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Neue SPD-Vorsitzende„Die Groko ist kein Selbstzweck“

Offenbar will die SPD nur moderate Bedingungen für Verhandlungen mit der Union stellen. Kevin Kühnert kandidiert indes für den Vize-Partei-Vorsitz.

Schwer beschäftigt: Kevin Kühnert will Vize von Walter-Borjans und Esken werden Foto: dpa

Berlin taz | „Entscheidend ist, ob wir jetzt mit CDU und CSU die Weichen richtig stellen können – oder eben nicht.“ Das ist ein wesentlicher Satz in einem ersten Entwurf für den Leitantrag beim SPD-Parteitag, den das erweiterte SPD Präsidium am Dienstag debattierte. Laut Angaben von Teilnehmern ist der Entwurf aber weder fertig noch verbindlich. Erst am Donnerstag wird der Parteivorstand den Leitantrag beraten und verabschieden. „Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt aus ihr sind ein Selbstzweck“ heißt es in dem Entwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Der Text wurde offenbar von jemandem fotographiert und der SZ zuspielt. Das ist nicht unbedingt ein gutes Zeichen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter und mit der neuen Parteispitze aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Wie bereits vorab mehrfach betont, wird auf dem Parteitag wohl kein Ausstieg aus der Regierung beschlossen werden. Vielmehr soll die designierte Parteispitze mit der Union über Forderungen reden – Norbert Walter-Borjans hatte den Begriff update gebraucht.

Harte Forderungen und rote Linie für die Gespräche soll der Leitantrag eher nicht enthalten. Denn das würden einen gewissen Automatismus für ein Ende der Regierung bedeuten. Vielmehr soll der neuen Parteivorstand nach den Gesprächen bewerten, ob die SPD in der Großen Koalition bleibt.

Kühnert will den Vize-Vorsitz

Indes deutet sich an, wer neben neben der designierten Spitze aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans in der Parteiführung ebenfalls eine Rolle spielen könnte. Es gibt nun nämlich einen weiteren Kandidaten für einen der Stellvertreter-Jobs von Esken und Walter Borjans: Kevin Kühnert, der einflussreiche Juso-Chef, will für den Posten antreten.

Seine Kandidatur folgt einer gewissen Logik: Kühnert, 2018 Kopf der Anti-Groko-Bewegung in der SPD, war im Spätsommer für die Nahles-Nachfolge umworben worden. Er hatte sich aber nach langem Zögern dagegen entschieden. Der Grund: Er ist erst 30. Außerdem fürchtete er einen Showdown gegen Olaf Scholz, der die SPD hätte zerreißen können.

Zudem, so Kühnerts Einschätzung, sei die SPD zu konservativ für abrupte Umbrüche. Er hatte dann das Duo Esken und Walter-Borjans unterstützt. Die beiden hatten als letzte ihre Kandidatur angemeldet, der Jusochef kann insofern als Königsmacher gelten. Hätten die Jusos offiziell ein anderes Team unterstützt, wären Esken und Walter-Borjans heute wohl nicht dort, wo sie sind.

Walter-Borjans hatte sich immer strikt gegen Gerüchte gewandt, er habe einen Deal mit Kühnert gemacht und den Jusochef als Generalsekretär im Willy Brandt Haus eingeplant. Nun tritt Kühnert als Vize an. Bisher haben die Ostfrau Klara Geywitz und Arbeitsminister Hubertus Heil ebenfalls ihren Hut in den Ring geworfen.

Was wird aus Generalsekretär Klingbeil?

Platz ist bisher noch für alle Bewerber: In Zukunft soll es drei Vize-Vorsitzende geben. Die Wahl von Geywitz darf dabei als fast sicher gelten: Sie hat die Unterstützung der designierten Spitze und der Ostlandesverbände. Auch scharfe Groko Kritiker in der SPD wollen Geywitz wählen, obwohl die politisch ähnlich tickt wie Scholz. Ihre Wahl sei ein wichtiges Zeichen für die Einheit der Partei.

Offen ist bislang eine Schlüsselfrage: Was wird aus Generalsekretär Lars Klingbeil? Der gehört zum rechten Flügel, und hatte selbst mit einer Kandidatur für den Chefposten geliebäugelt. Ob die neue Führung daher eine Neubesetzung des Generalsekretärsposten will, ist zentral. Das neue Duo verfügt über wenig Erfahrung mit dem Willy Brandt Haus und der Leitung einer Partei und ist um so mehr auf eine absolut vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär angewiesen.

Schwung kommt zudem langsam in die Koalitionsfrage. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigt in einem TV-Interview an „Bei der Grundrente werden wir in das parlamentarische Verfahren erst dann einsteigen, wenn klar ist, dass diese Koalition auch fortgesetzt wird“.

Also muss die SPD erst ein Bekenntnis zur Koalition ablegen, damit die Union weiterarbeitet? So lesen es manche in der SPD. In der SPD mehrt diese Ansage der CDU-Cehfin die Skepsis gegenüber der Großen Koalition. Man werde sich von der CDU nicht erpressen lassen, heißt es.

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16 Kommentare

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  • Das sind ja mal ganz neue Töne!



    Ist es nun Angst vor der eigenen Courage, Machtbesessenheit, der schnöde Mammon oder die Angst vor der AfD, die auf einmal alle zurückrudern läßt?



    Dann daß es ein Akt der Einsicht ist, kann ich mir bei so viel Populismus, wie er sich seit der Schlappe bei der Bundestagswahl in der SPD breit gemacht hat nur sehr schwer vorstellen.

  • Als Ersatz für herrn Scholz könnte HHer Borjans ja die schwarze Null aufgeben (innerhalb der Schuldenbremse) und mal die CumEx aufklären und abstrafen. Damit wäre ein gutes Stück Glaubwürdigkeit wiederhergestellt. Man könnte auch die unnötigen Ausgaben für die Aufrüstung zusammenstreichen. Schaun wir mal.

  • Nun hat der Kevin ja heute verkündet, dass auch er vor einem vorschnellen Ausstieg aus der GroKo warnen möchte. Auch der Koalitionsvertag soll nun nicht mehr neu verhandelt werden, lediglich die Revisionsklausel gezogen werden. Es wird also nicht passieren, die GroKo wird weiter wursteln und die SPD nun wieder "geschlossener" weiter taumeln. Denn auch doppelt links blinken und trotzdem ein "Weiterso" fahren, wird die Glaubwürdigkeitskrise der SPD nicht beenden und die Wähler nicht zurückholen. Und die Basis wird sich nochmehr zurückziehen.

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @Hans aus Jena:

      Schliese mich an!



      Das meine ich auch so, weil "Grüße" an "Die Rose","Die Schmiede"(gibts die noch) das F(DGB..)Haus, Volksbad(alt und neu) die Grüne Tanne(nicht in alter Tradition!) Fuchsturm. Muß aufhören sonst wird das ein Reiseführer.



      ;)

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @05158 (Profil gelöscht):

        Reiseführer mögen wir hier gar nicht. eigentlich überhaupt keine Führer.

        ;-)

        • 0G
          05158 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Passend zu dem von ihnen hier aufgeführten Sachverhalt:

          www.youtube.com/watch?v=v45spje1b9Y

          ab 1:36:12

          Sie werden verstehen...;)

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    "Offenbar will die SPD nur moderate Bedingungen ... stellen."

    Na, da sind wir aber alle beruhigt. Ganz besonders in der 'Besinnlichkeit' der Vor-Weihnachtszeit. Der Rubel kann rollen - und das ist doch das, was zählt.

    Der Untergang des Abendlandes ist - einstweilen - aufgeschoben.

    Doch, lieber Herr Reinecke, Sie wissen schon: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. über Details informieren Sie sich bitte beim Volksmund.

  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ..." Union nach Neuaufstellung der SPD ...verdammt ich brauch dich, ich will dich nicht verlier'n ..."

    Man muß es unserem großen Nachrichtenmagazin lassen, manche Formulierungen sind "Zeitungsreif"

    .."Die Unionsparteien sind in Wahrheit so schwach, dass manchem Strategen inzwischen dämmert, wie groß das Risiko bei baldigen Neuwahlen wäre: Das Kanzleramt ist in Gefahr...."

    ..."Juniorpartner bei den Schwarzen oder selbst den Kanzler oder die Kanzlerin stellen - sollten die Grünen vor dieser Wahl stehen, wäre letztere Option selbstverständlich verlockend.

    ..."Alleine deshalb klammern sich CDU und CSU so sehr an die GroKo. Zudem haben sie in der Union - vor allem einige mächtige Ministerpräsidenten - ein großes Interesse daran, beispielsweise die Klimabeschlüsse und den Kohleausstieg wie mit der SPD vereinbart umzusetzen. ..."

    Wer war Lars Klingbeil?

  • taz: "Kühnert will den Vize-Vorsitz"

    Das wäre auch dass Vernünftigste, wenn man die SPD wieder zur sozialen Partei machen möchte. Seit Jahren machen sich Kabarettisten und Satiresendungen doch nur noch lustig über die Agenda-2010-SPD, die nur noch für die Reichen da ist und die Armen bestiehlt.

    **Robin Hood in der SPD | extra 3** www.youtube.com/watch?v=nFshQQqsV1Y

    taz: "Was wird aus Generalsekretär Lars Klingbeil? Der gehört zum rechten Flügel, und hatte selbst mit einer Kandidatur für den Chefposten geliebäugelt."

    Man sollte Lars Klingbeil einen CDU-Mitgliedsantrag geben und Olaf Scholz auch gleich einen. Wenn die SPD ihre neoliberale Agenda 2010 (Senkung des Spitzensteuersatzes, gesenkte Lohnnebenkosten, liberalisierte Zeitarbeit, Minijobs, Privatrente, Hartz IV, etc.pp.) endlich über Bord werfen will, dann muss man sich auch von diesen Schröderianern trennen, sonst wird das nichts mit dem 'wie Phönix aus der Asche' steigen.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Es gibt klügere Lösungswege.

      Auch Mkitglieder des Seeheimer Kreises können überzeugt und eingebunden werden.

      Wenn Sie nicht mitmarschieren wollen, halte ich es für eleganter, Ihnen die Kündigung selbst zu überlassen.

      Das kommt in diesen unruhigen Zeiten besser.

      Phoenix aus der Asche - vor allem jetzt und sofort - halte ich für große Träumereien. Nichts gegen Träume: ich träume gerne. Und weiß im Regelfall zu unterscheiden, was Traum und Realität ist.

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Niemand glaubt ernsthaft, dass die SPD wie der 'Phönix aus der Asche' steigen wird. Die SPD hat verspielt, und auch ein Kevin Kühnert wird die SPD nicht wieder aus dem 'Tal der Tränen' bringen. Vielleicht schafft Kevin es aber wenigstens die *Parlamentarische Linke der SPD Bundestagsfraktion* aus der Besenkammer zu befreien, wo Schröderianer sie vor Jahren eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen haben; dann kann die SPD vielleicht noch überleben.

        Jahrelang haben SPDler vom rechten Flügel frech solche Sätze von sich gegeben, wie z.B.: "Wir Sozialdemokraten verkörpern die Perspektive, dass die kleinen Bürger kein unabänderliches Schicksal haben. Viele von uns kommen auch aus kleinen sozialen Verhältnissen und haben sich durchgeboxt." [Olaf Scholz auf die Frage, ob die SPD sozial benachteiligte Bürger noch erreiche, Stern Nr. 31/2008]. Tja, unser Olaf, der in Hamburg sich als Erster Bürgermeister lieber für Prachtbauten wie die Elbphilharmonie interessiert hat, anstatt die benötigten 150.000 Sozialwohnungen zu bauen, die in Hamburg immer noch fehlen.

        Die SPD hat aus Deutschland das Niedriglohnland Nummer 1 gemacht ["Wir müssen und wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt." sagte Gerhard Schröder 2005 in Davos]. Die SPD hat den Spitzensteuersatz für die Reichen von 53% auf 42% gesenkt. Die SPD hat die Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt. Die SPD hat Hartz IV und Hartz-IV-Sanktionen zu verantworten [Hartz IV = FORDERN UND Gewinne der Wirtschaft FÖRDERN]. Der SPD haben wir unzählige Zeitarbeitsfirmen zu "verdanken", die sich an der Armut auch noch frech bereichern.

        So lange diese Partei sich nicht bei Millionen armer Menschen entschuldigt und das Agenda 2010 Papier von Schröder öffentlich verbrennt und feierlich gelobt, dass die SPD nie wieder ihre Wähler in Armut und Elend stürzt, sollte kein sozial denkender Mensch die SPD jemals wieder wählen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Ricky-13:

          Ich für meinen kleinen, bescheidenen Teil verzichte gerne auf eine Entschuldigung der SPD. Mir wäre eine Politik der veränderten Zielsetzungen 'Entschuldigung' genug.

          Und was die SPD 2010, 2008, 2005 oder gar früher gesagt und getan hat, kann heute in meinen Augen nicht das Hauptthema sein.

          Die Sozen haben gravierende Fehler gemacht. Sie (Ricky-13) und Sie (die SPD-Mitglieder) wissen das. Selbst die, die es aus Schuldgefühlen verleugnen und verdrängen.

          Möchten Sie heute mit Ihren Fehlern von 2005 konfrontiert werden? Ich nicht.

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Sie und ich können sicherlich auf eine - ohnehin nicht ernst gemeinte - Entschuldigung der SPD verzichten. Ob die "Hartz IV Mutter" - der man das klägliche Existenzminimum für 3 Monate sanktioniert hat, weil sie sich nicht mit § 10 SGB II in einen Hilfsarbeiterjob pressen lassen wollte und man ihr noch frech sagte, dass sie das Hartz-IV-Geld von ihrem Kind nicht "anzapfen" soll - das auch so sieht und sie auf eine Entschuldigung der SPD verzichtet, ist mehr als fraglich. So lange die SPD sich nicht mit ihren Verfehlungen der letzten 20 Jahre auseinandersetzt und weiterhin Leuten wie Hubertus Heil (BMAS-Chef) sowie den ehemaligen Hamburger SPD-Senator Detlef Scheele (BA-Chef) ihre "lustigen Einfälle" durchgehen lässt, ist die SPD weder glaubhaft noch wählbar.

            Die BA und das BMAS wollten doch tatsächlich mit juristischen Spitzfindigkeiten das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 5. November 2019 umgehen, um doch wieder über 30% sanktionieren zu können. Wie gesagt, in der BA und im BMAS sitzen keine FDP- oder CDU/CSU-Leute als Chefs, sondern SPD-Leute. Wenn die SPD glaubhaft und sozial werden will, dann sollten Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans jetzt mal endlich auf den Tisch hauen und so etwas nicht mehr durchgehen lassen.

            **Bundesagentur für Arbeit korrigiert nach einem Leak den Entwurf der neuen Sanktionsregelungen** inge-hannemann.de/...nktionsregelungen/

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @Ricky-13:

              Was Ihre Vorschläge an die neue SPD-Spitze angeht: wollen wir ihnen vielleicht ein paar Tage Zeit lassen? Soweit mir bekannt, gibt es in der Politik eine unausgesprochene 100-Tage-Frist. Die liefe dann bis

              * 08.März 2020.

              Danach schimpfe ich bei Bedarf gerne mit Ihnen mit. Jetzt ist mir das verfrüht.

              • @76530 (Profil gelöscht):

                Sie haben vollkommen recht. Man sollte der "neuen" SPD, mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, erst mal eine 100-Tage-Frist geben. Vielleicht steckt der soziale SPD-Phönix nach diesen 100 Tagen ja dann wenigstens schon mal den Schnabel aus der Asche. Ich gebe ja die Hoffnung auch nicht auf, dass die SPD sich doch wieder an ihre sozialen Wurzeln erinnert.

                • 7G
                  76530 (Profil gelöscht)
                  @Ricky-13:

                  Danke.

                  Genau das wollte ich hören bzw. lesen. ;-)