Neue Studie über Femizide: Gekränkte Männer, tote Frauen
Es sind Partner oder Ex-Partner, die Frauen umbringen. Es ist keine Zeit, darauf zu warten, dass Männer sich ändern. Es muss jetzt etwas passieren.
M änner töten in Deutschland jährlich Hunderte Frauen, weil sie Frauen sind. In vielen Fällen würgen oder schlagen sie sie davor, verletzten sie psychisch und physisch. Eine neue Studie der Uni Tübingen und des Kriminologischen Instituts Niedersachsens zeigt, dass der überwiegende Teil dieser Femizide in Paarbeziehungen passiert. Meist töten Männer ihre (Ex-)Partnerinnen, weil sie eifersüchtig sind oder eine Trennung befürchten.
Die kanadische Autorin Margaret Atwood hat dieses Ungleichgewicht einmal so beschrieben: „Männer haben Angst, dass Frauen sie auslachen. Frauen haben Angst, dass Männer sie umbringen.“ Frauen verlieren ihr Leben, weil sich Männer gekränkt fühlen. Das ist perfide Realität. Es muss endlich etwas passieren.
Zum einen braucht es viel mehr Prävention. Denn Frauen können nicht darauf warten, dass Männer sich ändern. Frauen erleben heute Gewalt. Sämtliche Forderungen liegen seit Langem auf dem Tisch, diese müssen umgesetzt werden. Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, 21.000 Frauenhausplätze vorzuhalten, davon existieren jedoch nur etwa 7.000 bis 8.000 – das ist ein Skandal. Denn die Studie zeigt auch: Jede vierte Frau, die einen Platz im Frauenhaus suchte, hatte Probleme, unterzukommen.
Außerdem braucht es viel mehr Beratungsangebote. Polizist:innen müssen besser geschult werden. Nicht einmal die Hälfte der getöteten Frauen hatte sich vor dem Femizid an die Polizei gewandt, selbst wenn bereits Gewalt in der Beziehung passierte. Das muss ein Weckruf sein – die Zugangsmöglichkeiten und die Hemmschwelle, sich an die Polizei zu wenden, müssen viel niedriger werden.
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Lange Liste
Die Liste ließe sich weiterführen: Die elektronische Fußfessel, langfristige, gesetzlich gesicherte Finanzierung von Beratungsstellen, die Förderung von Mehrsprachigkeit im Gewaltschutz, die ausreichende Finanzierung der Täterarbeit, weitere wissenschaftliche Aufarbeitung von Femiziden. Auch eine Strafrechtsreform der Tötungsdelikte und eine Reform des Sorge- und Umgangsrechts schlagen Strafrechtler:innen vor.
Vor allem aber muss sich zwischen Menschen etwas ändern. Denn Frauen können zwar nicht darauf warten, dass Männer sich ändern – aber ändern müssen sie sich trotzdem. Die strukturelle geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen liegt einem viel weiter verbreiteten Sexismus zugrunde. Wenn männliche Identität nach wie vor auf patriarchalen Vorstellungen beruht, auf der Idee, dominant zu sein und stark und Frauen sowieso überlegen, ist das eine verdammt wacklige Identität. Und Frauen werden schnell eine Bedrohung für die patriarchalen Machtansprüche.
Männer müssen diese Muster verlernen. Sie müssen sich und anderen erlauben, verletzlich zu sein, Freundschaften zu führen, in Therapie zu gehen, Kränkungen zu ertragen, sich um andere zu sorgen, echte Verbindungen auf Augenhöhe zu führen. Nur dann hören sie vielleicht irgendwann auf, für Frauen im schlimmsten Fall eine Lebensgefahr zu sein.
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