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Neuer TV-Krimi aus BrandenburgHauptsache, Haltung

Im Film „Wolfswinkel“, zu sehen am Mittwoch im Ersten, muss sich eine Dorfpolizistin entscheiden – für oder gegen das richtige Gedenken.

Noch sind Melanie (Annett Sawallisch, l.) und Lydia (Claudia Eisinger) froh, dass sie zusammen sind Foto: Zischlermann/WDR

Es fehle dort die „Zivilgesellschaft“, heißt es immer, wenn in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg, also irgendwo im Osten, wieder etwas passiert ist. Wenn wieder so ein ganzes Dorf voller Ossis die Demokratie nicht verstanden und vor einer Flüchtlingsunterkunft randaliert hat, zum Beispiel.

Das ist natürlich ein schlimmes Klischee. So einfach darf man es sich nicht machen. Man muss schon genau hinschauen. Das offensichtlich hat sich der Spielfilm vorgenommen, der so heißt wie das fiktive Dorf „Wolfswinkel“ im Brandenburgischen, in dem sich die Handlung zuträgt: „Ja, kick doch mal! Da hat jemand die Straße jeklaut!“ Hat er nicht. Elvis (Jörg Schüttauf), Bauunternehmer und Bürgermeister in Personalunion, hat ganz ordnungsgemäß einen Gemeinderatsbeschluss organisiert, bevor er die Pflastersteine ausgegraben und verscherbelt hat.

Und daran, dass sie einst von Zwangsarbeitern verlegt und ergo keine bloße Straße, sondern darüber hinaus steinernes Mahnmal sind, stört sich allein die gestrenge Grundschullehrerin Anja (Alina Lev­shin). Sie, Melanie (Annett Sawallisch) und Lydia (Claudia Eisinger) waren in ihrer Schulzeit beste Freundinnen. Und dann ist passiert, was eben passiert: das Leben. Geplatzte Träume.

Melanie wollte als Sängerin groß rauskommen – jetzt ist sie die Dorfpolizistin, gerade schwanger von einem gelegentlich vorbeischippernden Flussschiffer mit Familie in Polen. Anja wollte einmal Bildungsministerin werden und den Religionsunterricht abschaffen – jetzt macht sie mit dem Pastor rum, wie Lydia das nennt, die ihrem Traum von der Schauspielkarriere wohl am nächsten gekommen ist: als Darstellerin des „Biestes“ in einer Daily Soap.

Ick hab meine Meinung

Aber damit ist nun Schluss, sie kehrt in ihr altes Dorf zurück, um sich dort als heimattümelnde Bloggerin ein neues Publikum zu suchen: „Unser altes Kriegerdenkmal, das haben die Russen weggeräumt. Aber müssen wir uns deshalb auf ewig für unsere tapferen Soldaten schämen?“ Auch sie setzt auf steinernes Gedenken, ein großer Findling wird auf dem Dorfplatz abgeladen – und so stehen sich die einstigen Freundinnen Anja und Lydia bald in einem unversöhnlichen Kampf um Mahn- und Denkmal gegenüber. Und Melanie?

„Ick hab schon meine Meinung.“

„Und die wäre?“

„Irgendwie habta beede recht.“

Melanie will sich nicht entscheiden, will, wie die schweigende Mehrheit, dass Ruhe ist: „Wenn ihr euch beede weiter so beharkt, dann bringt det noch det janze Dorf durcheinander. Und det brauchen wa nu wirklich nich!“

Die „Wolfswinkel“-Regisseurin Ruth Olshan hat in ihrer Vita viele engagierte Kurz- und Dokumentarfilme vorzuweisen, etwa auch für die Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin. Am Drehbuch haben außer ihr Alfred Roesler-Kleint und Scarlett Kleint mitgeschrieben, deren Portfolio Liedtexte ebenso umfasst wie Krimis und Zeitgeschichtliches – wie den schlimmen, ärgerlichen, die Stasi verharmlosende Film „12 heißt: Ich liebe dich.“

Bräsige Betulichkeit

Von allem findet sich etwas in „Wolfswinkel“: Die bräsige Betulichkeit auf der Dorfpolizeiwache kennt man aus zahllosen Regionalkrimiversionen à la „Mord mit Aussicht“. Es gibt ein eingebautes Musikvideo mit viel Personal, ein bisschen nach dem Muster des Clips zu U2s „Sweetest Thing“.

Der Film

„Wolfswinkel“, ARD, 20.15 Uhr, und ARD-Mediathek

Zwangsarbeiter und Krieger sind natürlich schwer zeitgeschichtliche Motive. Vor allem aber trägt „Wolfswinkel“ seine Engagiertheit wie eine Monstranz vor sich her, auf dass auch die lustigen Regionalkrimi-Fährten zur Auflockerung nichts beizutragen vermögen. Falls sie das denn sollen. Es ist nämlich schon nicht nachzuvollziehen, wie in diesem Film überhaupt hätte zusammengehen sollen, was nicht zusammengeht.

Es erhellt sich nicht, ob die Eskalation des Konflikts zwischen der Lehrerin und der Bloggerin einfach nur unglaubwürdig und damit schlecht geschrieben ist – oder ob die beiden vielleicht bewusst als solche Knallchargen in einem um Volkstümlichkeit bemühten Lehrstück angelegt sind.

Und wenn es ein Lehrstück ist, dann soll wohl am Beispiel der zunächst indifferenten, beschwichtigenden Melanie vorgeführt, durchexerziert werden, dass es Situationen gibt, in denen man sich entscheiden, in denen man Haltung zeigen muss. In „Wolfswinkel“ sind es am Ende drei Figuren, die diese Haltung zeigen. Dreimal mehr als am Anfang. Aber selbst im klitzekleinsten Kaff in Brandenburg nicht genug für eine „Zivilgesellschaft“.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieser engagierte Film etwas will. Nur was?

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