Neue politische Spitze in Hamburg: Warmer Applaus
Designierter Bürgermeister Tschentscher kündigt bessere Zeiten für Hamburg an. Die Grünen sind skeptisch. Leonhardt neue SPD-Vorsitzende.
Er sei sich sicher, dass es mit den beiden für Hamburg und die SPD „eine gute Zeit wird“, sagte Scholz, der über neun Jahre lang als Parteichef und sieben Jahre als Erster Bürgermeister unangefochten die Hamburger Politik dominierte – 2011 bis 2015 mit absoluter Mehrheit in einer SPD-Alleinregierung, seitdem in einer rot-grünen Koalition.
Leonhard und Tschentscher indes übernehmen nun in einer für die SPD auch in Hamburg schwierigen Zeit: Nach einer neuen Umfrage ist die Partei aus den luftigen Höhen der 40-Prozent-Werte auf 28 Prozent gesunken.
Eine düstere Lage, auf die Leonhard und Tschentscher jedoch nicht eingingen. Leonhard geißelte vornehmlich soziale Ungerechtigkeiten wie die, dass Herkunft noch immer Menschen von gesellschaftlichen Chancen ausschließe. „Ich habe oft gehört, was jemand nicht werden kann, der wie ich in Wilhelmsburg geboren wurde – das Ergebnis steht vor Euch.“
Das sind Sätze, die sozialdemokratische Parteitage zum Jubeln bringen. Und für gute Ergebnisse sorgen: Mit 317 von 335 Stimmen, entsprechend 94,6 Prozent, wurde Leonhard als zweite Frau nach Traute Müller (1988 – 1991) zur Landesvorsitzenden der Hamburger SPD gewählt.
Programmatisch präziser wurde Tschentscher, der mit 337 von 354 Stimmen, entsprechend 95,2 Prozent, ebenfalls ein sehr gutes Ergebnis einfuhr. Er kündigte an, den Kurs der Haushaltssanierung, den Scholz und er seit 2011 verfolgen, beizubehalten.
Keine Euphorie bei den Grünen
Zugleich aber verkündete er, im öffentlichen Dienst rasch einen Mindestlohn von zwölf Euro einführen zu wollen: „Das ist notwendig.“ Die Leute wollten, so glaubt Tschentscher, „dass Hamburg sicher, sozial und grün“ sei, und dafür wolle er als Bürgermeister sorgen: „Die besten Tage in Hamburg liegen noch vor uns“, versprach Tschentscher.
Eine Verheißung, mit der er beim grünen Koalitionspartner Zustimmung, aber keine Euphorie hervorrief. Nach seiner Nominierung auf dem SPD-Parteitag machte Tschentscher am Nachmittag seinen Antrittsbesuch bei der grünen Mitgliederversammlung in Altona. Und versicherte, auch er wolle „eine grüne Stadt mit höchster Lebensqualität, mit Luftreinhaltung und Klimaschutz“.
Schön und gut, fanden die etwa 200 grünen Mitglieder, die Tschentscher mit warmem Applaus begrüßten. Dennoch sei G20 ein Fehler gewesen: „Das hat uns gesellschaftlich voneinander entfernt“, stellte die Landesvorsitzende Anna Gallina klar.
Die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank zeigte sich nahezu erleichtert, „dass es keinen ewigen Olaf gibt“. Dessen Respekt vor den Grünen sei unterentwickelt gewesen: „Was mir bisher nicht gefallen hat, ist die vollständig fehlende, positive Bezugnahme des Bürgermeisters auf die Koalition und den Regierungspartner“, sagte sie.
Tschentscher beteuerte seine Dialogfähigkeit: „Ich fühle mich zu Hause im Dialog mit grünen Partnern“, sagte er. Rot und Grün könnten gern auch nach der nächsten Wahl 2020 „weiter gemeinsam Verantwortung für diese Stadt gestalten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“