur der Anfang. Ich will aber nicht zurück in die Steinzeit.

    • @73176 (Profil gelöscht):

      Bedanken sie sich bei Ihren Kollegen,die auf völlige Blöckadehaltung schalten und selbst Alternativen zum Pestizideinsatz leugnen und diffamieren.Gäbe es mehr guten Willen wie bei Ihnen wäre das wünschenswert, sonst laufen die Veränderung eben ohne die Landwirte.

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @Jandebuur:

        Es gibt nun mal auch nicht immer eine wirkliche Alternative zu Pflanzenschutzmitteln. Des Wegen ist es gut, dass wir diese Mittel zur Verfügung haben.

        Dass man diese nur dann einsetzen sollte, wenn nötig und wenn möglich auf z.B. mechanische Lösungen zurück greifen sollte, sehe ich allerdings auch so.

  • Es wird leider immer schwieriger sich vernünftig zu ernähren. Diese Stoffe haben ja zumeinst nicht einmal Kennzeichnungspflicht. Am besten man baut einfach selbst an........

  • Das wird nun halt ein bisserl mehr Schmiergeld kosten, aber wenn eines sicher ist, dann dass es am Ende sicher zu keinem Verbot kommt.

  • Der Bauernverband ist kein Bauernverband, sondern eine Herstellerverband. "Die Versorgung sichern" ist eine glatte Lüge, denn es geht nur darum, die Glyphosat-resistenten Nutzpflanzen/-saaten der Hersteller zu verkaufen. Es ging seit Ewigkeiten anders und es wird auch jetzt anders gehen - muss es auch, denn die unerwünschten Pflanzen passen sich an und wachsen irgendwann trotzdem.

    Lebensmittel gibt es mehr als genug, wir exportieren ja sogar welche in Länder, deren Agrarwirtschaft damir damit kaputt machen - als Folge u.a.: Flüchtlingsbewegungen.

    Hier geht es nur darum, die Bauern wirtschaftlich abhängig zu machen und bei vielen ist es jetzt schon so.

    Nebenbei wird die Insekten- und Vogelwelt drastisch dezimiert.

    Und diesen Chemiedreck können die Bauern gerne behalten, wir kaufen eh nur Bio.

    • @Mitch Miller:

      Danke, sehe ich genauso!

    • 7G
      73176 (Profil gelöscht)
      @Mitch Miller:

      Jemanden einer Lüge zu bezichtigen ist ein ziemlich schwerer Vorwurf. Welche Nutzpflanzen sind denn in Deutschland (!) gegen Glyphosat resistent? Bitte mit Quellenangabe!

      Und inwieweit werden denn Bauern wirtschaftlich von Glyphosat abhängig gemacht?

      • @73176 (Profil gelöscht):

        Bei der richtigen Zuordnung von Resistenzen kann schon mal einiges mißverstanden werden von Bürgern. Richtig ist jedoch, daß die landwirtschaftlichen Fachzeitschriften vor den Resitenzgefahren eindringlich warnen ,die mit dem Pestizideinsatz verbunden sind. Da bahnt sich ein riesiges Problem an.

        Und da sehr viele Landwirte stumpf behaupten ,sei wären ohne Glyphosat nicht konkurrenzfähig, muß der Eindruck der Abhängigkeit bestehen bei dem Bürger.

        • 7G
          73176 (Profil gelöscht)
          @Andreas J:

          Ich weiß noch nicht, wann ich die Zeit finde, mir die Doku anzuschauen.

          Sie können mich ja schonmal aufklären: Welche Nutzpflanzen sind in Deutschland (!!!) gegen Glyphosat resistent?

          • @73176 (Profil gelöscht):

            Sie sollten sich die Zeit nehmen. Die Doku ist sehr informativ. Sie zeigt, wie Monsanto die Öffentlichkeit über die Gefahren Ihres Produkts Roundup systematisch belügt. Im Artikel steht ja: "Das Pestizid wird auf rund 40 Prozent der deutschen Ackerflächen und in Gärten oder Grünanlagen gespritzt." Warum sollte sonst die Agrarlobby gegen ein Verbot auf die Barrikaden gehen? Alle Nutzpflanzen die von Monanto genmanipuliert wurden, sind resistent gegen Glyphosat.

            Übrigens hat Monsanto drei Patente auf Glyphosat:

            1:als industieller Rohrreiniger, weil es Schwermetalle bindet und Wasserlöslich macht. Allein in Srilanka gibt es 65.000 Bauern mit schweren Nierenschäden durch verseuchtes Brunnenwasser und wurde von der Regierung verboten.

            2. als Unkrautvernichter.

            3. als Antibiotika. Am empfindlichsten reagieren Bakterien die wichtig für das Leben sind, wogegen gefährliche zunehmend resistent werden. Durch Fütterung von Gensoja wird das auch in der Viehzucht immer mehr zum Problem . In den USA und in Argentinien treten, seit dem Einsatz von Roundup immer mehr neue Pflanzenkrankheiten auf, da ihnen nützliche Bakterien im Boden fehlen. Kann man alles wissenschaftlich belegt in der Doku sehen.

            Guten Appetit!

            • @Andreas J:

              zu3. Glyphosat ist kein Antibiotikum,

              Es gibt fast keine Bakterien, die EPSP-Synthase fehlt dazu.

              Und Glyphosat Resistenzen haben genau nichts mit Antibiotika Resistenzen zu tun. Ein Blick in die Wirkungsweise von ABs dürfte das eigentlich klar machen.

               

              zu1. Glyphosat ist nirgends als Rohrreiniger verkauft worden, zu dem dürften dann die gelösten Verschmutzungen (Schwermetalle) zu gesundheitlichen Problemen führen und nicht der Wirkstoff.

              Die Schwermetalle werden zu dem vermutlich ein Grundproblem in diesen Trinkwasserbrunnen sein, gesund ist das nicht.

               

              Und nein, Monsanto verkauft auch eine ganze Reihe GVOs, die mit RoundUpReady nichts zu tun haben, das sind dann BT-Traits (Mais, Baumwolle)

              Die vertragen auch kein RoundUp.

               

              zu2:

              Und "Patente" auf Glyphosat als Herbizid gibt es seit rund 20 Jahren nicht mehr.

              Seit 2015 und 16 sind dann auch die Patente auf RR-Mais und RR-Soya abgelaufen, es gibt mittlerweile eine Reihe günstiger RR-Generika-Kulturen.

            • 7G
              73176 (Profil gelöscht)
              @Andreas J:

              Ich habe nie angezweifelt, dass Herbizide mit Bestandteil Glyphosat in Deutschland angewendet werden (siehe mein Kommentar um 09:12 oben).

               

              Es geht mir um die Unwahrheiten und Halbwahrheiten, die immer wieder verbreitet werden, weil heute jeder mit Moral, Emotionen und Bauchgefühl argumentiert - aber nicht mehr mit Fakten.

              In Deutschland ist der Anbau von Gen veränderten Nutzpflanzen verboten. Somit sind die Aussagen von Mitch Miller, der offensichtlich Bezug auf Deutschland nimmt, FALSCH!

              • @73176 (Profil gelöscht):

                Der deutsche Widerstand ist auch ein Zeichen der Soldarität mit den unter Gentechnik leidenden Bauern ,die alleingelassen sind in anderen Ländern.

                Wenn in D keine Gentechnik erlaubt ist ,ist deswegen nicht gleich Glyphosat auch weniger gefährlich.

                • @Jandebuur:

                  Und welche Auswirkungen hätte ein Verbot in der für den Rest der Welt?

                  Nullkommanull.

                  In Afrika, Asien oder Amerika wird man den Wirkstoff trotzdem einsetzen, denn dort ersetzt er gerade in RR-Kulturen toxische Wirkstoffe.