Neuer Berliner „Tatort“: Tod in Hipster-Land
Eine Schlägerei im U-Bahnhof endet tödlich. „Gegen den Kopf“ führt uns subtil und sehr gelungen die perverse Dynamik des Wegschauens vor.
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Warum der Mann sterben musste, da am Bahnsteig der Berliner U-Bahn-Station Schönleinstraße, wo Kreuzberg aufs Hipster-Neukölln trifft, will der Kommissar am Ende vom Täter noch wissen. „Einfach so“, sagt der lächelnd. „Es gibt keinen Grund.“ Da hatte sich nur einer eingemischt, als zwei Jungs einen Alten belästigt haben. Der Klassiker, Zivilcourage und so.
Es ist noch nicht mal ein Jahr her, dass die Leipziger „Tatort“-Kollegen des Duos Stark (Boris Aljinovic) und Ritter (Dominic Raacke) einen Mordfall im ÖPNV lösen mussten, da nimmt sich auch der RBB in „Gegen den Kopf“ die Brutalität von U-Bahn-Schlägereien vor. Man könnte da jetzt ein bisschen über Themendichte meckern (auch weil wieder ein Vater ein Doppelleben führt, das gab’s im April in einer Kölner Folge), aber in diesem Fall: nö, passt schon.
Von diesen Übergriffen gibt es in der Hauptstadt auch wahrlich genug, in der Silvesternacht wurde ein Mann getötet, und irgendwie fällt einem auch sofort das Urteil von Mitte August gegen die jungen Kerle ein, die vergangenen Herbst auf dem Alexanderplatz Johnny K. ermordet haben. „Von Reue keine Spur“, lauteten die Schlagzeilen.
Regisseur und Autor Stephan Wagner (gerade für „Der Fall Jakob von Metzler“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet; mancher wird sich an sein „In Sachen Kaminski“ erinnern) führt uns sehr subtil eine perverse Dynamik vor: von Passanten, die wegschauen, sich einmischen, sich nicht erinnern können.
Vor allem aber dröselt er in der Story ganz großartig auf, wie sich die Hierarchie in einer Jungsfreundschaft verschiebt. Auf der einen Seite Konstantin (Jannik Schümann), Neureichen-Sohn aus dem Westend, auf der anderen Achim (ganz großes Kino: Edin Hasanovic), vorbestraft.
Berlin-„Tatort“: „Gegen den Kopf“; So., 20.15 Uhr, ARD; Regie und Buch: Stephan Wagner; Kamera: Thomas Benesch; mit Dominic Raacke, Boris Aljinovic, Ruth Reinecke, Jannik Schümann, Tristan Seith, Ernst-Georg Schwill, Edin Hasanovic
Das Beste aber ist: Wagner hat ein paar sehr leichte Szenen eingewoben, schon allein die lohnen sich. Von Moralinsäure keine Spur. Zum Glück.
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