Neue Regierung im Himalajastaat: Maoist führt Nepal wieder
In Nepal regiert nun eine Große Koalition. Der maoistische Ex-Guerillero „Prachandra“ Pushpa Kamal Dahal setzt sich erneut an die Regierungsspitze.
MUMBAI taz | Es schien, als hätten Nepals in mehrere Parteien gespaltene Kommunisten endgültig die Machtoption verloren. Weil sie bei den Parlamentswahlen vom 22. November viele Mandate verloren, war eine Große Koalition unter kommunistischer Führung nicht die erste Option. Dennoch konnten sich die beiden größten linken Parteien nicht nur einigen, sondern noch fünf weitere Parteien ins Boot holen und so eine Mehrheit von 30 Mandaten erringen. Damit wurde der frühere maoistische Guerillaführer Pushpa Kamal Dahal, genannt Prachandra, am Montag als Premierminister vereidigt.
Der inzwischen 68-Jährige ist jetzt bereits zum dritten Mal Regierungschef. Seine vorherigen Amtszeiten waren umstritten und dauerten nur jeweils wenig mehr als neun Monate. Zuletzt wollte er 2020 das Amt erneut antreten. Denn schon nach den Parlamentswahlen 2017 schmiedeten seine Maoisten (CPN-M) mit den Marxisten-Leninisten (CPN-UML) eine Allianz. Doch als Khadga Prasad Oli (CPN-UML) nach der Hälfte der Amtszeit im Jahr 2020 die Regierungsführung an Dahal übergeben sollte, führte ein Streit zu einer Regierungskrise.
Der Machtkampf lähmte die Regierungsarbeit während der Pandemie und die Unzufriedenheit wuchs. Oli verlor die Mehrheit im Parlament und wurde 2021 vom Kongresspolitiker Sher Bahadur Deuba als Regierungschef mit Hilfe der Maoisten abgelöst. Doch deren Zweckbündnis zerbrach nach 17 Monaten.
Wie vor fünf Jahren schlossen Maoisten und Marxisten-Leninisten wieder ein Bündnis. „Diese Regierung oder vielmehr der Premierminister wird mindestens zwei Jahre im Amt bleiben“, sagt der politische Beobachter Santosh Sharma Poudel voraus. Denn das sei die in der Verfassung verankerte Sperrfrist für einen Misstrauensantrag gegen den Premier.
Wenig Reformhoffnungen
Danach könnte sich Ex-Premier Oli dafür wieder in Position bringen. Die Ministerposten sieht Poudel unter den sieben Parteien rotieren, um die breite Koalition bei Laune zu halten. Das dürfte aber das Vertrauen in die politische Führung nicht fördern.
Die Nepali Times bezeichnete das neu gewählte Parlament als „Club der alten Männer“. Damit hat sie nicht unrecht, doch wurden immerhin knapp ein Drittel Frauen gewählt und es gab in Teilen eine Erneuerung. So manche:r führende:r Vertreter:in etablierter Parteien scheiterte. Trotzdem besetzen noch viele alte Kader Schlüsselpositionen. Dabei hatte vor der Wahl die Kampagne #NoNotAgain“ („Nein, nicht schon wieder“) in den sozialen Medien neue Gesichter in der Politik gefordert.
Immerhin geht jetzt das Amt des Innenministers mit Rabi Lamichhane an einen Neueinsteiger. Der 48-jährige TV-Moderator gründete erst vor fünf Monaten seine nationalistische Unabhängigkeitspartei Rastriya Swatantra (RSP), die mit 20 Sitzen ein wichtiger Bestandteil der zusammengestückelten Koalition wurde.
Doch löste die Regierung keine Euphorie aus. Die Ernüchterung über die Politik zeigte sich bereits in der niedrigen Wahlbeteiligung von nur 61 Prozent und am Erfolg neuer, unbelasteter Parteien. „Viele Wähler:innen konnten nicht erkennen, wie ihre Stimme für eine der etablierten Parteien hätte etwas ändern können“, sagt Poudel. Die Außenpolitik werde weiter der kommunistische Block dominieren, der freundlich gegenüber dem nördlichen Nachbarn China und kritisch gegenüber Indien im Süden sei.
Wegen der geopolitischen Lage rechnet Poudel aber mit einem größeren Engagement der USA in Nepal. Unter der Deuba-Regierung des Nepalesischen Kongress war schon das millionenschwere US-Entwicklungsprogramm Millennium Challenge Corporation (MCC) ratifiziert worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr