Neuer Präsident in Somalia: „Mister Käse“ soll es richten
Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt „Farmaajo“ (Käse), hat überraschend die Wahl gewonnen. Er könnte ein Ende der Korruption einleiten.
Der neue Staatschef hat den Ruf, transparent und nicht korrupt zu sein. Er war sehr beliebt während seiner kurzen Zeit als Regierungschef 2010/2011. Damals sorgte er dafür, dass Regierungssoldaten bezahlt wurden und Minister ihre Vermögenswerte offenlegen: eine ganz neue Art der Transparenz in Somalia. Kein Wunder, dass der Premier daraufhin politischen Machenschaften zum Opfer fiel.
„Farmaajo“, wie Mohamed in einer somalischen Verballhornung des italienischen Wortes für Käse genannt wird – der Süden Somalias war früher italienische Kolonie –, kehrte daraufhin zurück in sein zweites Vaterland, die USA, wo er an Universitäten arbeitete und auch wie früher an der New Yorker Verkehrsbehörde. Er hält beide Staatsbürgerschaften. Seine Anhänger gründeten in Somalia die Partei „Tayo“ (Qualität).
Der scheidende Präsident Hassan Sheikh Mohamud, der 2012 bei einer indirekten Wahl bestimmt wurde, bekam weder die Korruption noch die Sicherheit in den Griff. Die islamistische Miliz Al-Shabaab, die zeitweise fast den gesamten Süden Somalias beherrschte, kontrolliert zwar keine Städte mehr, aber verübt regelmäßig Anschläge. Somalias Hauptstadt Mogadischu bleibt eine Stadt im Kriegszustand. Die Präsidentschaftswahl jetzt fand auf einem Hochsicherheitsgelände im hermetisch von ausländischen Eingreiftruppen abgeriegelten Flughafen von Mogadischu statt. Es waren wahrscheinlich die längsten Wahlen der Welt. Normale Bürger konnten nicht wählen. Klanälteste bestimmten über 14.000 Delegierte, die wiederum 275 Parlamentsabgeordnete wählten. Die Parlamente der sechs designierten Bundesländer Somalias – Puntland, Somaliland, Jubbaland, South West State, Galmudug, Hirshebelle – bestimmten 54 Mitglieder des Senats. Beide Häuser zusammen wählten den neuen Präsidenten.
Der Wahlprozess begann im Oktober 2016 und offenbarte, wie Politiker Stimmen kauften, mit manchmal Hunderttausenden von Euro. Viele der Parlamentarier haben wie Mohamed eine doppelte Nationalität. Sie führten einen Teil ihrer Kampagne in den USA, wo viele Somalier leben.
Obwohl es keine normalen Wahlen waren, glauben viele in Somalia, dass es der erste Schritt zur Normalität sei in einem Land, das seit 1969 keine normalen Wahlen kannte und seit Ende der 1980er Jahre keinen Frieden. Präsident Mohamed muss jetzt zeigen, dass er die Bevölkerung nicht enttäuscht wie sein Vorgänger. Die Menschen in Somalia wollen Frieden und ein Ende der tief verwurzelten Korruption. Eine riesige Aufgabe für den neuen Staatschef. Freudenkundgebungen in Mogadischu nach seiner Wahl machten deutlich, wie groß die Hoffnungen sind, die in ihn gesetzt werden – und die Erwartungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja