Neue Regierung in den Niederlanden: Salonfähige Hetze
Die neue niederländische Regierung zeugt von der Normalisierung identitärer Konzepte. Diese zu übernehmen hat den anderen Parteien noch nie genützt.
D ie Begriffe „Hetze“ und „salonfähig“ zählen zu den gängigen deutschen Lehnwörtern, die in der niederländischen Sprache verwendet werden. Davon, wie die Hetze im gesellschaftlichen Diskurs des Landes salonfähig wurde, zeugt der Aufstieg der Partij voor de Vrijheid, die fortan gemeinsam mit drei Koalitionspartnern bürgerlich-rechter und konservativer Signatur die Regierung bildet.
Dass PVV-Galionsfigur Geert Wilders als Premierminister nicht vermittelbar war, macht inhaltlich keinen Unterschied. So brüstet man sich im Koalitionsabkommen mit dem vermeintlich strengsten Anti-Migrations-Programm Europas.
Dabei handelt es sich keineswegs um etwas, das die PVV ihren weniger radikalen Partnerinnen aufzwang. Vielmehr fungiert radikale Abschottung als eine inhaltliche Klammer dieser Regierung. Sie ist, das belegen zahlreiche Umfragen, genau das, was rechte Wähler*innen von radikal bis bürgerlich von der neuen Koalition erwarten.
Politische Kultur ist längst nicht mehr progressiv-liberal
Wie sehr sich der Wind gedreht hat in diesem Land, das lange stolz war auf seine progressiv-liberale politische Kultur, zeigt sich am Ton des politischen Diskurses. Wer vor 20 Jahren in der Öffentlichkeit den Satz „Das eigene Volk geht vor“ fallen ließ, konnte dafür garantiert mit Kritik und Empörung rechnen. Was damals als rechtsextreme Parole galt, ist inzwischen weitgehend Konsens. In mehreren Umfragen befürworteten weit mehr als die Hälfte der Befragten einen „Asyl-Stop“. Wilders selbst forderte die Bevölkerung wiederholt auf, „Widerstand“ gegen die Unterbringung Geflüchteter zu leisten – mit Erfolg. Im Wahlkampf bescheinigten ihm etablierte Medien, er sei moderater geworden, dabei warnt er regelmäßig vor einem „Asyl-Tsunami“.
Die Niederlande sind ein Musterbeispiel dafür, was geschieht, wenn konservative, liberale und sozialdemokratische Parteien rechtsextreme Inhalte übernehmen.
Es bedeutet, dass identitäre Konzepte Eingang finden in den Mainstreamdiskurs. Dass man Parteien wie die PVV so nicht von der Macht fernhält, bedurfte schon vorher keines Beweises mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies