„Neue Rechte“ radikalisiert Pegida: Die Anheizer
Seit Jahren träumten Rechtsintellektuelle von einer „Volksbewegung“. Mit Pegida sehen sie sich am Ziel. Fast. Jetzt soll der nächste Schritt erfolgen.
Die Szene dürfte Götz Kubitschek gefallen haben. Der 45-Jährige hatte schon drei Wochen zuvor auf Bachmanns Bühne gesprochen. Von einer Bewegung wie Pegida träumt er seit Jahren. Nun sieht er sich am Ziel. Fast.
Man darf Kubitschek als Vordenker von Pegida bezeichnen. Seit Jahren ist er einer der Köpfe der „Neuen Rechten“, eines Zirkels Rechtsintellektueller. Von seinem Rittergut in Schnellroda in Sachsen-Anhalt aus gibt er das Debattenblatt Sezession heraus. Dort ist der Sitz des „Instituts für Staatspolitik“, der Denkfabrik der Szene, mitgegründet von Kubitschek.
Das Schaudern vor dem „großen Austausch“
Es sind fast nur Männer, die hierzulande die „Neue Rechte“ bilden. Dieter Stein etwa, der Junge-Freiheit-Herausgeber. Felix Menzel, der Burschenschaftler. Oder Erik Lehnert, der Philosoph. Die „Neue Rechte“ eint, dass sie zwar NS-Nostalgie ablehnt – genauso aber Pluralität, die multikulturelle Gesellschaft oder Feminismus. Und momentan eint sie: der Kampf gegen Flüchtlinge. Die „orchestrierte Massenüberflutung“, wie es dort heißt, der „große Austausch“.
Pegida ist für Leute wie Kubitschek eine Genugtuung: Ihre Theorie verlässt den Salon, wird von den „Unverbildeten“, wie sie sagen, auf die Straße getragen: der Beginn einer „Volksbewegung“. Geht es nach ihnen, ist Pegida nur der erste Schritt. Nun soll der zweite folgen: offener Widerstand, das Anfachen einer „konservativen Revolution“.
Als Götz Kubitschek Anfang Oktober auf der Pegida-Bühne stand, rief er: „Es ist gut, dass es jetzt kracht.“ Der Flüchtlingszuzug sei eine „Katastrophe epochaler Dimension“. Nun sei es „unsere Pflicht, Widerstand zu leisten“. Kubitschek nannte den Bau von Grenzzäunen „auf eigene Faust“, das Blockieren von Grenzübergängen. Selten wurde die Pegida-Menge so aufgeputscht. Und sie applaudierte.
Die Radikalisierung ist gewollt
Kubitschek ist mit seinen Appellen nicht allein. „Es reicht nicht mehr aus, wenn wir unsere Wut herausbrüllen“, schreibt auch Menzel, der Burschenschaftler. „Spätestens in zehn Jahren müssen wir die Macht in Deutschland übernommen haben.“ Und Jürgen Elsässer, ein Neuzugang im neurechten Lager, rief Bundeswehrsoldaten auf, Merkel den Befehl zu verweigern: „Besetzt die Grenzstationen, schließt alle möglichen Übergänge vor allem von Süden! Wartet nicht auf Befehle von oben!“ Die Radikalisierung, die die Politik in diesen Tagen Pegida vorwirft – sie ist genau das Ziel von Kubitscheks Leuten.
Und die Bewegung hat schon ein neues Ziel. Mit einer Menschenkette soll in einer Woche, am 8. November, der Grenzübergang im bayrischen Schirnding blockiert werden. Ausgerechnet einen Tag vor dem 9. November, dem Datum des deutschen Mauerfalls von 1989. Die Organisatoren sprechen von einem „historischen Ereignis“, von einem Zeichen, „dass wir eine sichtbare Grenze zurückhaben wollen“. Als Redner mit dabei: Kubitschek und Elsässer.
Elsässer, ein früherer Junge Welt-Autor und Linksaußen, driftete schon vor Jahren nach rechts, getragen von seinem Anti-Amerikanismus. Der 58-Jährige tritt schlichter auf als Kubitschek, vulgärer: Deutschland sei in „tödlicher Gefahr“, durch „Kulturbereicherer mit Hormonstau“. Und Merkel regiere, „als sei sie in der Wolfsschanze“.
Mit dem „Widerstandsplan“ gegen das „Merkel-Regime“
Unlängst präsentierte Elsässer gar einen eigenen „Widerstandsplan“. „Dieses Merkel-Regime muss fallen“, heißt es darin. „Der zivile Ungehorsam ist das entscheidende Element.“ Als Flüchtlingsgegner bereits Anfang Oktober im sächsischen Sebnitz die Grenze blockierten, oder jüngst im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel eine Asylunterkunft, nannte Elsässer dies „vorbildlich“: Dort sei man „den Schritt gegangen vom Protest zum Widerstand“.
Elsässers Worte finden inzwischen ein breiteres Publikum. Sein rechtes Magazin Compact liegt nach eigenen Angaben bei einer Auflage von 55.000 Stück. Als Compact aufrief, Merkel wegen Hochverrats anzugehen, folgten 400 Anzeigen. Und zu einem Kongress des Magazins in Berlin kamen jüngst 1.000 Zuhörer.
Auch dort stand Kubitschek an Elsässers Seite. Beide lobten vor allem einen Shootingstar aus ihrem Bund: Björn Höcke, AfD-Chef von Thüringen, ein früherer Geschichtslehrer, 43 Jahre alt. Der stand erst am Mittwoch wieder auf dem Domplatz in Erfurt, auf seiner inzwischen sechsten Kundgebung gegen das „Asylchaos“ und warf vor mehr als 4.000 Zuhörern Angela Merkel „politischen Amoklauf“ vor. „Wir müssen diese politischen Irrläufer stoppen!“
Die AfD-Kundgebungen, eine „Stadteroberungsstrategie“
Inzwischen folgen andere AfD-Verbände Höckes Vorbild und gehen in Magdeburg, Dresden oder Rostock auf die Straße, am Samstag sollen Berlin, Hamburg und Passau folgen. Kubitschek lobt die „Stadteroberungsstrategie“. Diese mache den Anti-Asyl-Widerstand „spürbar, physisch, jenseits der Eintrittsspielregeln der etablierten Politik“.
Noch im Frühjahr wollte Kubitschek selbst in die AfD eintreten. Die Bundesspitze lehnte ab: Zu radikal schien der Mann, dessen Institut auch NPD-Leute besucht haben sollen. Die Zeiten haben sich geändert, innerhalb weniger Monate. Ende November lädt Kubitscheks Institut zu einem Kongress über den „Ansturm auf Europa“, ein Gipfeltreffen der Anti-Asyl-Strategen. Einer der Referenten: Björn Höcke.
Kubitschek und Höcke kennen sich seit Jahren. In seinen Reden warnt auch der AfD-Mann vor einer „Auflösung Deutschlands“, wirft der Regierung „Gesellschaftsexperimente“ vor und hofft auf eine „Erneuerungsbewegung“. Es ist genau das Vokabular der „Neuen Rechten“.
Pegida hat die Signale gehört
Und auch Höcke verschärft den Ton. Das „deutsche Volk“ müsse „endlich aus seinem Dämmerzustand erwachen“, rief er auf einer seiner Kundgebungen. Was das heißt, haben seine geistigen Brüder bereits weitergedacht. „Wenn wir alles richtig machen“, heißt es auf Kubitscheks Internetblog, sei „in der näheren Zukunft ein deutscher Maidan- oder Tahrirplatz möglich“. Darauf setzt auch Jürgen Elsässer: „Wenn 500.000 den Bundestag belagern, hat Merkel fertig.“
Bei Pegida ist der Aufruf zur Tat angekommen. Am Montag trat dort als letzter Redner Siegfried Däbritz auf, ein Pegida-Mann der ersten Stunde und Vertrauter Bachmanns. Es gehe bald „um das nackte Überleben“, rief er. Nur geschlossene Grenzen könnten jetzt noch helfen. Dann wandte sich Däbritz direkt an seine Zuhörer: „Wer hilft beim Grenzbau mit?“ Die Menge reagierte wie gewünscht. „Wir helfen mit, wir helfen mit“, schallte es.
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